Trillionstelsekunden-Zeitlupe

Beobachtung und Kontrolle ultraschneller Prozesse mit Attosekunden-Auflösung

Viele chemische Prozesse sind so schnell, dass nur ihr ungefährer Ablauf bekannt ist. Zur Aufklärung dieser Prozesse hat nun ein Team der Technischen Universität München (TUM) eine Methode mit einer Auflösung von Trillionstel-Sekunden entwickelt. Die neue Technik soll helfen, Prozesse wie die Photosynthese besser zu verstehen oder schnellere Computerchips zu entwickeln. Eine Medienmitteilung vom 22.02.2018.

Ein wichtiger Teilschritt vieler chemischer Prozesse sind Ionisierungen. Ein typisches Beispiel dafür ist die Photosynthese. Diese Reaktionen dauern nur wenige Femto- (Billiardstel-Sekunden – 10-15) oder sogar nur einige hundert Attosekunden (Trillionstel-Sekunden – 10-18). Weil sie so extrem schnell ablaufen, sind zwar Anfangs- und Endprodukte der Reaktionen bekannt, nicht jedoch die Reaktionswege und Zwischenprodukte. Um solche ultraschnellen Prozesse verfolgen zu können, braucht die Wissenschaft daher eine Messtechnik, die noch schneller ist als der beobachtete Prozess selbst. Dies ist mit der sogenannten „Pump-Probe Spektroskopie“ möglich. Dabei wird die Probe von einem ersten Laserpuls angeregt und die Reaktion in Gang gesetzt. Ein zweiter, zeitversetzter Puls fragt dann den momentanen Zustand des Prozesses ab. Durch Wiederholungen der Reaktion mit unterschiedlichen Zeitverzögerungen ergeben sich viele einzelne Momentaufnahmen, die dann zu einem „Video“ zusammengesetzt werden können.

Mehr sehen mit dem Zweiten

Nun ist es Wissenschaftlern um Birgitta Bernhardt, ehemals Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Laser- und Röntgenphysik der TU München und inzwischen Junior-Professorin am Institut für Angewandte Physik der Universität Jena, am Beispiel des Edelgases Krypton erstmals gelungen, zwei verschiedene Pump-Probe Spektroskopietechniken zu kombinieren und so die ultraschnellen Ionisierungsprozesse in zuvor nicht möglicher Genauigkeit sichtbar zu machen.

Messeinrichtung im Physik-Department der TU München – Foto © Michael Mittermair / TUM

„Vor unserem Experiment konnte man entweder betrachten welcher Anteil des anregenden Lichtes über die Zeit von der Probe absorbiert wird oder messen welche und wie viele Ionentypen dabei entstehen“, erklärt Bernhardt. „Wir haben nun beide Techniken vereint und können auf diese Weise sehen, über welche genauen Schritte die Ionisierung abläuft, wie lange diese Zwischenprodukte bestehen bleiben und was genau der anregende Laserpuls in der Probe tut.“

Kontrolle ultraschneller Prozesse

Mit der Kombination der beiden Messtechniken können die Wissenschaftler nicht nur ultraschnelle Ionisierungsprozesse aufzeichnen. Durch die Variation der Intensität des zweiten, abfragenden Laserpulses können sie erstmals auch die Ionisierungsdynamik gezielt kontrollieren und auf diese Weise beeinflussen. „Diese Kontrolle ist ein sehr starkes Instrument“, erklärt Bernhardt. „Wenn wir schnelle Ionisierungsprozesse genau nachvollziehen und sogar beeinflussen können, lernen wir viel Neues über lichtgesteuerte Prozesse wie die Photosynthese – gerade über jene ersten Momente, die diese komplexe Maschinerie in Gang setzen und die bislang kaum verstanden sind.“

Ultraschnelle Computer

Auch für die Entwicklung neuer, schnellerer Computerchips, in denen die Ionisierung von Silizium eine wesentliche Rolle spielt, ist die von Bernhardt und ihren Kollegen entwickelte Technik interessant. Kann man Ionisierungszustände von Silizium innerhalb eines so kurzen Zeitfensters nicht nur abfragen, sondern auch kontrolliert setzen – wie es die ersten Experimente am Krypton nahelegen – könnten Wissenschaftler dies vielleicht einmal nutzen, um neuartige und noch schnellere Computertechnologien zu entwickeln.

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