Bilanz: 53,2 Millionen Euro Spenden für Kampf gegen Armut, Hunger und Menschenrechtsverletzungen. Kritik an Afrika- und Klimapolitik.
Das weltgrößte katholische Entwicklungshilfswerk Misereor fordert die Bundesregierung auf, sich effizienter für Afrika und den Klimaschutz zu engagieren. Darüber hinaus warnen kirchliche Entwicklungsexperten davor, Entwicklungszusammenarbeit zur Abwehr von Flüchtlingen zu instrumentalisieren.
Der Einsatz für Afrika müsse „stärker auf Augenhöhe“ mit den Ländern und Zivilgesellschaften erfolgen, sagte Misereor-Chef Pirmin Spiegel am 27.07.2017 in Köln. Man dürfe nicht nur bereits fertige Konzepte vorlegen. Zwar sei es löblich, dass Deutschland Afrika mit verschiedenen Initiativen wie „Marshall-Plan“, „Compact with Africa“ und „Pro Afrika“ unterstützen wolle. Man müsse aber fragen, warum die Bundesregierung „mit drei Afrika-Programmen aus verschiedenen Ministerien aufwartet, es also an einer kohärenten Politik mangelt“.
Beim G20-Gipfel kaum die Rede von Ausstieg aus fossilen Energieträgern
Mit Blick auf die Ergebnisse des G20-Gipfels in Hamburg sagte Spiegel: „Motivierend wäre es gewesen, wenn von weiteren Schritten eines Ausstiegs aus fossilen Energieträgern gesprochen worden wäre – als Signal dafür, dass die Bedrohung des Klimawandels eine positive Wende herbeiführen wird im Hinblick auf unsere gegenwärtige Lebensweise. Davon war in Hamburg aber sehr wenig die Rede.“ Auch Deutschland habe beim konsequenten Umsteuern seiner Klimapolitik Nachholbedarf, um die globale Erwärmung auf unter zwei Grad begrenzen zu können.
[note Das Werk für Entwicklungszusammenarbeit MISEREOR hat 2016 einer Medienmitteilung zufolge insgesamt 202 Millionen Euro für seine weltweite Projekt- und Lobby-Arbeit einsetzen können. Dabei seien die öffentlichen Mittel aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit weiter gestiegen. An Spenden und Kollekten habe MISEREOR im vergangenen Jahr 53,2 Millionen Euro eingenommen.]
Fokus auf Ostafrika und Dürrekatastrophe
Schwerpunkte der Projekt-Arbeit von MISEREOR seien auch im vergangenen Jahr die Bewältigung der Flüchtlingssituation in Syrien und seinen Nachbarländern sowie weltweit die Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und die Stärkung der Zivilgesellschaft gewesen. Dabei richtete sich der Fokus besonders auf die etwa 23 Millionen Menschen, die im Osten Afrikas unter einer Dürrekatastrophe leiden. Derzeit fördert MISEREOR in Afrika und im Nahen Osten, in Asien und Ozeanien sowie Lateinamerika rund 3.000 Projekte von knapp 1.900 Partnerorganisationen – vor allem in den Bereichen Ernährung und ländliche Entwicklung, Gesundheit und Bildung. Auch die Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen sowie die Förderung von Demokratie- und Friedensprozessen nehmen breiten Raum bei den Aktivitäten des Werks ein.
„Entwicklungszusammenarbeit nicht instrumentalisieren“ – mehr verbindliche Rechte für Klimaflüchtlinge
Spiegel teilt die Sorge von Entwicklungsminister Gerd Müller, dass der Klimawandel immer mehr Menschen zur Migration zwingen könnte. „Mit dieser Sorge hängt zusammen, dass Menschen, die aufgrund von Umweltveränderungen ihre Heimat verlassen müssen, auch in Deutschland kaum Schutz erwarten können. Einen verbrieften Anspruch auf einen legalen Aufenthaltstitel gibt es für sie nicht. Wir brauchen mehr verbindliche Rechte für Klimaflüchtlinge. Offenkundig hat die Politik diese Problematik bisher weitestgehend verdrängt.“
In diesem Zusammenhang warnte der MISEREOR-Hauptgeschäftsführer davor, Entwicklungszusammenarbeit zur Abwehr von Flüchtlingen zu instrumentalisieren. „Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Wir brauchen Zukunftsperspektiven für die arm Gemachten dieser Erde, zugleich aber auch legale Wege nach Europa“, so Spiegel.
Mangel an kohärenter Politik
Der MISEREOR-Chef begrüßte die Initiativen der Bundesregierung zur verstärkten Unterstützung Afrikas. „Es ist aber fraglich, warum die Bundesregierung aktuell mit drei Afrika-Programmen aus verschiedenen Ministerien aufwartet, es also an einer kohärenten Politik mangelt.“ Ferner kritisiert er, dass solche Prozesse nicht auf Augenhöhe stattfänden. „Zukunftsperspektiven müssen mit den Menschen dieses Kontinents erarbeitet werden; es reicht nicht, ihnen bereits fertiggestellte Konzepte vorzulegen.“ Zudem setzten die Initiativen in ihrer Tendenz vor allem auf Wirtschaftsförderung. „Aus entwicklungspolitischer Perspektive hat sich die Annahme, dass Privatinvestitionen automatisch zu Armutsbekämpfung führen, nur in den seltensten Fällen bewahrheitet. Oft ist eher das Gegenteil der Fall, weil gerade große Investitionen häufig mit Risiken für Mensch und Umwelt verbunden sind“, kritisiert Spiegel.
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