Künftig Milliarden für CO2-Zertifikate
Weil Deutschland seine zugesagte CO2-Reduktion in den Sektoren Gebäude und Verkehr nicht einhält, muss die Regierung allein im Dezember 2018 für 660 Millionen Euro Steuergeld CO2-Zertifikate kaufen. Dabei würde dieses Geld, in Erneuerbare Energien, klimafreundliche Verkehrssysteme und Gebäude investiert, Haushalte und Klima langfristig entlasten. Und das, obwohl kurzfristige Reduktionsmaßnahmen bereitstehen, die aber werden nicht umgesetzt. Das prangert die Deutsche Umwelthilfe (DUH) an. Agora Energie-/Verkehrswende hat das ebenfalls schon kritisiert – siehe: solarify.eu/verfehlung-von-klimazielen-kostet-milliarden.
Für jede Tonne zu viel ausgestoßenes CO2 muss Deutschland nun Zertifikate von anderen EU-Ländern kaufen. Die DUH forderte die Bundesregierung auf, wirksame Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, statt den Bundeshaushalt mit unnötigen Ausgaben zu belasten. Bleibe der bisherige CO2-Ausstoß nämlich unverändert, müssten Deutschlands Steuerzahler jährlich draufzahlen, und das nicht zu knapp. Bis Ende 2020 entstünden so Mehrkosten von etwa 2 Milliarden Euro für eine verfehlte Klimapolitik. Bis Ende 2030 können noch einmal 30 bis 60 Milliarden Euro dazu kommen, da die Preise für CO2-Zertifikate voraussichtlich stark ansteigen werden. Dieses Geld fehlt für den Klimaschutz in Deutschland.
Maßnahmen im Verkehrssektor könnten CO2 einsparen und das Klima langfristig entlasten. So würden beispielsweise ein Tempolimit auf Autobahnen, die Besteuerung von Kraftstoffen wie Kerosin oder Diesel nach CO2-Gehalt und eine Änderung der Dienstwagenbesteuerung schon kurzfristig zur Senkung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor führen.
Dazu Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Wegen der Versäumnisse der Bundesregierung beim Klimaschutz, müssen die Steuerzahler nun für CO2-Zertifikate zahlen. Ein besonderer Skandal ist, dass der Steuerzahler einerseits für Privilegien wie Dienstwagen aufkommen muss, diese aber andererseits so klimaschädlich sind, dass sie sich negativ auf Deutschlands CO2-Bilanz auswirken. Hier finanziert der Steuerzahler klimaschädliche Anwendungen, um anschließend auch noch den Schaden zu begleichen. Dies ist eine versteckte Erhöhung der Privilegien. Das Geld sollte besser in klimafreundliche Wärme und Mobilität fließen.“
Auch bei Gebäuden ist das CO2-Einsparpotenzial enorm. Hier sollte künftig jede ohnehin anfallende Instandhaltung der Fassade mit einer energetischen Modernisierung gekoppelt werden, um die Gebäudehülle für mehr Effizienz auf Vordermann zu bringen. Anstehende Heizungswechsel sollten für den Umstieg auf erneuerbare Wärme genutzt werden. Flankierend braucht es die richtigen staatlichen Vorgaben und Fördermaßnahmen, um sowohl die Sanierungsrate aber auch die Sanierungstiefe zu steigern.
Erneuerbarer Strom ist eine wesentliche Voraussetzung, um Treibhausgasemissionen im Wärme- und Mobilitätssektor zu verringern. Neben Energieeinsparung und mehr Effizienz spielen zunehmend elektrisch betriebene Wärmepumpen und Fahrzeuge eine wichtige Rolle. „Hierfür benötigen wir zusätzliche erneuerbare Energien als Antriebsenergie“, meint Peter Ahmels, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH. Um klimafreundlicher als die bisherige Technik zu sein, müssen sie mit erneuerbarem Strom betrieben werden. Schiffe, Flugzeuge und Teile des Schwerlastverkehrs werden zukünftig auf synthetische Kraftstoffe angewiesen sein, die gleichfalls auf Basis von erneuerbarem Strom erzeugt werden.
Der Ausstoß von CO2 wird derzeit nicht mit angemessenen Kosten belegt. „Energie wird falsch besteuert. Klimafreundliche Energie muss günstiger sein als fossile Energie aus z.B. Braunkohle. Wir brauchen eine Steuerpolitik, die Klimafreundlichkeit belohnt. Durch die dann sinkenden CO2-Emissionen wird der Zukauf von Zertifikaten vermieden“, so Ahmels weiter. So wird z.B. Strom – auch erneuerbarer Strom – im Vergleich zu Erdgas und Heizöl deutlich höher besteuert. Energieeinsparung, Investitionen in Energieeffizienz und der Umstieg auf erneuerbare Energien werden nicht ausreichend mit Anreizen belegt.
Hintergrund:
Die Mitgliedstaaten der EU sind in den Bereichen, die nicht vom EU-Emissionshandel (EU ETS) abgedeckt werden, zur Reduktion der CO2-Emissionen verpflichtet. Werden die Ziele verfehlt, müssen für jede Tonne Treibhausgas, die zu viel ausgestoßen wurde, Zertifikate bei anderen EU-Ländern gekauft werden, die ihre Ziele übererfüllt haben. 2017 hat Deutschland sein Ziel für die Bereiche Gebäude und Verkehr erstmals deutlich verfehlt, konnte das Defizit jedoch durch bestehende Gutschriften ausgleichen. Seit Dezember 2018 sind auch diese rechnerisch verbraucht und Deutschland muss Zertifikate zukaufen.
- Erlaubte Emissionen 2017: 432 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente
- Tatsächliche Emissionen 2017: 465 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente
- Zu viel ausgestoßen 2017: 33 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente
- Kosten für Zukauf von CO2-Zertifikaten bei angenommenem Börsenpreis/TonneCO2 von 20 Euro: 660 Millionen Euro (für 2018 wird hier von einer vergleichbaren Situation wie 2017 ausgegangen)
- Mehrausstoß kumuliert bis einschl. 2020: geschätzt 100 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent
- Kosten für CO2-Zertifikate kumuliert bis einschl. 2020 bei angenommenem Börsenpreis/Tonne CO2 von 20 Euro: 2 Milliarden Euro
- Mehrausstoß kumuliert 2020-2030: 616 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent
- Kosten für CO2-Zertifikate kumuliert 2020-2030 bei angenommenem Börsenpreis/TonneCO2 von 50 bis 100 Euro: 30 – 60 Milliarden Euro
->Quellen: