DIW aktuell von Karsten Neuhoff, Heiner von Lüpke und Carlotta Piantieri
Am 11.12.2017 jährte sich die Verabschiedung des Kyoto-Protokolls zum 20. Mal. Grund genug, zurückzublicken auf die Implementierung dieses ersten bedeutenden Klimaschutzabkommens und zu fragen, welche Erfahrungen gemacht und Lehren daraus gezogen wurden. Die wichtigste davon: Die internationale Formulierung von Emissionsminderungszielen reicht für eine effektive Klimapolitik nicht aus. Deswegen wurde im Nachfolgeabkommen von Paris (COP23) 2015 festgeschrieben, dass nun jeder Akteur und jedes Land Verantwortung für seine Treibhausgasemissionen übernehmen und geeignete Maßnahmen umsetzen muss. Internationale Zusammenarbeit kann das unterstützen, ist aber nicht mehr der Eckpfeiler des Klimaschutzes.
Mit der Öffnung des Eisernen Vorhangs 1990 wurde eine neue Ära der globalen Umweltpolitik und Zusammenarbeit eingeleitet. 1992 wurde bei der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro die Klimarahmenkonvention verabschiedet und das Vorsorgeprinzip im Klimaschutz etabliert: Auch wenn die Folgen des Klimawandels noch nicht mit absoluter wissenschaftlicher Sicherheit bekannt waren¹, sollten konkrete Klimaschutzmaßnahmen getroffen werden.
1997 wurde mit dem Kyoto-Protokoll dann die konkrete Umsetzung der Klimarahmenkonvention vereinbart. Das Protokoll trat 2005 in Kraft. Ausschlaggebend war die Ratifikation durch Russland: Damit wurden insgesamt 55 Prozent der globalen Kohlenstoffdioxid-Emissionen des Jahres 1990 erfasst. Die teilnehmenden Industrieländer verpflichteten sich im Kyoto Protokoll, ihre Treibhausgasemissionen innerhalb der ersten Verpflichtungsperiode (2008–2012) um durchschnittlich 5,2 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Die EU versprach eine Minderung von acht Prozent, das Ziel für Deutschland war 21 Prozent.
Das spiegelte sowohl die überdurchschnittlich hohen pro-Kopf-Emissionen Deutschlands also auch die Folgen der Wiedervereinigung: Mit dem wirtschaftlichen Einbruch in den neuen Bundesländern waren bereits viele Emissionen weggefallen. Für Entwicklungsländer wurden keine Emissionsziele vereinbart.
Das Kyoto Protokoll überlässt es Industrieländern, eigene Maßnahmen zur Senkung der Emissionen umzusetzen. Jedes Jahr müssen die Treibhausgasemissionen berichtet werden. Um ihre Ziele zu erreichen, können Länder Emissionsminderungen kaufen, entweder vom verbleibenden Emissionsbudget anderer Industrieländer, im Rahmen reglementierter, eigens dafür entwickelter Handelssysteme oder, indem sie Minderungsmaßnahmen in Entwicklungsländern vornehmen².
Wirkung des Kyoto-Protokolls: Antrieb für nationale Klimaschutzmaßnahmen und wichtige Erkenntnisse
Die EU hat ihre Treibhausgasemissionen zwischen 1990 und 2012 um 19 Prozent und Deutschland um 25,5 Prozent gesenkt. In Russland und Osteuropa sind die Emissionen gar um 39 Prozent gefallen, Hauptfaktor war hierbei der Einbruch der Wirtschaft.
Mit dem Kyoto Protokoll gelang es zum ersten Mal auf internationaler Ebene, verbindliche Abmachungen zu Zielhöhen für Emissionsreduktionen, Zeitpläne für die Implementierung sowie einer Berichts- und Überprüfungsarchitektur zu treffen. Diese Bestandteile wiederum legten wichtige Grundlagen für die Umsetzung von nationalen Klimaschutzmaßnahmen in Europa, Japan, Australien, Neuseeland, Russland, und der Ukraine.
Neben den nationalen Reduktionszielen und den international reglementierten Emissionshandelssystemen stellt der Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (Clean Development Mechanism, CDM³) ein wichtiges internationales Instrument für die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern dar. Zahlungsströme aus CDM Zertifikaten waren weltweit an der Finanzierung von 3100 Projekten mit einem Investitionsvolumen von geschätzten 178 Milliarden US-Dollar4 beteiligt, dank denen bis 2017 Emissionen von geschätzt 1,9 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent gegenüber klimaunfreundlichen Alternativen zertifiziert wurden.5 Ob CDMs alleine oder auch andere Entwicklungen zu diesen ganzen Projekten geführt haben, ist teilweise umstritten. Unstrittig ist, dass dieser Mechanismus zu wichtigen institutionellen Entwicklungen und der Förderung administrativer Kompetenz in den jeweiligen Ländern beitrug, zum Beispiel durch die Schaffung designierter Autoritäten, die die Aufsicht über die CDM-Umsetzung haben. CDMs erzeugten auch Aufmerksamkeit für den Klimaschutz bei den Regierungen und dem Privatsektor in den betroffenen Ländern und unterstützte die Entwicklung eigener, nationaler Klimaschutzpolitiken.
Abgesehen von den direkten klimatischen Effekten, sind die wichtigsten Ergebnisse der internationalen Zusammenarbeit im Rahmen des Kyoto-Protokolls die klimapolitischen Erkenntnisse und institutionellen und administrativen Lerneffekte, die sich im Laufe der Jahre bei allen Akteuren der Klimaszene durchgesetzt haben.
Folgt: 1) Reine Minderungsziele sind international schwer zu verhandeln