Erst 34.000 E-Autos
Der Diesel ist als Gesundheits- und Pflanzenschädling in Verruf geraten, der Benzinpreis steigt wieder an. Für eine Energieversorgung im Straßenverkehr aus regenerativen Quellen wie Biogas, Ökostrom oder grünem Wasserstoff wäre die Situation sehr günstig. Welche Rolle spielt da eine aktuelle Kampagne für konventionelles Flüssig-Autogas? „Autogas LPG – Gas brummt“, überschrieb Spiegel Online am 17.08.2017 einen immerhin 8.000 Zeichen langen Artikel über einen Trend, den der Deutsche Verband Flüssiggas ausgemacht haben will. Im Juli hatte dieser darauf hingewiesen, dass die Zahl der Neuzulassungen von Autos, die LPG tanken, im ersten Halbjahr 2017 um 38 Prozent gestiegen sei. Die Verbraucher würden wieder „vermehrt auf den emissionsarmen Alternativ-Treibstoff setzen“. Die Hinwendung zu LPG sei eine Reaktion auf das sich gerade verschlechternde Image des Diesels vor dem Hintergrund des Skandals um beschönigende Emissionsangaben der Autohersteller, lautet in etwa die Argumentation des Verbands.
Tatsächlich sind von Januar bis Juni genau 2.154 Autos neu auf den Betrieb mit LPG-Betankung zugelassen worden in Deutschland. Insgesamt fahren inzwischen etwa 450.000 hierzulande zugelassene Wagen mit dem Propan- oder Butan-Gas beziehungsweise mit Gemischen aus beiden Gasen. Raffinerien gewinnen das Flüssiggas als Nebenprodukt bei der Benzinherstellung, oder die Bergungskonzerne sammeln es in noch leicht größerem Volumen aus der Förderung von Erdgas und Rohöl.
Mit der Bezeichnung Liquefied Petroleum Gas (LPG) sollte es nicht zu verwechseln sein mit dem Liquefied Natural Gas (LNG), dem auf dreistellige Minusgrade herunter gefrorenen Erdgas. Zum besseren Transport wird LNG durch die Verflüssigung verdichtet. Denn LNG wird derzeit in gigantischen Mengen beim Fracking nicht zuletzt in den USA gewonnen. Zum Transport ohne Pipelines wird es unter hohem Energieeinsatz gekühlt und dann mit Tankern häufig zum Export nicht zuletzt nach Europa verschifft. LPG hingegen verflüssigt sich bereits bei Zimmertemperatur unter geringem Druck von acht bar.
Der große Vorteil des LPG beim Tanken als Alternative zu Diesel und Benzin: Tatsächlich ist das Propan- und Butangas im Autotank wesentlich umweltfreundlicher als die konventionellen Kraftstoffe und dabei – wohl eine der Haupttriebfedern für den LPG-Erfolg auf dem Markt – sogar noch deutlich billiger. So sinken die Emissionen von Stickoxiden im Vergleich zu Benzin um 20 Prozent und im Vergleich zum Diesel um 95 Prozent – der Deutsche Verband Flüssiggas behauptet sogar: um 99 Prozent. Außerdem sinkt der Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid um gut zehn Prozent. Gerade Dieselfahrzeughersteller haben das gute Image ihres Treibstoffs durch jahrelangen Betrug mit manipulierten Abgastests und zu niedrig angegebenen Stickoxid-Werten ruiniert, was die Öffentlichkeit seit rund zwei Jahren durch immer neue Enthüllungen erfährt.
Vor allem aber müssen die Kunden an der Tankstelle weniger für das LPG blechen als für Benzin und Diesel. So kostet der Liter Autogas nur rund 60 Cent im Vergleich zu einem aktuell mehr als doppelt so hohen Benzinpreis. Auch die Zahl der Tankstellen mit LPG-Zapfsäulen ist mit über 7.000 in Deutschland wohl ausreichend hoch, um die Versorgung zu garantieren. Und in manchen europäischen Ländern ist LPG sogar noch deutlich weiter verbreitet als in Deutschland.
Allerdings ist auch an diesem fossilen Treibstoff nicht alles perfekt: Die auf LPG umgerüsteten Motoren schlucken bis zu 20 Prozent mehr von der LPG-Flüssigkeit verglichen mit dem Benzinverbrauch. Das allein freilich würde den Vorteil des nur halb so hohen Preises bei weitem nicht aufbrauchen. Allerdings bieten nur wenige Autohersteller ihre Autos mit LPG-Tanks direkt vom Werk weg an. Nachrüstungen aber kosten 1.500 bis 3.000 Euro oder gar mehr. Bei Nachrüstungen mit diesen Preisen aber lohnt sich LPG finanziell wohl erst für Vielfahrer ab jährlich 30.000 Kilometern.