ZSW entwickelt intelligente Verfahren zur Abbildung von Energieflüssen im Stromnetz
Mit verbesserten selbstlernenden Algorithmen wollen Wissenschaftler des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) künftig ein umfassenderes Abbild der Energieflüsse im Stromnetz erstellen. Im Februar 2017 ist dazu ein großes Forschungsprojekt angelaufen. Wie die ZSW-Presseabteilung am 07.03.2017 mitteilte, sollen die Algorithmen den Bedarf der Verbraucher und die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien genauer vorhersagen.
Für die Verbesserung der Einspeiseprognosen kommen auch Satellitendaten zum Einsatz. Die Ergebnisse der Forschungen werden im Netz von Energieversorgern getestet und weiterentwickelt.
Im deutschen Stromnetz mit seinem hohen Anteil erneuerbarer Energien sei ein möglichst vollständiger Überblick über die Energieflüsse nötig, heißt es, damit die Stromversorgung kostengünstig und weiterhin zuverlässig erfolgen könne. Genaue Vorhersagen von Energieströmen bis in die Verteilnetze seien auch Bedingung für neue Geschäftsmodelle von Energiedienstleistern und einen intelligenten Netzbetrieb.
Die ZSW-Forschungsarbeiten zur exakten Beschreibung der aktuellen und zukünftigen Energieflüsse erfolgen im Rahmen des auf vier Jahre angelegten Projekts C/sells. Im Gesamtprojekt C/sells wird der technische und wirtschaftliche Betrieb von Energienetzen mit sehr hohem Anteil an Solarenergie in 46 Beispielregionen und Quartieren (Zellen) in Süddeutschland optimiert.
Beteiligt sind die Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW und TenneT, Verteilnetzbetreiber, Stadtwerke, Energie- und Softwaredienstleister sowie Forschungsinstitute. C/sells wird im Rahmen der „Initiative Schaufenster intelligente Energien – Digitale Agenda für die Energiewende“ (SINTEG) vom Bundeswirtschaftsministerium mit rund 50 Millionen Euro gefördert. Das gesamte Projektvolumen der 42 Partner beträgt rund 100 Millionen Euro.
Energieflüsse noch zu wenig bekannt
Im Stromnetz müssten Einspeisung und Verbrauch stets im Gleichgewicht gehalten werden, so das ZSW. Bei zentraler Einspeisung durch einen jederzeit regelbaren Kraftwerkspark sei diese Aufgabe leicht zu lösen; die Einspeisung werde am Verbrauch ausgerichtet. Bei zunehmend dezentraler Einspeisung aus den fluktuierenden Quellen Sonnen- und Windenergie sei dagegen ein lokal aufgelöstes Bild der Energieflüsse notwendig.
Die Prognosen der Einspeiseleistung in das Netz seien derzeit räumlich noch nicht ausreichend aufgelöst und in einigen Wettersituationen zu ungenau. Auch werde der Verbrauch von Haushalten und kleineren Gewerbebetrieben nur in Form von Standardlastprofilen geschätzt. Die Schätzungen gäben aufgrund der Veränderungen im Nutzerverhalten der vergangenen Jahre aber nicht mehr ausreichend die Realität wieder.
Hinzu kämen seit Kurzem Prosumenten, die Strom nicht nur erzeugten, sondern auch selbst verbrauchten. Allein in Süddeutschland gebe es inzwischen rund 800.000 von ihnen. Eine genaue Vorhersage ihres Verhaltens sei ebenfalls wünschenswert. Bessere Vorhersagen von Einspeisung und Verbrauch führten dazu, dass weniger fossile Kraftwerke für Regelenergiedienstleistungen bereitgehalten werden müssten. Das senke die volkswirtschaftlichen Kosten und trage zu einem stabileren Betrieb bei.
Intelligente Verfahren können Energiesystem optimieren
Neue intelligente Verfahren sollen nun die Energieflüsse im Stromnetz genauer beschreiben: Big Data hält Einzug in die Energiewende. Das ZSW entwickelt derzeit mithilfe leistungsfähiger Rechnerplattformen auf der Basis von Grafikkarten-Clustern moderne Methoden zur Verbesserung der Hochrechnung des Ist-Zustands mit hoher regionaler Auflösung und zur Prognose zukünftiger Netzzustände und Energieflüsse.
„Die neuen Verfahren analysieren große, komplexe Informationsmengen und sollen mit einer Vielzahl von Anlagendaten, historischen Umgebungsdaten und Messdaten sowie Satellitendaten umgehen können“, erklärt Dr. Jann Binder, Leiter des Fachgebiets Photovoltaik: Module Systeme Anwendungen am ZSW. Aus dem Datenberg filterten sie selbstständig wesentliche Merkmale heraus, die für die Prognose wichtig seien: jene Faktoren, die die zu erwartende Stromernte der Ökostromanlagen und die Stromlast der Verbraucher beeinflussten. Die Verfahren würden daher auch selbstlernende Algorithmen genannt. „Ziel ist, Daten in einer Form und Güte zu liefern, die über derzeit kommerziell verfügbare Produkte hinausgehen“, so Binder.
[note Forschungsprojekt im Süden der Republik
Am Forschungsprojekt C/sells sind Akteure und Netzgebiete in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen beteiligt. Die Region weist die höchste solare Erzeugung in Deutschland auf. Sie hat außerdem eine vielschichtige Netzstruktur mit über 400 Verteilnetzbetreibern, eine Kombination von industrialisierten Ballungszentren mit ländlichen, dünn besiedelten Regionen und liegt zentral im europäischen Netzverbund.]
->Quelle: ZSW