VKU und BDEW befürchten Dreiklassen-Gesellschaft – Gesetzentwurf
Bewohner von Mietshäusern sollen künftig unmittelbar auf dem eigenen Hausdach erzeugten Strom nutzen können. Der dazu von der Bundesregierung vorgelegte „Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Mieterstrom und zur Änderung weiterer Vorschriften des Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ ist gleichlautend mit einem von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf, den der Bundestag bereits in erster Lesung beraten hat.
Maren Petersen vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) stufte den Gesetzentwurf als „eher negativ“ ein. Sie befürchtete das Entstehen einer „Drei-Klassen-Gesellschaft“: zwischen privilegierten Eigenheimbesitzern, Mietern, denen die Förderung zugute komme, und der „weit überwiegenden Mehrheit der Mieter, die nicht profitiert“. Sie müssten „mehr bezahlen als vorher“.
Katherina Reiche äußerte für den Verband kommunaler Unternehmen (VKU) ähnliche Kritik: „Die Förderung von Mieterstrom führt zwangsläufig dazu, dass Verbraucher, die an der Förderung nicht teilhaben, höhere Kosten tragen“. Mithin: „Das Umlagen- und Entgeltsystem sollte grundlegend überarbeitet werden, um in Zukunft eine faire Lastenverteilung sicherzustellen.“ Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände warnte vor Mehrkosten vor allem für die Kommunen und begrüßte deshalb ausdrücklich die im Entwurf angestrebte Ausbaugrenze von 500 MW jährlich.
Eine finanzielle Entlastung solch benachteiligter Verbraucher forderte Thomas Engelke (Verbraucherzentrale Bundesverband – vzbv). Er machte sich zudem stark für eine „Nachbarschaftslösung“ – „anstelle der räumlichen Begrenzung von Mieterstrom auf das einzelne Gebäude“. Er begrüßte, dass die Mieter laut Gesetzentwurf den Stromanbieter weiter frei wählen dürfen und der Stromvertrag nicht an den Mietvertrag gekoppelt werden soll. Andreas Horn (Sonnenkraft Freising) nannte das Ziel des Vorhabens „richtig und wichtig“. Mieter an der Energiewende teilhaben zu lassen, fördere die Akzeptanz und sei „ein Akt der Gerechtigkeit“. Doch werde das vorgeschlagene Gesetz „genau diese Ziele verfehlen“. Denn: „Neben einem zu geringen und kurzfristigen Förderanreiz behindern bislang Rechtsunsicherheiten und neue, aufwändige und teure Pflichten als Gesetzesfolgen die praktische Umsetzung von Mieterstromprojekten im gewünschten Umfang.“
Nach Ansicht von Lukas Siebenkotten (Deutscher Mieterbund) muss der Gesetzentwurf „spürbar nachgebessert“ werden. Hauptkritikpunkt: „Eigenstrom wird auch künftig besser gefördert als Mieterstrom.“ Freilich sprach er auch von einem „insgesamt guten Vorhaben“: „Machen Sie es.“ In der nächsten Legislaturperiode könne ja nachgearbeitet werden. Michael Geißler von der Berliner Energieagentur (BEA) sah es so: Bei allen „positiven Ansätzen“ sei im Gesetzentwurf „eine Reihe von Bedingungen verankert, die die Inanspruchnahme vom Förderung bei der Umsetzung von Mieterstromprojekten unnötig verkomplizieren und dadurch weiterhin wirtschaftlich erschweren“. So kritisierte er, dass nur einzelne Gebäude versorgt werden können, nicht aber Gebäudeensembles, auch wenn die einem gemeinsamen Eigentümer oder Vermieter zuzuordnen seien.
Hartmut Gaßner vom Anwaltsbüro GGSC sprach von einer „Energiewende in homöopathischen Dosen“. Er bemängelte, mit dem Gesetzentwurf werde nicht die Gleichstellung des solaren Mieterstroms mit solarem Eigenverbrauch umgesetzt, wie des im EEG gefordert werde. Gaßner plädierte ausdrücklich für einen anderen Ansatz: „Mit der grundsätzlichen Gleichstellung von Eigenverbrauch und Mieterstrom könnten die Ziele des Mieterstromgesetzes viel einfacher umgesetzt werden.“
Marc Elxnat (Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände) befand: „Jede Förderung impliziert, dass die Kosten dafür von der Allgemeinheit und insbesondere denjenigen getragen werden müssen, die nicht direkt profitieren.“ Für manche Verbraucher könne also „die Förderung höhere Preise bedeuten“ – und zwar zu einer „merklichen Belastung im Einzelfall“, auch wenn die Mehrbelastungen im deutschlandweiten Vergleich „sehr moderat“ ausfielen. Für die Gemeinden werde es zu leichten Einbußen bei den Konzessionseinnahmen kommen. Deshalb werde die angestrebte Ausbaubegrenzung von 500 Megawatt pro Jahr „ausdrücklich begrüßt“.
Laut Gesetzentwurf sollen Vermieter einen Zuschuss bekommen, wenn sie Solarstrom ohne Nutzung des Netzes direkt an Letztverbraucher in dem betroffenen Wohngebäude liefern und die Mieter diesen Strom verbrauchen. Die Höhe des Zuschlags soll dem Bundeswirtschaftsministerium zufolge von der Größe der Solaranlage und dem PV-Zubau insgesamt abhängen und voraussichtlich zwischen 3,8 Cent und 2,75 Cent pro Kilowattstunde liegen. Überschüssiger Strom fließt ins Netz und wird vergütet. Einer vom Ministerium beauftragten Studie zufolge könnten bis zu 3,8 Millionen Wohnungen bundesweit von der Novelle profitieren. (hib 385/2017)