EU-Umweltrat schnürt Paket für saubere Energie

EU-Länder für effektiveren Klimaschutz und Erhalt der Industrie beim Emissionshandel – Berlin akzeptiert Verfallsdatum für Zertifikate

Am 28.02.2017 haben sich die EU-Länder einer BMUB-Mitteilung zufolge  im Umweltrat auf eine gemeinsame Position zur Reform des Emissionshandels verständigt. Die Klimaschutzwirkung des Emissionshandels werde gestärkt: Doppelt so viele überschüssige Zertifikate sollen in die Reserve verschoben und damit dem Markt entzogen werden. Die im internationalen Wettbewerb stehende Industrie werde effektiv geschützt. Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth (SPD) habe sich beim Umweltministerrat der Europäischen Union sehr dafür eingesetzt, dass sie mehr Kohlendioxid-Zertifikate kostenlos zugeteilt bekämen, als die EU-Kommission vorgeschlagen habe.

Dazu erklärte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks: „Wir haben in harten Verhandlungen für unsere beiden Kernforderungen einiges erreicht. Erstens ist es gelungen, die Klimaschutzwirkung des Emissionshandels deutlich zu stärken. Investitionen in den Klimaschutz werden damit attraktiver. Die Zeit der dramatischen Zertifikats-Überschüsse ist bald vorbei. Zweitens haben wir es geschafft, die europäische Industrie vor unfairem Wettbewerb zu schützen. Denn dem Klimaschutz wäre nicht gedient, wenn unsere europäische Industrie künftig anderswo genauso oder noch CO2-intensiver produzieren würde. Beides ist eine gute Grundlage für die anstehenden Verhandlungen mit dem europäischen Parlament.“

Neu sei auch, dass die Reserve nach oben begrenzt werde – oberhalb einer bestimmten Grenze würden CO2-Zertifikate dauerhaft gelöscht. Die Folge sei, dass es am Markt früher Knappheit gebe und sich Investitionen in den Klimaschutz eher lohnen würden. Marktteilnehmer könnten angesichts der Löschung von Zertifikaten damit rechnen, dass derart große Überschüsse wie in der Vergangenheit künftig nicht mehr aufträten. Allerdings könne der Anteil der Zertifikate, die kostenlos zugeteilt würden, bis zwei Prozent steigen, um den sogenannten Korrekturfaktor zu vermeiden. Bei den Emissions-Benchmarks für einzelne Branchen würden die technischen Fortschritte künftig realistischer abgebildet. Die jährliche Mindestreduktion betrage nach Rats-Position 0,2 Prozent.

Fast jeder der 28 EU-Energieminister hatte gewarnt, wie schwierig es werden würde, das Gesetzespaket „Saubere Energie für alle Europäer“ auf nationaler Ebene umzusetzen. Einig waren sie sich jedoch auch in der Tatsache, dass saubere Energie entscheidend für das Gelingen der Energieunion sei – das Vorzeigeprojekt der EU-Kommission, das Europas Energieversorgung umweltfreundlicher und nachhaltiger gestalten soll. Oberstes Ziel ist dabei, bis 2030 EU-weit den Übergang in eine CO2-arme, ressourceneffiziente Wirtschaft zu schaffen.

Dagmar Dehmer meinte im Berliner Tagesspiegel, die energieintensive Industrie könne zufrieden sein: „Am Abend des 28.02.2017 hatten die Minister gegen neun Gegenstimmen entschieden, dass die Industrie mehr Zertifikate kostenlos zugeteilt bekommt. Die maltesische Präsidentschaft hatte vorgeschlagen, von 2021 an 57 Prozent der CO2-Zertifikate zu versteigern und 43 Prozent kostenlos an die Industrie auszugeben. Flasbarth warb leidenschaftlich dafür, die kostenlose Zuteilung auf 45 Prozent der Zertifikate zu erhöhen – und setzte sich damit am Ende durch. Sein Argument war, dass anderswo ‚mit Hochdruck daran gearbeitet wird, Umweltstandards drastisch zu senken'“. Mit Blick auf Polen habe Flasbarth Flexibilität bei den Solidaritätszahlungen aus den Einnahmen des Emissionshandels siganlisiert.“ Polens Umweltminister Jan Szyzko diskutierte derweil gar nicht über den Emissionshandel sondern darüber, dass das Wachstum der polnischen Wälder das Land auch ohne Einschränkungen bei der Kohleverstromung klimaneutral machen könnten.“ Das hinderte ihn nicht daran, am Ende zu klagen: „Polen fühlt sich betrogen.“

Deutschland hatte einem Vorschlag Frankreichs, Luxemburgs, der Niederlande und Schwedens zugestimmt. Demzufolge sollen CO2-Zertifikate, die länger als fünf Jahre lang in der neuen Markt-Stabilitäts-Reserve lagern, dann dauerhaft stillgelegt werden, wenn sich mindestens 500 Millionen CO2-Zertifikate angesammelt haben. Trotz der protestierenden Länder (neben Polen Ungarn und Italien: 2014 habe der Rat beschlossen, den Emissionshandel „im Konsens“ zu reformieren) entschied der maltesische Ratspräsident, dass alle Argumente ausgetauscht seien (nach 19 Monaten Debatte mit vier Umwelträten und 30 Treffen auf Fachebene!). 19 Regierungen beklatschten seine Entscheidung minutenlang.

Bizarr: Flasbarth vom britischen Klima-Staatssekretär Nick Hurd unterstützt worden. Dessen Redebeitrag habe so geklungen, als sei Großbritannien 2021 noch Teil des Europäischen Emissionshandels. Dehmer: „Dabei ist im Zuge der Brexit-Verhandlungen gar nichts klar. Die britische Premierministerin Theresa May hat sich in ihren Brexit-Reden bisher nicht dazu geäußert, wie die britische Klimapolitik künftig aussehen soll. Da Großbritannien neben Deutschland aber der Staat mit den größten Emissionsminderungen ist – für 2016 meldete das britische Klimaministerium eine Verringerung der Treibhausgasemissionen um 38 Prozent im Vergleich zu 1990 – bringt ein Ausstieg der Briten das ganze System ins Wanken.“

Euractiv Brüssel: „Die EU-Kommission schlägt ein verbindliches Ziel zur Energieeinsparung von 30 Prozent bis zum Jahr 2030 vor. Dieses Bestreben sei zu hoch gesteckt, meint Herbert Reul. Statt ständig neue Ziele zu setzen, müsse Europa die bisherigen Pläne erfolgreich umsetzen.“

Das Paket sei in der Tat ehrgeizig, was die langfristigen Ziele angehe, bestätigt Daniel Navia Simón, Spaniens Staatssekretär für Energie. Man brauche aber auch kurzfristige Ziele, um die Bürger spüren zu lassen, dass sich etwas in ihrem Alltagsleben verändert.
EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete ist für einen marktbasierten Ansatz bei den erneuerbaren Energien. Das heißt, er will die Bedürfnisse der Verbraucher angemessen mit einbeziehen. Das befürwortet auch die belgische Umweltministerin Marie-Christine Marghem. Den Konsumenten sei es wichtig, einen gut funktionierenden Markt mit erschwinglichen Preisen vorzufinden.

Noch nichts entschieden

Das BMUB: „Entschieden ist noch nichts“. Denn die EU-Ratspräsidentschaft (derzeit Malta) „wird nun auf dieser Grundlage mit dem Europäischen Parlament über die Reform verhandeln.“ Dahmer: „Nun beginnt die nächste Schacherrunde in Brüssel. Das eröffnet Polen eine weitere Chance, die Verhandlungen über die Reform des Emissionshandels auszubremsen.“

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