EU-Parlament: Dieselgate vermeidbar

EU-Parlament-Untersuchungsausschuss rügt Mitgliedsstaaten: Manipulation von Abgaswerten hätte früher entdeckt werden können

„Versagen auf allen Ebenen“, „EU-Vorschriften über Abgastests zu schwach“, „schon 2004 hat es ausreichende Hinweise gegeben“, „Betrug hätte verhindert werden können“ –  sehr peinlich lauten die Überschriften über dem organisierten Staats-, Regierungs- und Politikversagen, das Zigtausende Menschen das Leben gekostet hat und noch immer kostet. Der VW-Abgasskandal hat die Schwächen der aktuellen EU-Systematik aufgedeckt – sowohl für Grenzwerte, wie auch die Messung oder des Typgenehmigungssystems für Autos. Der Untersuchungsausschuss zu Emissionsmessungen in der Automobilindustrie (EMIS) des europäischen Parlaments rügte jetzt die EU-Länder: Der Skandal war vermeidbar.

Diesel-Auspuff – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

„Dieselgate hätte vermieden werden können, wenn die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten einfach nur EU-Recht eingehalten hätten,“ fasste der liberale niederländische EU-Parlamentarier und Mitberichterstatter Gerben-Jan Gerbrandy das Ergebnis des Abgas-Untersuchungsausschusses zusammen. Die Mitglieder hatten seit April 2016 untersucht, wie es zu dem Skandal um manipulierte Dieselmotoren kommen konnte. Die Mitgliedstaaten hätten sich bei der Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften über Fahrzeuge und der Festlegung einer angemessenen Marktüberwachung nicht bewährt, obwohl die Verwendung von Betrugs-Vorrichtungen nur die eine Seite eines größeren Problems darstelle: Die großen Diskrepanzen zwischen den im Laborversuch gemessenen NOx-Emissionen von Dieselfahrzeugen im Vergleich zu den auf der Straße gemessen.

EU-Kommission und Mitgliedstaaten verantwortlich – Liste des Versagens – Der Bericht identifiziert eindeutig die Verantwortung von EU-Kommission und Mitgliedstaaten für die Anwendung der EU-Vorschriften über Schadstoffemissionen von Kraftfahrzeugen. In erster Linie verletzten die EU-Länder der Untersuchung zufolge ihre gesetzliche Verpflichtung zur Überwachung und Durchsetzung des Verbots von Betrugssoftware und dabei, die Autohersteller dazu zu zwingen, ihre Betrugseinbauten aus ihren Fahrzeugen zu entfernen. Sie verstießen auch gegen ihre Pflicht, ausreichende Sanktionen für Verstöße gegen das EU-Recht zu verhängen. Mitgliedsstaaten und Kommission wurden gleichermaßen verantwortlich befunden, dass sie nicht auf die Beweise reagierten, die sie über die Diskrepanzen besaßen, und auf die Tatsache, dass Emissionskontrollstrategien in Fahrzeugen sich darauf konzentrierten, in Emissionstests zu bestehen anstatt unter realen Bedingungen zu funktionieren, In dem Bericht wurde auch darauf hingewiesen, dass die erhebliche Verzögerung bei der Verabschiedung von Emissionsprüfungen, welche die tatsächlichen Emissionen widerspiegelt, auf Missstände bei der Kommission und den Mitgliedstaaten zurückzuführen ist.

Schlussfolgerungen der Untersuchung

Der Abschlussbericht des EMIS-Ausschusses wurde mit einer sehr breiten Mehrheit angenommen (40 Stimmen bei 2 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen). Es ist die Frucht von zwölf Monaten intensiver Arbeit, um Ereignisse zu rekonstruieren und zu sammeln und zu analysieren, insbesondere über die Reihe von Ereignissen, die zum Auto-Emissions-Betrugstest-Skandal führten, der im September 2015 brach und auf die Rolle der EU-Kommission und Mitgliedsstaaten vor und nach dem Skandal.

Ausschussvorsitzende Kathleen Van Brempt von den belgischen Sozialdemokraten sagte: „Das ist ein Bericht, der weder von der EU-Kommission noch vom Rat ignoriert werden kann. Zum ersten Mal in einem Jahrzehnt hat ein Untersuchungsausschuss einen festen Bericht mit einer überwältigenden Mehrheit abgegeben, in der ein Missstand der Kommission und der Mitgliedstaaten eindeutig nachgewiesen wird. Wenn das Gesetz einfach umgesetzt und durchgesetzt worden wäre, wären wir nicht mit diesem Skandal konfrontiert worden. Es liegt nun an der Kommission und den Mitgliedstaaten, das Vertrauen in unsere Industrien und in die europäische Gesetzgebung wiederherzustellen. Die Mitgliedsstaaten müssen insbesondere unsere Empfehlungen zur Stärkung des EU-Systems der Typgenehmigung und der Marktüberwachung verfolgen. Dass Mitgliedsstaaten sich weiterhin auf EU-Ebene der Stärkung der Marktüberwachung widersetzen und die inakzeptablen Praktiken die Interessen einiger Automobilhersteller über  der europäischen Verbraucher und Bürger zu setzen, muss aufhören.“

„Wir müssen dafür sorgen, dass jeder Mitgliedstaat die Regeln umsetzt und durchführt.“ Und es versteht sich von selbst, dass eine ordnungsgemäße Überprüfung der Autos, die bereits auf unseren Straßen fahren, zwingend erforderlich ist „, fügte Co-Berichterstatter Jens Gieseke hinzu.

Über den Abschlussbericht müssen die 751 Abgeordneten des Europaparlaments voraussichtlich im April abstimmen. Am 09.02.2017 hat der Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments Änderungsvorschläge angenommen, um das System zu verbessern. Ziel ist, für mehr Unabhängigkeit bei den Fahrzeugprüfungen und eine verstärkte Überwachung bereits angemeldeter Autos zu sorgen.

Betrogene Autokäufer, deren Diesel-Pkw nun nachgerüstet werden müssen, wird der Bericht des EU-Parlaments allerdings enttäuschen: Die Forderung, europäische Kunden zu entschädigen, wie es in den USA passiert, gibt es nicht. Noch nicht, verspricht Grünen-Politiker Eickhout: „Wir werden das bei der endgültigen Abstimmung im ganzen Parlament noch mal auf die Agenda setzen.“

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