Clean Energy: Ihr seid doch nicht ganz sauber!
Kommentar von Matthias Hüttmann, DGS – 04.08.2017
Für manchen ist es nur eine Frage der Sprachregelung in der Öffentlichkeitsarbeit, neudeutsch „Wording“ genannt, für andere haben Begriffe wie ‚Clean Coal‘ oder ‚Clean Diesel‘ aber eine Funktion. Sie sollen uns glauben machen, dass die Prämisse „Augen zu und durch“ noch immer als Leitlinie unserer Lebensweise funktioniert und wir guten Gewissens weiter destruktiv in der Welt herumtollen dürfen. Aber wer genauer liest und hört, kann vermehrt Wortschöpfungen entdecken die für einen Betrug stehen, der große Teile unserer Gesellschaften erfasst hat. Der Betrug hat dabei zwei Komponenten: den aktiven Schwindel und den passiven Selbstbetrug. Das Schema der Gehirnwäsche ist meist ähnlich: Dreckige Technologien, die das Klima und somit alle Spezies und Ressourcen wie auch Biosphären etc. negativ tangieren, werden verharmlost und als notwendig tituliert. Der Trick: Anstatt etwas grundsätzlich zu ändern oder Veränderungen anzustoßen, wird es sprachlich reingewaschen. Dabei geht es jedoch nicht um einen zeitweiligen Akt, vielmehr ist die Basis unseres Wirtschaftens damit verknüpft. Zunächst drei Beispiele.
Beispiel 1: Clean Coal
Unter einer sogenannten sauberen Kohletechnologie wird ein Sammelsurium von Technologien verkauft, mit denen die Umweltauswirkungen der Kohleverstromung verringert und gar der weltweite Klimawandel gemildert werden soll. Das ist natürlich sinnvoll und notwendig, aber an sich nichts Neues. Denn die bei der Verbrennung von Kohle freiwerdenden gasförmigen Emissionen wie Schwefeldioxid (SO2), Stickoxide (NOx) oder Quecksilber¹ sind gleichermaßen umwelttoxisch wie außerordentlich gesundheitsschädlich. Seitdem das Waldsterben bzw. die „neuartigen Waldschäden“ in den 1980’ern offenkundig wurden, ist eine der Hauptursachen, der saure Regen als Auswirkung der Luftverschmutzung durch säurebildende Abgase, welche vor allem aus Kohlekraftwerken kamen, identifiziert. Spätestens seitdem ist es eine Selbstverständlichkeit schädliche Verbrennungsrückstände, sprich Partikel, die eine sichtbare Luftverschmutzung und schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit verursachen, nicht einfach über hohe Schornsteine zu entsorgen.
Das Entscheidende ist jedoch, dass Kohle durch Abgasnachbehandlungen und anderes nicht sauber wird, sondern lediglich sauberer. Auch wenn alle Schadpartikel gefiltert werden würden, gibt es keine Clean Coal, sondern lediglich eine etwas „Cleaner coal“. Und diese ist vom Grundsatz her immer hochgradig klimaschädlich. Schließlich gibt es nach wie vor den CO2-Ausstoß. Beispielsweise verursacht die Erzeugung von 1 kWh Strom in einem Braunkohlekraftwerk gut 1 kg CO2. So verwundert es nicht, dass der vom Weltklimarat geforderte, zügige und grundlegende Umbau der weltweiten Energieversorgung auch den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Verstromung von Kohle umfasst. Diese Problematik betrifft im Übrigen alle auf fossilen Energiequellen basierende Kraftwerke: Der im Brennstoff gespeicherte Kohlenstoff wird in Form von Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre abgegeben. Die immer wieder mal in die Diskussion gebrachte Abscheidung und Speicherung des CO2 (CCS – Carbon Capture and Storage) in „kohlenstoffdioxidfreien“ Kraftwerken ist im Übrigen, da sowohl technisch, energetisch wie auch wirtschaftlich fragwürdig, momentan kein Thema.
Beispiel 2: Clean Diesel
Hier muss man gar nicht viel schreiben. Die Problematik kann aus aktuellem Anlass überall nachgelesen werden. Die Konzernlenker und ihre Marketing-Strategen hatten in ihrer technologiegläubigen Euphorie offensichtlich übersehen, dass reale Messungen ein anderes Bild zeichnen, als das durch die Sprachregelung eigentlich vorgesehene. Es ist schlichtweg gelogen, zu behaupten, dass die Kombination von Ultra-Low-Schwefel-Dieselkraftstoffen, fortschrittlichen Motoren und effektiver Emissionskontrolle zu nahezu null Emissionen führen. Denn wer Diesel verbrennt erzeugt immer Emissionen, siehe Clean coal. Um den Absatz von weiter vorne erneut aufzugreifen: Auch Diesel wird durch Technologie nicht sauber, sondern lediglich sauberer. Es gibt keinen Clean Diesel, sondern lediglich einen etwas „Cleaner Diesel“. Auch seine Verbrennung ist vom Grundsatz her immer hochgradig klimaschädlich. Schließlich gibt es auch hier nach wie vor den CO2-Ausstoß. Beispielsweise verursacht die Verbrennung von Diesel durchschnittlich 123g CO2/km. Mal ganz abgesehen davon, dass man prinzipiell meilenweit von einem emissionsfreien Fahrzeug entfernt ist.
Zur Abrundung: Die Geschichte um die Einführung von Katalysatoren (Stichwort Saurer Regen) ist jedem hinlänglich geläufig. Bekanntlich wehrte man sich heftig gegen die Einführung dieser Technologie, der Untergang einer ganzen Branche stand offiziell zur Disposition. Was weniger thematisiert wurde und wird: Durch die Abgasnachbehandlung werden erneut Emissionen und Schadstoffe wie Platinaerosole, Schwefeltrioxid, Schwefelwasserstoff, Cyanwasserstoff (Blausäure) und anderes freigesetzt. Zudem werden durch defekte Keramik-Katalysatoren krebserzeugende Fasermatten ausgeblasen. Diese gelangen in Form von Feinstaub in die Umwelt. Dieser Rohstoffverbrauch mit einhergehenden schädlichen Emissionen ist momentan jedoch gar nicht mal im Ansatz Thema der Debatte.