Von VW erwirkte einstweilige Verfügung in allen Punkten aufgehoben
Mehr als sieben Monate lang hatten die Wolfsburger Dieselsünder die Verbraucherschutzarbeit der DUH gerichtlich zu behindern versucht: Jetzt darf die deutsche Umwelthilfe (DUH) laut einer Medienmitteilung von „Rechtswidrigkeit der VW-Diesel-Pkw“ sprechen, wenn auch nach den Software-Updates bei Straßenmessungen stark erhöhte NOx-Realemissionen gemessen werden.
Das Landgericht Düsseldorf hatte Ende März ohne Anhörung der DUH eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der Volkswagen der DUH und deren Geschäftsführer Jürgen Resch unter Androhung von 250.000 Euro Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, untersagte, wertende Aussagen zur Rechtmäßigkeit der Aufarbeitung des Diesel-Abgasskandals bei Volkswagen zu wiederholen. Jetzt mahnte der Vorsitzende Richter: „Die Freiheit der Meinungsäußerung ist eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft und eine der wichtigsten Voraussetzungen für ihren Fortschritt.“
Keine falschen Tatsachenbehauptungen aufgestellt
Das „Aktenzeichen: I-16 U 87/17 – 12 Q 68/17“ sorgte nicht nur bei DUH-Geschäftsführer für erleichtertes Aufatmen („das stärkt uns den Rücken“), sondern bei der ganzen DUH – hatte nun doch bereits ein zweites Obergericht einen wegen seiner betrügerischen Machenschaften am Pranger stehenden (und eigentlich zu tätiger Reue verpflichteten) Automobilkonzern in die Schranken gewiesen: Die von der Volkswagen AG gegenüber der DUH und Resch am 29.03.2017 erwirkte einstweilige Verfügung wurde vollumfänglich in allen zehn Punkten aufgehoben. Das Oberlandesgericht urteilte, die DUH habe in ihrer Kritik an den von ihr gemessenen hohen Schadstoffemissionen eines VW-Golf Diesel keine falschen Tatsachenbehauptungen aufgestellt. Alle zehn angegriffenen Aussagen seien vielmehr zulässige Bewertungen.
Sehr ausführlich und grundsätzlich beschäftigte sich das Gericht in seiner 20-seitigen Urteilsbegründung mit der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit (Art. 5 GG), die Vorrang haben müsse vor den Wirtschaftsinteressen der Volkswagen AG. Somit darf die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation ihre Rechtsansichten zur weitgehenden Unwirksamkeit des Software-Updates bei einem VW-Golf Diesel und zur Rechtswidrigkeit der vom Kraftfahrt-Bundesamt genehmigten Rückrufanordnung wieder öffentlich äußern.
Resch: „Besonders dreister Versuch“
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch kommentiert die Entscheidung: „Über sieben Monate hinweg behinderte der Volkswagen-Konzern die Verbraucherschutzarbeit der DUH ganz massiv, da wir zentrale Bewertungen, die wir parallel in einer Klage gegen die Bundesregierung prüfen lassen, nicht tätigen durften. Für diesen Fall forderte Volkswagen sogar ersatzweise ‚sechs Monate Ordnungshaft, im Wiederholungsfalle bis zu insgesamt zwei Jahren‘. Wir freuen uns sehr, dass nach unserem Erfolg in der über ein Jahr dauernden Auseinandersetzung mit dem Daimler-Anwalt Schertz nun auch der zweite, besonders dreiste Versuch von VW, unsere Aufklärungsarbeit über die illegalen Abgasmanipulationen durch die Autokonzerne zu behindern, für die DUH entschieden ist. Das Oberlandesgericht stärkt uns und anderen Verbänden mit seiner Entscheidung für die Aufklärung von Umweltskandalen und die dafür notwendige Meinungsfreiheit den Rücken.“
Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in dem Rechtsstreit vertritt: „Wir sind erleichtert, dass die Freiheit des Wortes weiterhin auch dann Bestand hat, wenn große Aktiengesellschaften denken, dass man diese Worte in der Öffentlichkeit nicht sagen dürfe. Warum es allerdings erst einer obergerichtlichen Entscheidung bedurfte, um die mit unserer Verfassung offensichtlich unvereinbare einstweilige Verfügung des Landgerichts aufzuheben, bleibt unerklärlich.“
->Quellen: Kernsätze aus dem Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.10.2017