Schlampige Recherche führt zu Solar-Bashing
„Solarstrom ist überteuert und ineffizient“ betitelte die (eigentlich als seriös geltende) Frankfurter Allgemeine Zeitung einen Verriss der Solarenergie von Andreas Mihm: Der kommt aufgrund von Zahlen des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln (IW) zu dem Schluss, die EEG-Förderung von Photovoltaik sei „die teuerste Strategie zur Vermeidung von CO2„. Michael Fuhs weist dagegen dem FAZ-Schreiber in pv magazine grobe Irrtümer nach: Die FAZ liege „damit nicht nur falsch. Auch die zitierte Quelle gibt das nicht her“.
So behauptet der Berliner Wirtschaftskorrespondent der Zeitung mit dem klugen Kopf, neue Berechnungen hätten „der Photovoltaik ein miserables Umweltzeugnis“ ausgestellt. Die Sonnenenergie erweise sich „als besonders ineffizient“ – und, damit es offenbar wirklich überzeugend klingen soll, gleich „unter mehreren Gesichtspunkten“.
pv magazine-Autor Fuhs dachte sich zunächst, als er das las: „So weit alles wie gehabt, der Kampf geht weiter, könnte man denken“. Doch dann rief er die Kölner Wirtschaftsauguren an. Und siehe da, „inzwischen hat sich einiges geändert“ so Fuhs nach seinem Telefonat: Denn „das Institut hatte kein ‚Solar-Bashing‘ vor, wie der Geschäftsführer Hubertus Bardt gegenüber pv magazine sagte. Die Zahlen der IW-Kurzstudie, auf die sich der FAZ-Artikel bezieht, geben die Aussage auch gar nicht her.“
Mihm selbstlobt eine nicht existente Rechercheleistung so: „Nach der Rechnung des IW, die dieser Zeitung vorliegt…“ – sie mag der FAZ wohl vorliegen, steht aber im Internet – dass das Downloaden einer Untersuchung mit „die dieser Zeitung vorliegt“ umschrieben wird, erscheint zumindest als kreative Form des Journalismus. Nach den Internet-Infos, die der FAZ vorliegen, „kostet es 415 Euro, um durch EEG-geförderten Solarstrom die Emission einer Tonne CO2 zu verhindern. Bei Windanlagen an Land sind es 106 Euro, während im Emissionshandel lediglich sieben Euro gezahlt werden. Demnach kostet es sechzigmal mehr, die Emission einer Tonne Kohlendioxid durch EEG-geförderten Solarstrom zu verhindern als im Emissionshandel.“
Fuhs hält dagegen: „Die Werte für den Solarstrom beziehen sich aber auf die Vergangenheit, nicht auf die Gegenwart. Das IW hat die 2016 vermiedenen CO2-Emissionen mit der Vergütung verrechnet, die für die existierenden Photovoltaik-Anlagen gezahlt wurden. Da sind auch die Anlagen aus der Boomphase dabei, mit einer Vergütung zwischen 20 und 50 Cent pro Kilowattstunde. Selbst wenn man nur die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen der Vergangenheit diskutieren will, führt es in die Irre, diese Zahlen zu zitieren. So muss man auch berücksichtigen, wie sinnvoll die Förderung für die Technologieförderung und die Markteinführung war. Das sieht im übrigen auch IW-Chef Bardt so.“
Laut Mihm soll das EEG „nicht nur den Atomstrom ersetzen“ – wer jedoch im EEG nach diesem Ziel sucht, wird enttäuscht. Dieses Ziel des EEG hat Mihm exklusiv. Ebenso wie die Formulierung: „Zur Berechnung hat das IW die durchschnittlichen Förderkosten der Ökostromtechnologien über die Laufzeit von 20 Jahren berechnet und den laut Umweltbundesamt vermiedenen Ausstoß von 640 Gramm Kohlendioxid je eingespeister Kilowattstunde zugrunde gelegt.“ „Zur Berechnung“ hat das Kölner Institut etwas „berechnet“ – doch was? Die durchschnittlichen Förderkosten für die verschiedenen Öko-Stromarten? In Wirklichkeit steht im IW-Text: „Die absolute Höhe der spezifischen Vermeidungskosten wird hier gemessen an den durchschnittlichen Emissionen je Kilowattstunde des Jahres 2001, also zum Zeitpunkt der Einführung des EEG. Damit werden 640 Gramm je Kilowattstunde Strom (Umweltbundesamt, 2016) als Einsparung durch die Produktion von Strom aus erneuerbaren Quellen angenommen.“ Ach so.
Doch Fuhs: „In die Zukunft blickt die FAZ überhaupt nicht. Um die Lenkungswirkung heutiger Maßnahmen zu diskutieren, muss man heutige Vermeidungskosten betrachten, zusätzlich zu anderen langfristigen Zielen.“
Weiter setzt Mihm die als CO2-Vermeidungskosten uminterpretierte EEG-Förderung („oftmals Hunderte Euro je Tonne“) gleich mit den Kosten eines Emissionszertifikats über eine Tonn, das koste an der Börse nur sieben Euro. Die EEG-Umlage und Grünstromförderung sollte aber die Entwicklung der Photovoltaik vorantreiben, was rundum geschehen ist, bis hin zur radikalen Verbilligung der Module und des Solarstroms. „Selbst wenn eine Verknappung der Zertifikate den Preis auf 20 Euro verdreifachen sollte, wäre die Nutzung der Maßnahmen innerhalb des Emissionshandels noch deutlich günstiger als die bisherigen Maßnahmen.“ Das IW formuliert das aber nicht als Argument gegen die Photovoltaik, sondern um auf „deutliches Effizienzpotenzial“ hinzuweisen, das „sich in den unterschiedlichen Vermeidungskosten zeigt“.
Laut Fuhs sieht auch Bardt, dass die Herausforderung der Photovoltaik heute nicht mehr primär in den Kosten bestehe, „sondern in der Netzintegration. In der Vergangenheit war für ihn Photovoltaik mit hohen Kosten assoziiert, die in der EEG-Umlage noch ‚mitgeschleppt‘ werden. Heute sieht er die Herausforderung vor allem in der Frage, wie der Strom dann zur Verfügung gestellt werden kann, wenn er gebraucht wird“. Das zeigten mehrere Studien auf, „etwa die des Fraunhofer ISE (siehe hier) und von der Technischen Universität Lappeenranta (siehe hier und hier)“. Und Fuhs zeigt sich überzeugt, dass das geht, „einfach ist es nicht“, langfristig sei es aber „aber auch nicht teurer als das heutige Energiesystem, vielleicht sogar viel billiger“. Wenn man an diese Ergebnisse nicht glaube, müsse man sich mit diesen Arbeiten auseinandersetzen, „nicht mit einer Rechnung mit Daten aus der Vergangenheit.“
Fuhs zieht ein eindeutiges Fazit: „So kompliziert die Zusammenhänge sind, auf Basis der vorliegenden Daten wie die FAZ zu titeln, Solarstrom sei zu teuer und ineffizient, ist schlicht falsch. Zu fragen ist, wie es immer wieder geschehen kann, dass die Aussagen des Instituts bei einigen Rezipienten, die gegenüber der Photovoltaik negativ eingestellt sind, in einen falschen Zusammenhang gerückt werden. Denn das gab es auch schon früher.“ Solarify fragt sich: Vielleicht ist Herr Mihm ja ein bisschen von früher.
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