Und: Deutschland bleibt Stromexporteur
Agora Energiewende hat die energie- und klimapolitischen Vorhaben der Großen Koalition analysiert: Der schrittweise Kohleausstieg kombiniert mit dem Ausbau Erneuerbarer Energien auf 65 Prozent bis 2030 stabilisiert Strompreise und -mengen. Zugleich wird das Klimaziel des Energiesektors erreicht, wie Christoph Podewils vom Thinktank Agora Energiewende am 01.10.2018 mitteilte.
Eine Verringerung der Kohleverstromung um zwei Drittel bis 2030 wird sich bei gleichzeitigem Ausbau der Erneuerbaren Energien auf 65 Prozent kaum auf die Strompreise auswirken. So lautet das wichtigste Ergebnis einer Modellierung der beiden energie- und klimapolitischen Hauptziele der Bundesregierung im Auftrag von Agora Energiewende.
Demnach würden die Börsenstrompreise zwar um durchschnittlich 0,4 Cent je Kilowattstunden steigen, wenn die Leistung der Kohlekraftwerksflotte bis 2030 um zwei Drittel reduziert werde und damit auf ein Niveau sinke, das nötig sei, um die Klimaschutzziele 2030 für den Energie- und Industriesektor zu erreichen.
Durch den im Koalitionsvertrag vereinbarten beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien falle jedoch der mittlere Börsenstrompreis umgekehrt um 0,8 Cent je Kilowattstunde. Unter dem Strich würden die Börsenstrompreise daher im Mittel um 0,4 Cent im Vergleich zu einer Entwicklung ohne Kohleausstieg und ohne zusätzlichen Erneuerbaren-Energien-Ausbau zurückgehen, so die Analyse.
Ein parallel zur schrittweisen Verminderung der Kohleverstromung geführter Ausbau der Erneuerbaren Energien auf 65 Prozent am Stromverbrauch würde auch bedeuten, dass Deutschland weiterhin Stromexporteur bleibe. Die wegfallenden Kohlestrommengen würden fast eins zu eins durch Erneuerbare Energien im Inland ersetzt. Kohle- und Gaskraftwerke im Ausland kämen daher durch einen deutschen Kohleausstieg nicht häufiger zum Zug.
„Die energieintensive Industrie würde besonders von der Kombination der beiden Maßnahmen profitieren. Denn sie kann den sinkenden Strompreis für sich nutzen, muss aber nicht für den Ausbau der Erneuerbaren Energien zahlen“, sagt Frank Peter, stellvertretender Direktor von Agora Energiewende. „Die Voraussetzung dafür ist, dass die energieintensive Industrie nach 2020 weiterhin von der Zahlung zur EEG-Umlage befreit ist. Das ist jedoch eine Frage, die sich völlig unabhängig von einem Kohleausstieg oder dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien stellt.“ Normale Stromverbraucher würden wegen des beschleunigten Ausbaus Erneuerbarer Energien zwar eine um 0,5 Cent pro Kilowattstunde höhere EEG-Umlage zahlen müssen. „Diese wird durch die sinkenden Preise an der Strombörse jedoch weitgehend kompensiert, so dass sich die Strompreise für private und gewerbliche Verbraucher nur wenig ändern dürften“, erklärt Peter.
Eine Reduzierung der Leistung der deutschen Kohlekraftwerke von heute 46 Gigawatt auf 16 Gigawatt bei gleichzeitigem Ausbau der Erneuerbaren Energien auf 65 Prozent werde dazu führen, dass der Stromsektor im Jahr 2030 noch 186 Millionen Tonnen CO2 emittiere. Das liege am oberen Limit des Zielkorridors für die Treibhausgasemissionen des Stromsektors. Dieser erlaube Emissionen in Höhe von 180 bis 186 Millionen Tonnen CO2 jährlich. Derzeit stießen die deutschen Kraftwerke jährlich 332 Millionen Tonnen CO2 aus.
„Die im Koalitionsvertrag vereinbarten energie- und klimapolitischen Ziele können also sowohl die Klimafreundlichkeit als auch die Bezahlbarkeit der Stromversorgung sichern“, resümiert Peter. „Um die Versorgungssicherheit auch bei einer Dunkelflaute zu gewährleisten, wird Deutschland noch einige Gigawatt hochflexibler Gaskraftwerke bauen müssen. Auch müssen wir mehr Lastflexibilität anreizen. Die starke Vernetzung des deutschen Stromsystems im europäischen Verbund sichert die Versorgung zusätzlich ab.“
Die Analyse „65 Prozent Erneuerbare bis 2030 und ein schrittweiser Kohleausstieg – Auswirkungen der Vorgaben des Koalitionsvertrags auf Strompreise, CO2-Emissionen und Stromhandel“ steht zum kostenfreien Download unter www.agora-energiewende.de zur Verfügung. Die Modellierungsarbeiten der Studie stammen vom Beratungsunternehmen Aurora Energy Research.