Tagesspiegel-Standpunkt von Dirk Uwe Sauer, RWTH-Professor und ESYS-Sprecher
Die Energiewende steht vor einem wichtigen Streckenabschnitt. Obwohl Sand im Getriebe des Energiewende-Motorsist, muss sie nicht nur die Sektorkopplung schaffen, also Strom, Wärme und Verkehr verknüpfen, sondern auch internationaler werden. Sonst seien die Klimaziele nicht zu erreichen, schreibt der Sprecher des Forschungsprojekts „Energiesysteme der Zukunft“, Dirk Uwe Sauer im Berliner Tagesspiegel-BACKGROUND. Weil bei der Energiewende alles mit allem zusammenhänge, sei sie eine „unglaubliche intellektuelle Herausforderung“. Ein CO2-Preis allerdings würde vieles einfacher machen.
„Integriert, intelligent, international (so der Titel des letzten ESYS-Energie-Symposiums – siehe: solarify.eu/energi3-integriert-intelligent-international) – so muss die nächste Phase der Energiewende aussehen“, sagt Sauer: „Nur wenn wir das Energiesystem ganzheitlich betrachten und Strom, Wärme und Verkehr miteinander verknüpfen, können wir die Klimaziele noch erreichen. Mit rein nationalen Strategien werden wir jedoch nicht weit kommen – wir müssen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung viel stärker mit anderen Ländern zusammenarbeiten als bisher. Denn Lösungen für den internationalen Klimaschutz lassen sich nur gemeinsam finden. Das zeigen auch die hochrangigen internationalen Klimakonferenzen, die in diesen Tagen aufeinanderfolgen: Nach der Klimakonferenz in Bangkok zur Vorbereitung der COP 24 und dem ‚Global Climate Action Summit‘ in Kalifornien startet nun die Climate Week in New York.“
Was das für die Energiewende und das Energiesystem der Zukunft in Deutschland bedeute und welche Missverständnisse wir schon aus dem Weg geräumt hätten, beantwortete der studierte Physiker und Lehrstuhlinhaber für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik so: „Auf der wissenschaftlichen Seite sind wir mittlerweile so weit, dass emotionale und ideologische Debatten wie ‚Erneuerbaren Energien können nicht im notwendigen Umfang bereitgestellt werden‘, ‚Kernenergie ist eigentlich immer die günstige Energieform‘ oder ‚Erneuerbare Energien werden immer viel teurer als fossile Energieträger sein‘ entschärft und ad acta gelegt werden konnten. Durch den technologischen und wissenschaftlichen Fortschritt sind diese Annahmen nicht länger haltbar.“
Sauer räumte Fehler ein: Einzelne Technologien seien teils zu stark gefördert, während dringend benötigte Technologien vernachlässigt worden seien; zudem sei „der rechtliche und ordnungspolitische Rahmen nicht an die Bedürfnisse der neuen Energiewelt angepasst“ worden. Aber trotz alledem: Der Umbau des Energiesystems hin zu einem ökologisch und ökonomisch nachhaltigen System sei möglich. Über den richtigen Weg dahin „streite man auf Basis von Fakten und Zahlen und mit der Offenheit, die Argumente der Kollegen anzuhören und abzuwägen“. Genau das leiste das von den deutschen Wissenschaftsakademien getragene Projekt „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS), aktuell 120 ehrenamtliche Mitglieder aus Wissenschaft und Forschung, die Handlungsoptionen zur Umsetzung der Energiewende entwickeln, mit Kollegen und Kolleginnen aus den Fachdisziplinen Recht, Ökonomie, Sozialwissenschaften, Politikwissenschaften, Naturwissenschaften und Technikwissenschaften an einen Tisch mit dem klaren Ziel der Konsensfindung. Das sei eine Herkulesaufgabe, denn klar sei: „Wir sind zum Erfolg verdammt.“
->Quelle und weiterlesen: background.tagesspiegel.de/wir-sind-zum-erfolg-verdammt