Trotz Ausbau-Booms war es ein dunkles Jahr für die Solarenergie. Europa hat 2024 so viel Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt wie nie zuvor, und doch blieb die Sonneneinstrahlung laut EU-Klimabericht (Copernicus/ECMWF) in vielen Regionen ungewöhnlich schwach, was die Frage nach der Resilienz der Energiewende neu stellt.

Wolkenreiche Monate zeigen, dass bei steigenden Temperaturen nicht mehr Solarenergie verfügbar ist. l Foto: Myriams-Fotos
Die Experten sprechen von einem „dark year“, einem dunklen Jahr für die Solarenergie. Denn trotz Ausbaurekorden bei Photovoltaik-Anlagen lag die potenzielle Stromerzeugung durch Sonnenkraft in vielen Regionen unter dem langjährigen Durchschnitt. Teils deutlich. Das heißt: Die Anlagen hätten eigentlich viel Strom liefern können, aber wegen der ungewöhnlich geringen Sonneneinstrahlung blieb ein großer Teil dieser Leistung ungenutzt.
Besonders betroffen war Westeuropa. In Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Frankreich und Teilen Skandinaviens war das Jahr 2024 geprägt von ungewöhnlich trüben Frühjahrsmonaten. Die Copernicus-Daten zeigen: Die Sonneneinstrahlung lag im Februar und März regional um bis zu 38 Prozent unter dem Vergleichswert der Jahre 1991 bis 2020. Auch im Sommer blieb es in vielen Teilen Europas bewölkter als üblich. Entsprechend fiel die potenzielle Solarstromerzeugung merklich geringer aus, und das trotz der gestiegenen Zahl an installierten Modulen.
Für eine aufstrebende Solarnation wie Deutschland oder die Niederlande bedeutet das mehr als nur einen wetterbedingten Ertragsausfall. Es stellt zentrale Annahmen der Energiewende infrage: Was passiert, wenn gut geplante Solarkapazitäten schlicht weniger liefern als erwartet? Wenn Wolken, Regenperioden und geänderte Zirkulationsmuster zum wiederholten oder langfristigen Problem werden?
Klimawissenschaftlich ist dieser Trend erklärbar. Der ESOTC-Bericht weist auf ein Ost-West-Gefälle in den atmosphärischen Bedingungen hin. Während Südosteuropa überdurchschnittlich viel Sonne und Hitze erlebte, mit dramatischen Auswirkungen wie Dürre und Waldbränden, blieb Westeuropa unter einem wetterbestimmenden Tiefdrucksystem. Ein Muster, das sich über mehrere Monate hinweg hielt. Das auffällige Ost-West-Gefälle bei der Sonneneinstrahlung ist mehr als ein Wetterphänomen. Es ist eine Folge veränderter atmosphärischer Muster durch den Klimawandel. Wenn sich solche regionalen Klima-Verschiebungen häufen oder verstärken, verliert die Solarstromversorgung an Sicherheit. Selbst bei weiter wachsendem Ausbau.
Der Begriff vom „dark year“ verweist dabei nicht nur auf eine meteorologische Besonderheit, sondern auf ein strukturelles Risiko. Der vollständige Bericht dokumentiert eine Vielzahl solcher regionalen Gegensätze: Dürre und Hitzerekorde in Südosteuropa, massive Überschwemmungen in der Mitte des Kontinents, ungewöhnlich wolkenreiche Sommermonate im Westen. Diese Kontraste sind kein Zufall, sondern Ausdruck veränderter atmosphärischer Zirkulationsmuster, die in direktem Zusammenhang mit dem fortschreitenden Klimawandel stehen. Damit verschieben sich nicht nur Wetterverhältnisse, sondern auch die Bedingungen, unter denen erneuerbare Energien verlässlich einspeisen können.
Gerade Solarstrom, lange Zeit als verlässliche Säule der Energiewende gehandelt, zeigt sich in diesem Kontext anfällig. Die Gleichung „Klimaerwärmung = mehr Sonne“ geht nicht auf. Wenn sich wolkenreiche Phasen, wie 2024 in Mitteleuropa, häufen oder verstetigen, gerät die Planungssicherheit ganzer Energiesysteme ins Wanken. Die Frage nach der Resilienz der Energiewende stellt sich deshalb nicht nur mit Blick auf Speicher oder Netze, sondern auch im Hinblick auf Veränderungen durch den Klimawandel. Der Klimawandel fordert nicht nur die Umstellung auf erneuerbare Energien: Er zwingt dazu, sie auch wetter- und systemstabil zu denken. Nur so bleibt die Transformation tragfähig.
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