Bahn kassiert wettbewerbsverzerrend für Schienennetz-Nutzer
„Nicht zwingend das Ende“ untertitelte die taz, doch die jüngste Privatbahn-Firma Locomore hat Insolvenz anmelden müssen. Am 12.05.2017 fuhr der vorerst letzte Zug von Locomore, dem (laut SPIEGEL) „sympathischen Start-up, das sich über Crowdfunding finanziert, im Dezember den Betrieb zwischen Berlin und Stuttgart aufgenommen und ambitionierte Expansionspläne hatte“. Kritische Kommentare begleiteten das vorläufige Scheitern der kleinen Bahn-Konkurrenz.
„Per Crowdfunding finanziert fährt der Fernzug von Locomore seit einem halben Jahr zwischen Stuttgart und Berlin. Neben Bio catering und günstigen Tickets überzeugt die ökologische Bahn vor allem durch einen freundlichen und flexiblen Service“, schrieb Joschua Katz eben noch in energiezukunft, dem Blatt des Ökostromversorgers und Locomore-Stromlieferanten naturstrom („Mit naturstrom auf der Schiene„), dessen Titel das Bild eines Locomore-Waggons zierte.
Und jetzt findet man nach kurzer Suche auf der Locomore-Webseite unter „Betriebsmeldungen“ folgende kurze Notiz: „Locomore unterbricht Betrieb erstmal bis 15.05. mittags – Locomore teilt mit, dass der Betrieb ab heute Nachmittag [12.05.2017, S_Y] 14:28 Uhr leider vorläufig unterbrochen werden muss. Gestern hat das Unternehmen Locomore beim Amtsgericht Charlottenburg einen Insolvenzantrag gestellt. Gespräche mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter und potentiellen Investoren sind angelaufen. Locomore hofft, den Betrieb so bald wie möglich wieder aufnehmen zu können!“
Das ist aber vorerst offen, offen auch, „ob Locomore wie geplant Anreisepartner beim Evangelischen Kirchentag sein kann. Das Protestanten-Treffen findet vom 24. bis 28. Mai in Berlin und Wittenberg statt. Teilnehmer der Großveranstaltung konnten bis zum 1. April für 79 Euro eine Hin- und Rückfahrt von jedem Locomore-Bahnhof nach Berlin und zurück buchen. Und nicht nur für den Kirchentag verkaufte Locomore Tickets, von denen derzeit unklar ist, was sie noch wert sind. Der Online-Ticketverkauf bei Locomore ist vorerst unterbrochen worden“, meldet die Süddeutsche Zeitung.
[note Die FAZ dazu: „Es wird Zeit für eine Revision der Bahnreform. Die hat durchaus Gutes bewirkt. Zumindest in der Theorie. Die Praxis sieht zwiespältig aus. Zwar macht im Nahverkehr eine Vielzahl von Konkurrenten dem Staatskonzern das Leben schwer. Ganz anders sieht die Lage im Fernverkehr aus. Immer wieder versucht ein Konkurrent sein Glück, wie zuletzt das Miniunternehmen Locomore mit einem Zug von Stuttgart nach Berlin. Es kam wie befürchtet. Locomore hat nach gerade fünf Monaten Insolvenz angemeldet. Hohe Trassennutzungspreise und unflexible Fahrpläne, die neuen Anbietern das Geschäft verleiden. Der Nahverkehr wird staatlich unterstützt, der Fernverkehr muss eigenwirtschaftlich zurechtkommen. Dieses Regime bevorzugt große Anbieter und benachteiligt kleine. Man sollte sich nach zwei Jahrzehnten Gedanken über eine Revision machen.“
Und der SPIEGEL: „Die Lüge vom Wettbewerb auf der Schiene: Wenn ein Unternehmen in einer Branche pleitegeht, liegen die Ursachen meistens bei der Firma selbst. Wenn ein Unternehmen nach dem anderen aufgibt, ist es an der Zeit, nach den grundsätzlichen Ursachen zu suchen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Es fängt damit an, dass ein privater Konkurrent Züge braucht. Auch die Betriebskosten sind hoch. Und auch im Güterverkehr, wo es inzwischen durchaus eine Menge Konkurrenz gibt, fällt es den meisten Anbietern schwer, wirklich Geld zu verdienen. Bleibt die Frage, ob es tatsächlich noch gelingen kann, für mehr Wettbewerb auf der Schiene zu sorgen. Dafür muss die Politik sich von ihrer Verschleierungstaktik verabschieden und für echte strukturelle Veränderungen sorgen. Das heißt aus Sicht des Bundes: Er muss die Infrastruktur kostenlos zur Verfügung stellen. Den Erhalt des Schienennetzes müsste der Bund komplett aus seinem Haushalt finanzieren. Nur eine echte, grundlegende Reform kann endlich dafür sorgen, dass es mehr Wettbewerb auf der Schiene gibt.„]
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