New York verklagt Ölriesen wegen Täuschung von Aktionären über Klimawandel
Die New Yorker Generalstaatsanwaltschaft hat – schreibt John Schwartz in der New York Times – am 24.10.2018 nach mehr als drei Jahre langen Ermittlungen Klage gegen Exxon Mobil erhoben, mit dem Vorwurf, das Unternehmen habe Investoren und Aktionäre betrogen, indem es das für sein Geschäft bedrohliche Risiko des Klimawandels heruntergespielt habe.
Der Rechtsstreit bedeutet ein finanzielles Risiko für Exxon und droht dem Ölmulti mit einem kräftigen Reputationskratzer – wo doch das Unternehmen angeblich so intensiv daran gearbeitet hat, die Sorgen um den Klimawandel zu verstehen. Er könnte auch weitere Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen. Allerdings hat Exxon Mobil laut eigenen Angaben im zweiten Quartal 2018 vier Milliarden Dollar verdient.
„Wir kannten die Wirkung der fossilen Energien, haben sie aber öffentlich bestritten“ – Brandalism-Reklame-Kunstwerk „Exxon Mobil“ während der COP21 – Foto © Barnbrook brandalism.org.uk – CC BY-SA 4.0
Die Klageschrift beschuldigt Exxon im Gegensatz zu vielen anderen Initiativen (s.u.) nicht, eine Rolle bei der Entstehung des Klimawandels gespielt zu haben, obwohl die Verbrennung von Öl und Benzin wesentlich zum menschengemachten Klimawandel beiträgt. Vielmehr soll das Unternehmen ein „langjähriges betrügerisches System“ betrieben haben, um Investoren, Analysten und Anteilszeichner „über das Management der Risiken zu täuschen, die sich aus der Regulierung des Klimawandels für sein Geschäft ergeben“.
Exxon habe die Welt wissen lassen, dass man auf die zwangsläufig zur Bekämpfung des Klimawandels erforderlichen strengeren Maßnahmen vorbereitet sei, sagte die Staatsanwaltschaft. Aber in Wirklichkeit, so die Klage, „wendete das Unternehmen interne Praktiken an, die mit seinen Darstellungen unvereinbar waren, den Anlegern nicht offenbart wurden und das Unternehmen einem größeren Risiko durch die Regulierung des Klimawandels aussetzten, als die Anleger das glauben sollten“.
Die Untersuchung hat die Amtszeit von zwei New Yorker Generalstaatsanwälten umfasst und die anderer Staaten einbezogen. Exxon hat versucht, die Ermittlungen vor Gerichten in drei Bundesstaaten zu blockieren, und hat sie als Versuch von „Rüpeln“ bezeichnet, die First Amendment*)-Rechte des Unternehmens einzuschränken – und als Teil einer Verschwörung gegen die fossilen Brennstoffe, befördert unter anderem durch die Rockefeller-Familie. Exxon Mobil selbst hat auf eine Anfrage zur Stellungnahme der NYT nicht reagiert.
Barbara D. Underwood, seit Mai 2018 New Yorker Generalstaatsanwältin, brachte die Klage unter dem Martin Act**) ein, einem Landesgesetz, das ihr weitreichende Befugnisse zur Untersuchung und Verfolgung von Wertpapierbetrug gibt. Die Klage verlangt, dass Exxon den Anlegern das gesamte durch den angeblichen Betrug verdiente Geld zurückerstattet. Die Klage nennt keine zu zahlende Summe, aber wenn sie erfolgreich ist, könnten die Strafen in die Hunderte von Millionen Dollar gehen, wenn nicht sogar mehr.
Die Ermittlungen wurden vor drei Jahren publik, etwa ein Jahr nachdem der ehemalige Generalstaatsanwalt Eric T. Schneiderman zu ermitteln begonnen hatte. Bald darauf kündigten andere Staatsanwälte ihre Unterstützung an; einige begannen eigene Ermittlungen.
Am 10.10.2016 berichtete Solarify unter dem Titel „New Yorker Generalstaatsanwalt ermittelt“: Investigative Untersuchungen in den USA haben ExxonMobil, den größten Ölkonzern der Welt, ins Zwielicht gebracht. Die Texaner sollen bereits vor Jahrzehnten Risiken des Klimawandels verschleiert haben. Der für seine harte Linie bekannte New Yorker Generalstaatsanwalt Eric Schneiderman ermittelt deshalb gegen Exxon. Der texanische Öl- und Gasriese dementiert: “Verschwörung!”
Ex-Vize-Präsident Al Gore, 17 andere demokratischen Staatsanwälte und 13 Umweltorganisationen unterstützen Schneidermans Ermittlungsoffensive gegen Exxon – schreibt dpa- Korrespondent Hannes Breustedt. Gore und Schneiderman ständen an der Spitze einer Kampagne von Umweltaktivisten, die sich unter dem Hashtag #ExxonKnew und auf der gleichnamigen Internetseite formiert habe.
„Eine Untersuchung des Pulitzerpreis-Gewinners Inside Climate News zeigte bereits im Oktober 2015 (siehe: solarify.eu/exxon-wusste-schon-vor- fast-40-jahren-vom-klimawandel), dass die Ölgesellschaft die wissenschaftlichen Erkenntnisse sehr wohl verstanden hatte, bevor sie zu einem öffentlichen Thema wurden und schon lange Millionen für Desinformation ausgegeben hatte, schrieb Shannon Hall im Scientific American. Das Wissen des Unternehmens über den Klimawandel stammt den Recherchen zufolge aus dem Juli 1977. Demnach war sich Exxon bereits elf Jahre, bevor er zum Thema wurde, des Klimawandels bewusst. Trotz dieses Wissen weigerte das Unternehmen jahrzehntelang, den Klimawandel anzuerkennen und täuschte die Öffentlichkeit gezielt. Später finanzierte Exxon mit zig Millionen Dutzende von “Schein-Think Tanks”, die den Klimawandel leugneten“.
Exxon soll zudem in großem Stil Einfluss auf die Forschung genommen haben, um zu vertuschen, in welchem Ausmaß das äußerst profitable Geschäftsmodell des Konzerns eine Belastung für das Klima darstellte.
Exxon bestreitet alles: “Verschwörung!”
Wenig verwunderlich: Die Texaner weisen die Vorwürfe zurück. „Diese Geschichten gehen fälschlicherweise davon aus, dass wir schon definitive Schlüsse zu den Risiken des Klimawandels gezogen hätten, als die Klimaforschung noch in der Frühentwicklung war“, erklärt Sprecher Alan Jeffers. #ExxonKnew sei eine von Gegnern des Konzerns finanzierte Verschwörung, die irreführende Artikel verbreite.
Exxon Mobil hat erst Mitte der 2000er Jahre millionenschwere Förderungen für Wissenschaftler, Pseudo-Think-Tanks und teils selbst gegründete zweifelhafte Klimaleugungs-Institute gestoppt. Heute akzeptiert der Ölmulti angeblich den Klimawandel und den daraus resultierenden Handlungsbedarf, um seine schlimmsten Auswirkungen abzuschwächen. So unterstützte das Unternehmen den Pariser Klimavertrag COP21 und lehnte die Entscheidung von Präsident Trump ab, sich aus dem Abkommen zurückzuziehen. Etwas spät.
*) Der erste Verfassungszusatz garantiert die freie Religionsausübung, die Rede- und Pressefreiheit sowie das Recht des Volkes, sich friedlich zu versammeln und, schließlich das Petitionsrecht.
**) Der Martin Act (New York General Business Law Artikel 23-A, Abschnitte 352-353) ist ein New Yorker Betrugsbekämpfungsgesetz, das weithin als schwerstes Blue-Sky-Gesetz des Landes angesehen wird (Ein Blue-Sky-Gesetz ist ein Landesgesetz, welches das Anbieten und Verkaufen von Wertpapieren regelt, mit dem Ziel, die Öffentlichkeit vor Betrug zu schützen. Obwohl die spezifischen Bestimmungen dieser Gesetze von Staat zu Staat unterschiedlich sind, erfordern sie alle die Registrierung aller Wertpapierangebote und -verkäufe sowie von Börsenmaklern und Maklerfirmen. Das Blue-Sky-Gesetz jedes Staates wird von seiner zuständigen Regulierungsbehörde verwaltet und bietet meist auch private Klagegründe für private Anleger, die durch Wertpapierbetrug verletzt wurden.). 1921 verabschiedet, gewährt der Martin Act der Generalstaatsanwaltin von New York weitreichende Befugnisse, Ermittlungen wegen Wertpapierbetrugs durchzuführen und zivil- oder strafrechtliche Maßnahmen gegen mutmaßliche Gesetzesübertreter einzuleiten.
->Quellen: