„Maschinelles Lernen im Quantenlabor“
Unter dieser Überschrift präsentierten Physiker der Universitäten Innsbruck und Wien am 17.01.2018 auf dem Weg zum intelligenten Labor ein lernfähiges Programm, das eigenständig Quantenexperimente entwirft. In ersten Versuchen hat das System Medienmitteilungen zufolge „selbständig experimentelle Techniken (wieder)entdeckt, die heute in modernen Quantenlabors Standard sind. Dies zeigt, dass Maschinen in Zukunft auch eine kreativ unterstützende Rolle in der Forschung einnehmen könnten“.
In unseren Taschen stecken Smartphones, auf den Straßen fahren intelligente Autos – Experimente im Forschungslabor aber werden immer noch ausschließlich von Menschen erdacht. Das könnte sich bald ändern. Innsbrucker Quantenphysiker um Hans Briegel beschäftigen sich unter anderem mit der grundsätzlichen Frage, inwieweit Maschinen selbstständig experimentieren können. Dazu nutzen die Physiker ein von der Gruppe entwickeltes Modell für künstliche Intelligenz, das einer Maschine einfache Formen kreativen Verhaltens ermöglichen soll. Das Gedächtnis dieser autonomen Maschine speichert viele einzelne Erfahrungsfragmente, die netzwerkartig miteinander verbunden sind. Ist die Maschine mit einem bestimmten Ereignis konfrontiert, werden in einer Zufallsbewegung damit zusammenhängende Erinnerungen abgerufen. Sowohl aus Erfolg als auch aus Misserfolg lernt die Maschine und passt ihr Netzwerk entsprechend an. Gleichzeitig kann sie selbst neue Szenarien erzeugen und diese ausprobieren.
Nun haben sich die Innsbrucker Physiker mit Wienern Kollegen um Anton Zeilinger zusammengetan. Die hatten zuvor schon die Nützlichkeit von automatisiertem Design von Quantenexperimenten mithilfe des Algorithmus Melvin zeigen können, wobei einige dieser computer-inspirierten Experimente auch schon in den Labors von Zeilinger umgesetzt wurden. Durch die Anwendung des Lernmodells der Projektiven Simulation dem,onstrierten die Wissenschaftler nun gemeinsam, dass diese Umgebung ideal dafür geeignet ist, das Potenzial maschinellen Lernens in Quantenexperimenten zu untersuchen. In einer in den amerikanischen Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichten Arbeit („Active learning machine learns to create new quantum experiments“) präsentieren die Forscher erste Ergebnisse.
[note Abstrakt aus PNAS: „Quantenexperimente sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu unserem Verständnis grundlegender Konzepte der Quantenphysik. Moderne Experimente haben die Grundbegriffe der Quantentheorie erschöpfend erforscht. Weitere Durchbrüche erfordern die Auseinandersetzung mit komplexen Quantenphänomenen und damit komplexe Experimente und Techniken. Die Gestaltung solch komplexer Experimente ist schwierig und kollidiert oft mit der menschlichen Intuition. Wir präsentieren ein autonomes Lernmodell, das lernt, solche komplexen Experimente zu entwerfen, ohne sich auf Vorkenntnisse oder oft fehlerhafte Intuition zu verlassen. Unser System lernt nicht nur, gewünschte Experimente effizienter zu gestalten als die besten bisherigen Ansätze, sondern entdeckt dabei auch nicht-triviale experimentelle Techniken. Unsere Arbeit zeigt, dass Lernmaschinen dramatische Fortschritte bei der Experimentierfreudigkeit bieten können.
Wie nützlich kann maschinelles Lernen in einem Quantenlabor sein? Hier stellen wir die Frage nach dem Potenzial intelligenter Maschinen im Kontext wissenschaftlicher Forschung. Eine wesentliche Motivation für die vorliegende Arbeit ist die unbekannte Erreichbarkeit verschiedener Verschränkungsklassen in Quantenexperimenten. Dieser Frage gehen wir mit Hilfe des projektiven Simulationsmodells nach, einem physikalisch orientierten Ansatz zur künstlichen Intelligenz. In unserem Ansatz ist das projektive Simulationssystem gefordert, komplexe photonische Quantenexperimente zu entwerfen, die hochdimensionale verschränkte Multiphotonenzustände erzeugen, die für moderne Quantenexperimente von großem Interesse sind. Das System der künstlichen Intelligenz lernt, eine Vielzahl von verschränkten Zuständen zu erzeugen und verbessert die Effizienz ihrer Realisierung. Dabei entdeckt das System autonom (wieder) experimentelle Techniken, die erst jetzt zum Standard moderner quantenoptischer Experimente werden – ein Merkmal, das nicht explizit vom System gefordert wurde, sondern durch den Lernprozess entstanden ist. Solche Merkmale verdeutlichen die Möglichkeit, dass Maschinen eine wesentlich kreativere Rolle in der zukünftigen Forschung spielen könnten.]