Nutzung und Speicherung von CO2 fortentwickeln

Optionen des Klimaschutzes

Deutschland wird sein Klimaschutzziel für 2020 verfehlen. Die Nutzung und Speicherung von Kohlendioxid (CCU, CCS) aus Industrieprozessen könnte eine Lücke im Klimaschutz schließen. Das Ob und Wie dieser Technologien muss jetzt, so eine Medienmitteilung von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften vom 25.09.2018, öffentlich diskutiert werden, damit notwendige Infrastrukturen geplant, genehmigt und errichtet werden können. Nur dann wären sie ab 2030 als wirksame Klimaschutzmaßnahmen einsatzfähig. Die entsprechende acatech-Position haben Experten aus der Wissenschaft, aus Gewerkschaften und Umweltverbänden, aus Ämtern, Behörden und der Industrie gemeinsam erarbeitet.

Vorstellung des acatech-Standpunkts CCS und CCU in der BBAW – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Deutschland hinkt seinen Zielen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen gemäß des Pariser Klimaabkommens COP21 hinterher. Ein eigenes Sektorziel für die energieintensive Industrie hat die Bundesregierung erstmals im 2016 verabschiedeten Klimaschutzplan 2050 festgelegt: Bis zum Jahr 2030 sollen die Emissionen im Vergleich zu 1990 in etwa halbiert werden, heißt es darin, bis 2050 soll eine weitgehende Treibhausgasneutralität erreicht sein. Will Deutschland diese Ziele erreichen, werden zusätzliche Verfahren zur Verringerung von CO2-Emissionen gebraucht. Die Nutzung und Speicherung von Kohlendioxid (CCU, CCS) zur Reduktion anderweitig unvermeidbarer CO2-Emissionen aus industriellen Prozessen könnte sich dabei als erforderlich erweisen.

Hans-Joachim Kümpel, Leiter des acatech-Projekts „CCU und CCS – Bausteine für den Klimaschutz in der Industrie“, erläutert: „Wir brauchen eine breite gesellschaftliche Diskussion darüber, wie ernst wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens nehmen und welche Konsequenzen wir daraus ziehen. Dazu gehört auch die Frage, ob wir uns als Gesellschaft die Optionen CCU und CCS offen halten. Wenn die Technologien ab 2030 für maßgebliche Mengen von CO2 zur Verfügung stehen sollen, müssen wir sie sehr bald intensiv fortentwickeln. Bei der Option CCS geht es uns explizit nur um Emissionen aus dem Industriesektor, die produktionsbedingt unvermeidbar und auch sonst nicht verwertbar sind. Wir sehen CCS nicht als Option, die Kohleverstromung zu verlängern.“

CCU und CCS, Bausteine…, Titel © acatech

Begriffe CCS und CCU

Der Begriff CCU (Carbon Capture and Utilization, bzw. Use) bezieht sich auf die Möglichkeit, CO2 zu verwerten und die Freisetzung des klimaschädlichen Gases in die Umwelt zu verringern. CCU-Technologien machen es zum Beispiel möglich, CO2 längerfristig zu binden, etwa in PVC-Erzeugnissen oder durch die CO2-Mineralisierung zu einem Zuschlagsstoff von Beton. Wenn sehr große Mengen erneuerbarer Energien kostengünstig verfügbar sind, könnte CO2 darüber hinaus auch zum Energieträger weiterverarbeitet werden – etwa als synthetischer Kraftstoff. Dessen Nutzung wäre klimaneutral, wenn das CO2 zuvor der Atmosphäre entzogen würde. CCU-Technologien sollten weiter intensiv erforscht werden, sind aber noch nicht im großen Maßstab wirtschaftlich verfügbar.

CCS ist eine wirkungsvolle Option zur Reduktion unvermeidbarer CO2-Emissionen aus industriellen Prozessen. CO2 kann dabei sowohl an Land als auch im Meeresgrund gespeichert und bei Bedarf als Rohstoff wieder zurück gefördert werden. Jede Teilmaßnahme unterliegt strengen sicherheitstechnischen Prüfungen und Genehmigungen. Hans-Joachim Kümpel schätzt: „Wenn wir den Aufbau der für den CCS-Einsatz notwendigen Infrastruktur konsequent angehen, könnten wir nach 2030 pro Jahr zwischen 50 und 100 Millionen Tonnen CO2 aus industriellen Prozessen speichern und das für 100 Jahre und mehr.“ Im Gegensatz zu CCU-Technologien, denen die Öffentlichkeit eher neutral bis positiv gegenübersteht, haben laut Hans-Joachim Kümpel Teile der Bevölkerung große Vorbehalte gegen die CCS-Technologie. CCS als Option für den Klimaschutz hat deshalb nur dann eine Chance, wenn Zivilgesellschaft, Politik, Industrie, NGOs und Verbände sie unterstützen.

Beide Möglichkeiten, CCU und CCS, haben für einen großskaligen Einsatz lange Vorlaufzeiten. Deshalb fordert acatech eine frühzeitige Debatte unter breiter öffentlicher Beteiligung. Nur dann können gesellschaftliche Vorbehalte berücksichtigt, grundsätzlich geeignete Technologien rechtzeitig fortentwickelt, zur Marktreife gebracht und die nötige Infrastruktur geplant, genehmigt, finanziert und errichtet werden.

[note Auf einen Blick

  • Deutschland hat das Ziel, seine Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu vermindern. Mit dem Abkommen von Paris orientiert sich die deutsche Klimapolitik am Leitbild einer bis 2050 weitgehenden Treibhausgasneutralität.
  • Die bisher vorgesehenen und umgesetzten Maßnahmen sind jedoch nicht ausreichend, um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen. Neben dem Sektor der Energiewirtschaft setzt in Deutschland vor allem der Industriesektor erhebliche Mengen an klimawirksamen Gasen frei. Im Klimaschutzplan 2050 hat die Bundesregierung erstmals ein Sektorziel für die Industrie festgelegt.
  • Die weitere Verringerung der Emissionen im Industriebereich ist technisch höchst anspruchsvoll. Alle infrage kommenden Optionen sind grundsätzlich in Erwägung zu ziehen. Das sind neben der Vermeidung von Treibhausgasemissionen im Wesentlichen die Verwertung von CO2 (Carbon Capture and Utilization/CCU) und die Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage/CCS).geeignete Technologien rechtzeitig fortentwickelt und zur Marktreife gebracht werden, damit die nötige Infrastruktur geplant, genehmigt, finanziert und errichtet werden kann.]

Stimmen

Erika Bellmann (WWF Deutschland): Um das Klima zu schützen und die völkerrechtliche Verpflichtung aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen, muss der CO2-Ausstoß überall stark sinken. CCS ist dazu keine Alternative. Aber es kann für Restmengen an Industrieemissionen, für die es noch keine andere Vermeidungsoption gibt, eine wichtige Rolle spielen.

Andreas Bode (BASF): „CCU-Prozesse können helfen, unvermeidbare CO2 Emissionen aus Industrieprozessen zu reduzieren. Wir arbeiten daran, die Treibhausgasemissionen der chemischen Industrie durch neue Produktionsprozesse erheblich abzusenken.“

Hans-Joachim Kümpel (acatech): Wir brauchen eine breite gesellschaftliche Diskussion darüber, wie ernst wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens nehmen und welche Konsequenzen wir daraus ziehen. Dazu gehört auch die Frage, ob wir uns als Gesellschaft die Optionen CCU und CCS offenhalten. Wenn die Technologien ab 2030 für maßgebliche Mengen von CO2 zur Verfügung stehen sollen, müssen wir sie sehr bald intensiv fortentwickeln. Bei der Option CCS geht es uns explizit nur um Emissionen aus dem Industriesektor, die produktionsbedingt unvermeidbar und auch sonst nicht verwertbar sind. Wir sehen CCS nicht als Option, die Kohleverstromung zu verlängern.

Dirk Uwe Sauer (RWTH Aachen): CCS für Kohlekraftwerke einzusetzen, ist auch aus Sicht der Kraftwerksbetreiber nicht wirtschaftlich und zielführend. Dafür stand CCS in den Augen vieler Bürger in der Vergangenheit und wurde teilweise vehement abgelehnt. Heute sagen uns die Klimaforscher aber sehr deutlich, dass wir eine sehr weitgehende CO22-Reduktion brauchen und daher auch an industrielle Prozesse gehen müssen, die sich nicht leicht Emissionsfrei machen lassen. Zudem erscheinen wohl negative Emissionen  notwendig zu werden, bei denen der Atmosphäre aktiv CO2 entzogen und dann einspeichert werden müssen. Dafür müssen die notwendigen Technologien erforscht, deren Einsatz erprobt und eine breite gesellschaftliche Debatte angestoßen werden.

Ottmar Edenhofer (PIK und MCC): Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, müssen die energiebedingten CO2-Emissionen auf nahe Null sinken. Wir müssen jetzt die Forschungsanstrengungen intensivieren, um zu klären, welchen Beitrag CCU und CCS zur Emissionsneutralität leisten können. Eines ist aber jetzt schon klar: Ohne eine glaubwürdige CO2-Bepreisung haben diese Technologien keine Chance.

Über die acatech-Projektgruppe

Die acatech-Position „CCU und CCS – Bausteine für den Klimaschutz in der Industrie“ ist in zweijähriger Projektgruppenarbeit entstanden, in einer Reihe intensiver Workshops mit Vorträgen, Diskussionen und inhaltlichen Abstimmungen. Mitgewirkt haben im Kern rund 30 Expertinnen und Experten auf dem Gebiet der behandelten Fragestellungen, vielfach leitende Angehörige aus Forschungseinrichtungen, Ämtern und Behörden, der Industrie, Umweltverbänden, Gewerkschaften, eines Norminstituts und Consultants. Seitens der Industrie waren Vertreter von Unternehmen und Verbänden der Chemiebranche, der Eisen- und Stahlbranche, der Zementindustrie und eines Technologieunternehmens an den Workshops beteiligt. Die mitwirkenden Umweltverbände waren die Bellona Foundation, die European Climate Foundation, Germanwatch und WWF Deutschland. Das Vorhaben wurde gefördert von der European Climate Foundation, BASF SE, Covestro Deutschland AG, The Linde Group und dem acatech-Förderverein.

->Quellen: