Die lineare Wirtschaftslogik muss durch eine zirkuläre Denkweise ersetzt werden. Denn in Deutschland werden nur 13 Prozent der Rohstoffe wiederverwendet, weltweit sogar nur sieben Prozent. Diese Werte müssen sich ändern.
Doch wie kann das gehen? Kann die Digitalisierung diesen Wandel beschleunigen? Eine Studie der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften zeigt, wie digitale Technologien dabei helfen können.
Digitale Werkzeuge als Katalysator der Transformation
Die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech) hat in einer aktuellen Studie untersucht, wie digitale Technologien die Kreislaufwirtschaft voranbringen können. Die Experten sind sich einig: Die Technologien für eine digitale Kreislaufwirtschaft existieren bereits. Der entscheidende Schritt besteht darin, diese systematisch und flächendeckend einzusetzen.
Die Kreislaufwirtschaft stellt einen der zentralen Hebel dar, um die klima- und umweltpolitischen Ziele auf nationaler und europäischer Ebene zu erreichen. […] Der Umbau des Wirtschaftssystems hin zu einer Kreislaufwirtschaft geht dabei Hand in Hand mit der digitalen Transformation, denn digitale Technologien sind zentrale Enabler einer erfolgreichen Umsetzung von Kreislaufwirtschaftsstrategien.“ – (acatech STUDIE „Digitale Enabler der Kreislaufwirtschaft„, S.7, 2024).
Laut der Studie lassen sich vier grundlegende Funktionen digitaler Technologien hervorheben, die die Realisierung eines nachhaltigeren Wirtschaftens ermöglichen:
- Datengenerierung und -sammlung: Eine verlässliche Datenbasis ist immer die Grundlage, um effiziente und nachhaltige Entscheidungen zu treffen.
- Vernetzung: Effiziente Kommunikation und Datenflüsse zwischen Akteuren entlang komplexer Wertschöpfungsketten ermöglichen optimierte Prozesse.
- Modellierung: Mit digitalen Tools können zirkuläre Produkte und Prozesse geplant und simuliert werden.
- Automatisierung: Effizienzsteigerungen durch automatisierte Abläufe senken den Ressourcenverbrauch und beschleunigen den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft.
Diese Funktionen helfen den Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft und bieten innovative Lösungen, um den Ressourcenverbrauch zu senken und Prozesse effizienter zu gestalten.
Die Datengenerierung bildet die Grundlage für fundierte Entscheidungen. Digitale Produktpässe und Sensoren liefern umfassende Informationen über Materialien, ihre Herkunft und ihre Recyclingpotenziale. Diese Transparenz hilft Unternehmen, Optimierungsmöglichkeiten zu erkennen, und ermöglicht Verbrauchern nachhaltigere Entscheidungen. Gleichzeitig sorgt die Vernetzung von Akteuren entlang komplexer Wertschöpfungsketten für einen reibungslosen Austausch dieser Daten. Unternehmen können so Ressourcen besser koordinieren und Materialien effizient nutzen – etwa durch gemeinsame Nutzung von Reststoffen oder recycelten Materialien.
In der Planung unterstützt die Modellierung durch digitale Werkzeuge wie CAD oder Building Information Modeling (BIM) die Entwicklung ressourcenschonender Produkte und Prozesse. Unternehmen können verschiedene Szenarien simulieren, um von Anfang an nachhaltige und effiziente Lösungen zu realisieren. Die Automatisierung sorgt dafür, dass Prozesse präziser und schneller ablaufen. Ob in der Produktion oder im Recycling – automatisierte Abläufe minimieren Abfall, optimieren den Materialeinsatz und steigern die Effizienz.
Zusammengenommen bieten diese Technologien heute verfügbare Möglichkeiten, den Übergang zur Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen und zu beschleunigen.
Praxisbeispiele: T-Shirts, Waschmaschinen und Häuser
Die acatech-Studie beleuchtet das Potenzial digitaler Technologien anhand konkreter Beispiele:
- T-Shirts: Die Produktion eines einzelnen Baumwoll-T-Shirts benötigt etwa 2700 Liter Süßwasser. Digitale Produktpässe, die Informationen zu Material, Herkunft und Recyclingpotenzial bündeln, könnten die Transparenz in der Produktion erhöhen. Künstliche Intelligenz (KI) kann zudem die Ressourcenoptimierung vorantreiben und Abfälle minimieren.
- Waschmaschinen: Digitale Zwillinge – virtuelle Modelle realer Produkte – ermöglichen präzise Vorhersagen zu Wartungen und Reparaturen. Dadurch wird die Lebensdauer von Geräten verlängert, was die Nachfrage nach neuen Rohstoffen reduziert.
- Einfamilienhäuser: Im Bausektor können digitale Planungswerkzeuge wie Building Information Modeling (BIM) helfen, Ressourcen effizient einzusetzen und Materialverschwendung zu vermeiden. Besonders bei Umbauten und Sanierungen zeigt die Digitalisierung ein großes Potenzial.
Diese Beispiele verdeutlichen, wie breit gefächert die Einsatzmöglichkeiten digitaler Technologien sind – von der Modeindustrie bis hin zur Bauwirtschaft. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und Forschung ist dafür unverzichtbar. Die kommenden Jahre werden entscheiden, ob der Übergang zur Kreislaufwirtschaft gelingt. Der jetzige Stand der Technik bietet bereits jetzt das Potenzial, Ressourcenverbrauch und Wachstum zu entkoppeln. Wichtig ist jedoch, diese Möglichkeiten systematisch und flächendeckend zu nutzen.
Die Zukunft beginnt jetzt – Chancen und Herausforderungen
Die Ergebnisse der acatech-Studie finden Bestätigung in internationalen Projekten wie ENCIRCLE, einem EU-geförderten Programm unter der Leitung des Wuppertal-Instituts. Gemeinsam mit 14 Partnerorganisationen entwickelt ENCIRCLE innovative digitale Werkzeuge, die die Kreislaufwirtschaft stärken sollen, darunter künstliche Intelligenz, digitale Zwillinge und Produktpässe.
Auch die Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) betont in einer aktuellen Analyse die zentrale Rolle digitaler Technologien. Diese könnten Prozesse „dematerialisieren“ und fundierte Entscheidungsgrundlagen schaffen.
Was fehlt, ist eine konsequente Umsetzung. Hier sind Politik, Wirtschaft und Forschung gleichermaßen gefragt. Politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, finanzielle Anreize und gut ausgebildete Fachkräfte sind essenziell, um das schon heute existierende Potenzial der Digitalisierung voll auszuschöpfen
Die Studie legt dar: Die Technologie ist bereit – es liegt an uns, sie einzusetzen. Die kommenden Jahre werden entscheidend sein, ob es gelingt, die lineare Wirtschaftslogik durch eine zirkuläre Denkweise zu ersetzen und so einen Beitrag zum globalen Klimaschutz zu leisten.
Quellen: