Bundesregierung verabschiedete ersten Stickstoffbericht
Das Bundeskabinett hat am 31.05.2017 auf Vorschlag von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks einen Bericht zum Stickstoffeintrag in die Umwelt beschlossen. Damit wird das Thema Stickstoff erstmals umfassend auf die politische Agenda gehoben. Stickstoff stelle eine zunehmende Belastung für Wasser- und Ökosysteme dar – so eine Medienmitteilung aus dem BMUB. Er beeinträchtige das Klima, die Luftqualität und die Artenvielfalt. Die Bundesregierung will jetzt Stickstoff durch einen sektorenübergreifenden Ansatz auf ein umwelt- und gesundheitsverträgliches Maß reduzieren.
Bundesumweltministerin Hendricks: „Das Stickstoff-Problem ist in der Umweltpolitik lange unterschätzt worden. Dabei sind die zunehmenden Stickstoff-Emissionen eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit. Auf der Grundlage des Stickstoffberichts können wir dieses Problem nun ressortübergreifend angehen. Denn ebenso vielfältig wie die Quellen der Stickstoffbelastung sind auch die Möglichkeiten, etwas dagegen zu tun – etwa im Verkehrsbereich mit mehr Elektroautos und in der Landwirtschaft mit einem umweltgerechten Düngemitteleinsatz.“ Das Bevölkerungswachstum, der steigende Konsum stickstoffhaltiger Lebensmittel, der wachsende Energiebedarf und der zunehmende Individualverkehr lassen die Stickstoff-Emissionen global betrachtet anwachsen. Die planetare Belastungsgrenze für Stickstoff wird seit Jahren überschritten. Belastungen durch Stickstoff zeigen sich z.B. im hohen Nitratgehalt im Grundwasser oder insbesondere in Städten durch Stickstoffdioxidbelastungen in der Luft.
Die Bundesregierung macht mit ihrem Stickstoffbericht deutlich, dass es eines stärkeren Zusammenwirkens verschiedener Politikbereiche bedarf. Nur durch eine gemeinsame Kraftanstrengung von Umwelt-, Landwirtschafts-, Ernährungs-, Energie-, Verkehrs-, Gesundheits-, Verbraucherschutz-, Bildungs- und Forschungspolitik kann es gelingen, Stickstoffeinträge weiter zu reduzieren.
Entwicklung eines Aktionsprogramms zur konkreten Stickstoffminderung
In ihrem Bericht kündigt die Bundesregierung die Entwicklung eines Aktionsprogramms zur konkreten Stickstoffminderung an. Das Programm soll dazu beitragen, Synergien zwischen den diversen Programmen der Bundesregierung besser zu identifizieren und zu stärken. Zudem soll die Anwendung des Verursacherprinzips präzisiert und überprüft werden, ob es rechtliche oder finanzielle Rahmenbedingungen gibt, die einer Minderung von Stickstoffeinträgen entgegenstehen.
[note Mit dem vorliegenden Bericht macht die Bundesregierung auf die Bedeutung des Stickstoffs für unsere Gesellschaft, die Folgen hoher Stickstoffemissionen und deren Ursachen aufmerksam. Er dient der Information und Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger. Die Bundesregierung nimmt dabei Bezug auf die nationale und internationale Diskussion zu den gesundheitlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Risiken überhöhter Einträge reaktiven Stickstoffs in die Umwelt. Es soll dargestellt werden, welche Ziele, Handlungsfelder und politischen Lösungsansätze von Relevanz sind. Der Bericht verdeutlicht den ressortübergreifenden Handlungsbedarf zur Minderung der Einträge reaktiver Stickstoffverbindungen in die Luft, Böden, Gewässer und andere Ökosysteme auf lokaler, nationaler und globaler Ebene. Reaktiver Stickstoff ist dabei ein Sammelbegriff für bekannte Verbindungen wie z. B. Stickstoffoxide (Stickstoffdioxid, Lachgas), Ammoniak oder Nitrat.]
Zur Lösung der Stickstoffproblematik setzt die Bundesregierung auf einen integrierten Ansatz zur Stickstoffminderung; dazu werden alle Verursacherbereiche sektoren- und medienübergreifend in den Blick genommen. Die Emissionen an reaktivem Stickstoff sollen verringert werden, denn ein Übermaß an reaktivem Stickstoff schadet Menschen, Umwelt und Wirtschaft.
Jährlich 1,6 Millionen Tonnen reaktiver Stickstoffverbindungen in die Luft geblasen
In den vergangenen 20 Jahren wurden erste Maßnahmen zur Stickstoffminderung vorgenommen. Die Emissionen sanken infolge dessen in Deutschland im Zeitraum zwischen 1995 und 2010 um etwa 40%. Allerdings reicht das nicht aus, um die stickstoffbezogenen Ziele der deutschen und europäischen Umweltpolitik zu erreichen. Zu diesen zählen der Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat/l in den Gewässern oder der Jahresmittel-Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid/m³ in der Luft.
Derzeit werden jährlich noch ca. 1,6 Millionen Tonnen reaktiver Stickstoffverbindungen in die Umwelt eingetragen. Die Hauptverursacher-Bereiche für Stickstoff-Emissionen sind der Verkehr (13%), die Industrie-/Energiewirtschaft (15%), Abwasserbehandlung und Oberflächenablauf (9%) sowie die Landwirtschaft (63%).
Der Stickstoff-Bericht steht zum Download bereit unter: www.bmub.bund.de/N54185
VKU: Mit Stoffstrombilanzverordnung anfangen
Die Bundesregierung stelle richtigerweise fest, so der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) in einer Medienmitteilung, „dass bei erhöhten Nitratwerten im Grundwasser eine weitere Aufbereitung zur Trinkwasserversorgung notwendig ist. Diese müsste dann am Ende der Wasserversorger und damit der Bürger bezahlen“. Der VKU begrüßt zwar den Plan der Bundesregierung, durch einen integrierten und umfassenden Ansatz die Stickstoffeinträge in die Umwelt zu reduzieren. Er könnte jedoch mit der derzeit diskutierten Stoffstrombilanzverordnung gleich den Anfang machen. Die kommunale Wasserwirtschaft fordert, die bei dem Bilanzwert anrechenbaren Verluste zu streichen und damit die erforderlichen Anreize zu Steigerung der Stickstoffeffizienz zu setzen. Ansonsten wäre die angesprochene Düngeverordnung ein zahnloser Tiger.
Umweltrat fordert Konsequenzen aus dem nationalen Stickstoffbericht
Mit dem heute verabschiedeten Stickstoffbericht erkennt die Bundesregierung an, dass die viel zu hohen Stickstoffeinträge ein drängendes Umweltproblem sind. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) hält es in einer Pressemitteilung für notwendig, nun zügig ein Aktionsprogramm zu entwickeln, um vom Wissen zum Handeln zu kommen.
„Die Einträge von Stickstoff in die Umwelt beeinträchtigen die Luftqualität und die Trinkwassergewinnung. Sie haben hohe gesundheitliche Risiken und Folgekosten“, sagt Prof. Claudia Hornberg, Vorsitzende des SRU. Auch für die biologische Vielfalt ist das Überangebot des Nährstoffes Stickstoff problematisch. „Die Überdüngung verdrängt zahlreiche Pflanzen- und Tierarten“, erläutert Prof. Manfred Niekisch. „Dies ist nicht nur in Deutschland, sondern auch global ein sehr ernstes Problem.“
Der SRU begrüßt den Bericht „Stickstoffeintrag in die Biosphäre“, in dem die Bundesregierung ein gemeinsames Verständnis der Problemlage entwickelt hat. Diesem wichtigen Schritt müssten allerdings weitere folgen.
- Die Bundesregierung sollte nun zügig das im Bericht angekündigte Aktionsprogramm erarbeiten. Notwendig sei dabei die Zusammenarbeit verschiedener Ressorts, denn die Stickstoffeinträge stammen aus vielen verschiedenen Bereichen. Maßnahmen zur Minderung der Stickstoffeinträge würden seit Jahren diskutiert, aber nur halbherzig umgesetzt.
- Die Belastung der Luft mit Stickstoffoxiden in den Städten müsse gesenkt werden. Kurzfristig gelinge das durch eine Weiterentwicklung der Umweltzone, langfristig durch eine Verkehrswende. Neben der Stärkung des Umweltverbundes seien dabei auch stadtplanerische Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung notwendig. Ein beschleunigter Kohleausstieg könnte die Emissionen der Energiewirtschaft deutlich senken. Der Einsatz von Düngemitteln in der Landwirtschaft sei erst nach intensiven Verhandlungen stärker reguliert worden, müsste nun aber auch konsequent umgesetzt werden. Der SRU habe in seinem Sondergutachten „Stickstoff: Lösungsansätze für ein drängendes Umweltproblem“ zahlreiche Vorschläge unterbreitet.
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