Mehr als 3.000 Großfeuerungsanlagen in EU müssen bis 2021 strengere Grenzwerte einhalten
Von: Sam Morgan | EURACTIV.com | translated by Ama Lorenz
Nach den am 31.07.2017 vereinbarten EU-Regeln, müssen Kraftwerke ihre Schadstoff-Emmissionen reduzieren. Geschätzte Kosten für die notwendige Umstellungen – über 15 Milliarden Euro. Umweltverbände sehen als nächsten logischen Schritt, die weitreichende Schließung der grössten Umweltsünder – die Kohlekraftwerke, wie Sam Morgan am 02.08.2017 in EURACTIV schreibt.
„Künftig müssen Europas Kraftwerke strengere Grenzwerte bei Schadstoffen wie Stickstoffoxid, Quecksilber und Rußpartikel einhalten. Das sieht die neue, sogenannte BREF-Richtlinie vor, die im April 2017 von den Mitgliedsstaaten genehmigt und am 31.07.2017 vom Kollegium der Kommissionsmitglieder formell vereinbart wurde.
Über 3.000 Großfeuerungsanlagen in der EU müssen die neuen Regeln bis 2021 einhalten, nach denen Kraftwerke dann höchstens 175 Milligramm Stickoxid pro Kubikmeter ausstoßen dürfen. Derzeitige Schätzungen gehen davon aus, dass 82 Prozent der europäischen Kohleindustrie die neuen EU-Grenzwerte bis dato nicht einhalten können.
Das könnte den Sektor teuer zu stehen kommen. Laut einer aktuellen, von der European Climate Foundation (ECF) in Auftrag gegebenen Studie könnten diese massiven Ausgaben und die unsichere Situation der Kohle als Energiequelle dazu führen, dass jenen Kohlekraftwerken, welche die Umwelt am meisten belasten, nichts anderes übrig bleiben wird, als zu schließen.
Christian Schaible, Policy Manager beim Europäischen Umweltbüro (EEB) und Mitglied der Arbeitsgruppe, die bei der Ausarbeitung der überarbeiteten Standards geholfen hat, erklärte, dass „nicht alle Kraftwerke den Willen, die Finanzierung oder gar den Zugang zur technischen Ausrüstung haben, die zur Verringerung von Schadstoffemmissionen erforderlich ist. Investitionen in Anlagen, die jetzt schon Unterstützung brauchen, um die Zusagen zum Klimaschutz zu erfüllen, machen einfach keinen Sinn.“
Für Kraftwerke, die sich zur Stilllegung verpflichten, könnte sich Schaible „unter strengen Auflagen und im Austausch für einen reduzierten Betrieb, kurzfristige Ausnahmeregeln“ vorstellen.
Tatsächlich werden die Behörden der EU-Mitgliedstaaten wohl Ausnahmen für den Fall zulassen, wenn die Kosten im Vergleich zu den Vorteilen des Umweltschutzes unverhältnismäßig wären, solange die Sicherheitsstandards noch eingehalten werden.
Dave Jones, von der britischen Non-Profit-Organisation Sandbag’s Energy Analyst, äußerte seine Hoffnung, dass „die Regierungen motiviert sind, die Verschmutzung ernsthaft anzugehen, was bedeutet, dass sie über die Mindestanforderungen hinausgehen“. Das müsse so bald wie möglich getan werden, anstatt auf die Frist für 2021 zu warten.
Eine andere Studie enthüllte bereits die massiven Gesundheitskosten, die den G20-Ländern durch schlechte Luftqualität entstehen. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass in Zukunft Milliarden von Subventionen für fossile Brennstoffe, Trillionen Ausgaben für Maßnahmen im Gesundheitsbereich bedeuten werden.
Luftverschmutzung kann eine Vielzahl von Krankheiten verursachen, einschließlich Lungenkrankheit und Atemwegsinfektionen. Umweltverbände gehen davon aus, dass die neuen Regeln bis zu 20.000 Leben pro Jahr retten könnten.
Im Februar 2017 warnte die Europäische Kommission, dass in 23 der 28 Mitgliedsstaaten und in mehr als 130 Städten gegen die EU-Gesetze zur Luftqualität verstoßen wird. Sprecher Enrico Brivio, Pressesprecher der EU-Kommission, warnte im April, dass „die Luftverschmutzung eine der häufigsten Umweltursachen für den vorzeitigen Tod in der EU“ ist.
Dennoch werden die neuen Regeln nicht von allen EU-Staaten begrüsst. Kohleabhängige Länder wie Polen, Bulgarien, Deutschland und die Tschechische Republik stimmten im Industrieausschuss gegen die neuen Grenzwerte.
Berlin erntete damals heftige Kritik für den Beitritt zu einem so genannten „toxischen Block“ der osteuropäischen Länder. Und das, trotz seiner viel gepriesenen Energiewende und der Verpflichtung zur Entkarbonisierung und zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens. Das Bundesumweltministerium hatte gegen die neuen Grenzwerte argumentiert, weil es sie für „technisch nicht durchführbar“ hielt.
Die Normen zur Luftqualität haben sich in den letzten zwei Jahren als harte Schule für die Mitgliedsstaaten erwiesen. Die Kommission hat gegen zwölf Mitgliedsstaaten Klage erhoben, weil diese keine Stickstoffdioxid-Grenzwerte eingeführt haben.
Nun hat die Kommission angekündigt, dass sie die Genehmigungen von Verfeuerungsanlagen nach einem Durchführungsrechtsakt auf der Grundlage des mit dem von der OSPAR-Kommission verabschiedeten Konzeptes der „Besten Verfügbaren Techniken“ (BVT) prüfen wird. Diese Überprüfung der Genehmigungen muss nun in den nächsten vier Jahren, vor Ablauf der Frist von 2021 erfolgen.
[note Hintergrund
Die EU-Emissionsrichtlinie trat im Jahr 2011 in Kraft, doch ihre EU-weiten Emissionsgrenzwerte für Großfeuerungsanlagen wurden als zu schwach kritisiert und erlaubten zu vielen Kohlekraftwerken, die Standards zu überschreiten. Großfeuerungsanlagen tragen fast 50% zu den Schwefeldioxidemissionen bei und machen auch einen großen Teil der anderen Schadstoffe aus.]
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