Berliner Forscher analysierten Atomstruktur von amorphem Siliziumdioxid
Glas macht Dinge sichtbar, nur wie es in seinem Inneren aussieht, hat es bislang gut verborgen – zumindest, wenn es um die genaue Position der Atome geht. Wissenschaftler des Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin haben jetzt erstmals das Netz aus Silizium- und Sauerstoffatomen – den Hauptbestandteilen von Glas – in einer Siliziumdioxidschicht abgebildet. Zu diesem Zweck analysierten sie die nur zwei Atomlagen dünne Glasschicht mit zwei Methoden, die einzelne Atome in Oberflächen darstellen. Mit ihrem Blick auf die atomare Struktur bestätigten die Forscher, dass Gläser so aufgebaut sind, wie es der norwegisch-amerikanische Physiker William H. Zachariasen bereits 1932 vorhergesagt hatte. Außerdem beobachteten die Forscher in weiteren Studien den Übergang von einer kristallinen in eine ungeordnete – Fachleute sagen: amorphe – zweidimensionale Struktur. Ihre Erkenntnisse könnten etwa der Halbleiterindustrie helfen, amorphes Siliziumdioxid kontrollierter herzustellen, sie dürften aber auch die Suche nach neuen, leistungsfähigen Katalysatoren erleichtern.
Eine Unbekannte weniger für Halbleiterindustrie
Die Halbleiterindustrie behält gerne die volle Kontrolle über ihre Produktion, und sie kann jetzt mit einer Unbekannten weniger arbeiten. Denn mit ihren Studien an Glas haben die Forscher um Markus Heyde und Hans-Joachim Freund am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft nun Einblicke in den atomaren Aufbau eines wichtigen Werkstoffs der Chipindustrie gewonnen: Amorphes Siliziumdioxid wird dort als Isolator in jedem Transistor verarbeitet. „Bislang wusste man nicht genau, was dabei passiert“, sagt Markus Heyde. „Es ist generell erstaunlich, wie wenig wir über Glas wissen, das in der Natur, in unserem Alltag und für viele technische Anwendungen so wichtig ist.“ So könnte es nicht zuletzt der Halbleiterindustrie helfen, die Verarbeitung von amorphem Siliziumdioxid zu verbessern, wenn jetzt die genaue Struktur dieses Materials bekannt wird.
Aber auch bei der Suche nach neuen, leistungsfähigen Katalysatoren, die den Energieaufwand für eine chemische Reaktion senken, diese in eine gewünschte Richtung lenken oder gar erst ermöglichen könnten sich die Erkenntnisse als hilfreich erweisen. Ungeordnetes Siliziumdioxid dient nämlich oft als Träger des eigentlichen Katalysators und beeinflusst dessen Eigenschaften. Ein guter Grund, mehr über das Trägermaterial herauszufinden. Und das haben die Berliner Forscher getan.