Für und Wider Climate Engineering
Trockenheit, Waldbrände, Megastürme: Angesichts der Wetterextreme des Jahres 2018 wächst weltweit die Sorge, dass der Klimawandel ohne drastische Schritte wie das sogenannte Climate Engineering kaum noch aufzuhalten ist. Aber: Lässt sich die Erde wirklich künstlich kühlen? Ein Beitrag aus der neuen Ausgabe der Helmholtz Perspektiven.
Ein heißes, verqualmtes Jahr geht zu Ende, während sich Regierungsvertreter aus 190 Ländern zur 24. UN-Klimakonferenz im polnischen Katowice treffen. Sie wollen konkrete Maßnahmen und einheitliche Regeln beschließen, mit denen das Ziel der Pariser Klimakonferenz von 2015 erreicht werden kann. Es sieht vor, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Das scheint angesichts der diesjährigen Wetterextreme dringender denn je. Hitze und Trockenheit wüteten fast überall – selbst in Japan starben Menschen infolge zu großer Wärme. Am arktischen Polarkreis, wo es bislang selten brannte, standen von Grönland bis Alaska Wälder in Flammen. Und in Deutschland und vielen anderen Ländern Nord- und Mitteleuropas führte die monatelange Trockenheit zu Ernteausfällen mit Schäden im dreistelligen Millionenbereich.
„Wir haben bereits eine globale Erderwärmung von einem Grad Celsius. Mit ungebremsten Emissionen werden wir bis zum Ende dieses Jahrhunderts einen Temperaturanstieg um vier Grad Celsius und mehr erleben“, sagt Hans-Otto Pörtner. Der Klimaforscher am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), ist Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe II des Weltklimarates IPCC und gilt als eines der prominentesten Mitglieder des Expertengremiums. Die bislang von den Unterzeichnern des Pariser Klimaabkommens versprochenen Emissionseinsparungen sind seiner Auffassung nach unzureichend: „Mit ihnen werden wir die Erwärmung nur auf drei Grad Celsius begrenzen können“, sagt Pörtner.
Klimaforscher untersuchen deshalb eine viel weiterreichende Idee: Lässt sich die Erde künstlich abkühlen? Die beim Climate Engineering (CE)diskutierten Methoden lassen sich in zwei Ansätze gliedern: Entweder zielen sie darauf ab, dass ein Großteil des Sonnenlichts ins Weltall zurückgestrahlt wird, bevor er die Erdoberfläche erreicht – diese Methoden werden als Solar Radiation Management bezeichnet. Oder aber sie setzen darauf, CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre zu entfernen. Diese Methoden werden unter dem Begriff „Carbon Dioxide Removal“ (CDR) zusammengefasst. Der Weltklimarat bezeichnet sie auch als „Negative Emission Technologies“.
„Je genauer wir die Verfahren untersuchen, desto weiter schrumpft das Potenzial und desto mehr Risiken offenbaren sich.“
Beide Ansätze unterscheidet ein wesentlicher Punkt: „Wenn wir Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen, reduzieren wir die Konzentration dieses Treibhausgases, das die Ursache für die Erderwärmung ist“, sagt Wilfried Rickels vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel: „Beim Radiation Management hingegen begrenzen wir primär das Ausmaß der Erwärmung und beeinflussen die CO2-Konzentration nur indirekt.“ Rickels ist einer der führenden Forscher im DFG-Schwerpunktprogramm „Climate Engineering“, dem weltweit größten interdisziplinären Forschungsprojekt zu diesem Thema, das vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel koordiniert wird. Seit dem Jahr 2003 untersuchen Natur-, Sozial-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaftler darin, welche Chancen und Risiken verschiedene CE-Methoden mit sich bringen und wie sie sich auf die Gesellschaft auswirken. Eines ihrer Kernergebnisse lautet: „Je genauer wir die Verfahren untersuchen, desto weiter schrumpft das Potenzial und desto mehr Risiken offenbaren sich – und das auch bei vermeintlich grünen Methoden wie der Aufforstung oder dem Anbau von Bioenergiepflanzen“, so Rickels.
Für beide Methoden wird nämlich vor allem eines gebraucht: Land. Um bis zum Jahr 2100 etwa ein Viertel des CO2 zu binden, das in der Atmosphäre enthalten ist, müsste man eine Fläche von der Größe Brasiliens aufforsten. Auf diesem Land könnten dann kein Getreide mehr angebaut, keine Nutztiere mehr geweidet werden. Es gäbe weniger Lebensmittel – ein problematisches Szenario angesichts der wachsenden Weltbevölkerung.
Folgt: Meeres-Impfung?