Woidke auf Dummenfang
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) warnt davor, dass ein schneller Kohleausstieg Rechtspopulisten stärken werde, verstieg sich im Berliner Tagesspiegel gar zum Begriff „Desaster“. Und griff tief in seinen politischen Erfahrungsschatz: „Menschen vergessen es einem Politiker nie, wenn ihre Lebensgrundlagen infrage gestellt werden“ (Dabei lehrt doch die Politik jeden Aktiven oder Beobachter, dass die bei weitem vergesslichste Bevölkerungsgruppe die Wähler sind!). Woidke (und seine Parteivorsitzende mit ihrer „Blutgrätsche“ ebenso) irrt auf eine für einen Politiker unentschuldbare Weise: Politiker dürfen nicht populistisch banalen Vorurteilen hinterher laufen, sondern müssen zukunftsfähig denken. Aber Woidke tut etwas Ähnliches wie Rechtspopulisten: Er appelliert an das, was die Menschen nicht wissen, an dumpfe Ängste, nicht an das, was sie bereits wissen und verstanden haben.
(So bekam die Lausitz seit 2016 aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ Bewilligungen für Projekte mit insgesamt 194 Millionen Euro, Ende 2017 zudem das Projekt „Zukunftswerkstatt Lausitz“ mit 7,07 Millionen Euro (über vier Jahre). Von 2018 bis 2021 sind 1,5 Milliarden Euro als zusätzliche prioritäre Ausgaben des Bundes für regionale Strukturpolitik und für den Bereich Strukturwandel Kohlepolitik vorgesehen.)
Kein Mensch hat je behauptet, der Abschied von den Fossilen solle auf dem Rücken der Schwächsten stattfinden – in praktisch jeder Behandlung des Themas kommt ganz vorne und prominent das Wort „sozialverträglich“ vor. Das muss Woidke entweder nicht verstanden oder permanent aktiv übersehen haben. Schließlich ist von den ursprünglich in der Kohleindustrie Beschäftigten heute nur noch ein verschwindender Bruchteil beschäftigt, selbst wenn man die indirekt abhängigen Gewerbe dazu zählt. Das „sozialverträglich“ ist also locker bezahlbar. Niemandes Lebensgrundlage wird in Frage gestellt. Der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen der Bundesregierung (WBGU) hat in der Studie „Zeit-gerechte Klimapolitik: Vier Initiativen für Fairness“ soeben Vorschläge für einen sozial gerechten Ausstieg gemacht. Woidke und seine Chefin werden für ihren plumpen Stimmenfang nichts ernten – im Gegenteil: Sie stärken die Rechten, während sie das Gegenteil vorgeben. Das nennt man unpolitisch, wenn nicht gar gefährlich. Die Wähler sind nicht so dumm, sie wählen im Zweifelsfall das Original, nicht die Kopie: Die AfD in Brandenburg liegt mit 23 Prozent erstmals gleichauf mit der regierenden SPD – die CSU lässt grüßen.