Erwärmung der Weltmeere entspricht einer Atombombe pro Sekunde

Weil Meere 90% der Klimawandel-Energie absorbieren, hat sich deren Temperatur in 150 Jahren stark erhöht

Die globale Erwärmung hat die Ozeane in den letzten 150 Jahren um das Äquivalent einer Atombombenexplosion pro Sekunde erhitzt, so das Fazit neuer in den PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America) publizierter Forschungsergebnisse, schrieb Umweltredakteur Damian Carrington am 07.01.2019 im Guardian. Denn mehr als 90% der von den Treibhausgasemissionen der Menschheit verursachten Wärme wurde von den Meeren aufgenommen, wobei nur wenige Prozent die Luft-, Land- und Eiskappe erwärmen. Die enorme Energiezufuhr der Ozeane treibt den Meeresspiegel in die Höhe und ermöglicht es, dass Hurrikane und Taifune intensiver werden.

Die Temperatur der Weltmeere hat sich in 150 Jahren stark erhöht – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Ein Großteil der Wärme wurde in den Tiefen des Ozeans gespeichert, aber die Messungen hier begannen erst in den letzten Jahrzehnten, und die bestehenden Schätzungen der Gesamtwärme, die die Ozeane aufgenommen haben, reichten nur bis etwa 1950 zurück. Die neue Arbeit der Oxforder Physikerin Laure Zanna und vier weiteren Wissenschaftlern aus Großbritannien und den USA erweitere diese Messperiode bis zurück ins Jahr 1871.

Die Wissenschaftler sind laut Guardian überzeugt, dass das Verstehen vergangener Schwankungen der Meerestemperatur entscheidend für die Vorhersage künftiger Auswirkungen des Klimawandels sei.

Nun hat der Guardian ausgerechnet. dass die durchschnittliche Erwärmung über diesen Zeitraum von 150 Jahren etwa 1,5 Hiroshima-Atombomben pro Sekunde entspricht. Aber die Erwärmung hat sich in dieser Zeit beschleunigt, da die Kohlenstoffemissionen gestiegen sind, und würde aktuell zwischen drei und sechs Atombomben pro Sekunde entsprechen.

„Ich versuche, diese Art von Berechnung nicht durchzuführen, nur weil ich sie beunruhigend finde“, sagte Leitautorin Zanna dem Guardian. „Wir versuchen normalerweise, die Erwärmung mit dem Energieverbrauch zu vergleichen, um sie weniger beängstigend zu machen. Aber offensichtlich stecken wir viel überschüssige Energie in das Klimasystem und vieles davon landet im Meer. Es gibt keinen Zweifel.“ Die Gesamtwärme, welche die Ozeane in den letzten 150 Jahren aufgenommen haben, war etwa das 1.000fache des jährlichen Energieverbrauchs der gesamten Weltbevölkerung.

Clemens Weiß von energiezukunft: „In der öffentlichen Wahrnehmung findet meist die Lufttemperatur Beachtung, die Erwärmung der Weltmeere gilt Forschern dagegen als stärkeres Klimarisiko. Steigender Meeresspiegel und stärker werdende Wetterextreme wie Hurrikans und Taifune sind direkte Folgen für den Menschen. Doch auch das Ökosystem ändert sich rapide.“ Denn warmes Wasser kann weniger Sauerstoff aufnehmen als kaltes, durch den Klimawandel nimmt also der Sauerstoffanteil im Wasser ab und entstehen sogenannte „tote Zonen“, etwa in der Ostsee. „Der Sauerstoffgehalt ist teilweise so niedrig, dass gar kein Leben mehr möglich ist.Im vergangenen Jahr gab es zum Beispiel in Eckernförde Anstrandungen von toten Fischen“, sagte Meeresphysiker Florian Schütte vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel dem NDR„.

Der steigende CO2-Gehalt in der Atmosphäre sorge darüber hinaus für eine Versauerung der Weltmeere, mit der die Verfügbarkeit von Carbonaten abnehme – eine unsichtbare Bedrohung, die bereits im Gange sei und viele Lebewesen gefährde, für die Kalk bzw. Kalzium-Carbonat überlebenswichtig ist. Experten gingen davon aus, dass weitere Auswirkungen noch nicht genügend erforscht seien. Dennoch sei man sich einig: Die Weltmeere werden sich rapide verändern.

Prof. Samar Khatiwala, ebenfalls an der Universität von Oxford und Teil des Teams, sagte dem Guardian: „Unser Ansatz ist etwa so, wie wenn man verschiedene Teile der Meeresoberfläche unterschiedlich einfärben würde“ und überwachte, wie sie sich im Laufe der Zeit ins Innere ausbreiten. „Wenn wir wissen, was die Temperaturanomalie der Meeresoberfläche 1871 im Nordatlantik war, können wir herausfinden, wie sehr sie zur Erwärmung beispielsweise im tiefen Indischen Ozean im Jahr 2018 beiträgt.“

Denn die Erwärmung läuft regional verschieden über die Ozeane verteilt ab. So hat die Hälfte der Erwärmung von 1955 bis 2003 im Atlantischen Ozean stattgefunden, während für das Jahrzehnt 1993-2003 der Pazifik den größten Anteil hatte.Der Atlantik zeigt außerdem aufgrund seiner ausgeprägten Tiefenkonvektion Erwärmungen bis in 1.000 m Tiefe, während die Temperaturzunahme der anderen Ozeane auf die oberen 100 m beschränkt blieb (nach Levitus, S., J. Antonov, T.; Boyer, 2005: Warming of the world ocean, 1955-2003, Geophys. Res. Lett., Vol. 32, No. 2, L02604 – doi 10.1029/2004GL021592).

Gefährlichste langfristige Auswirkungen des Klimawandels

Der steigende Meeresspiegel zählt zu den gefährlichsten langfristigen Auswirkungen des Klimawandels, er bedroht Milliarden von Menschen, die in Küstenstädten leben, und die Abschätzung künftiger Steigerungen ist für die Vorbereitung der Verteidigung von entscheidender Bedeutung. Ein Teil des Anstiegs stammt aus dem Schmelzen von landgestrecktem Eis in Grönland und anderswo, aber ein weiterer wichtiger Faktor war die physische Ausdehnung des Wassers, wenn es wärmer wird.

Die Meere erwärmen sich jedoch nicht gleichmäßig, da die Meeresströmungen Wärme um die Welt leiten. Die Rekonstruktion der Wärmemenge, die in den letzten 150 Jahren von den Ozeanen aufgenommen wurde, ist wichtig, da sie eine Grundlage bildet. Im Atlantik zum Beispiel fand das Team heraus, dass die Hälfte des Anstiegs seit 1971 in niedrigen und mittleren Breitengraden auf Wärme zurückzuführen ist, die von Strömungen in die Region transportiert wurde.

Die neue Arbeit kann helfen, in Zukunft bessere Vorhersagen über den Anstieg des Meeresspiegels für verschiedene Regionen zu machen. „Zukünftige Veränderungen im Seetransport könnten schwerwiegende Folgen für den regionalen Meeresspiegelanstieg und das Risiko von Küstenüberschwemmungen haben“, so die Forscher. „Das Verständnis der Ozeanwärme und der Rolle der Zirkulation bei der Gestaltung der Wärmemuster bleibt der Schlüssel zur Vorhersage des globalen und regionalen Klimawandels und des Meeresspiegelanstiegs.“

Dana Nuccitelli, ein nicht an der neuen Arbeit beteiligter Umweltwissenschaftler, sagte dem Guardian: „Die Erwärmungsrate der Ozeane hat mit der Beschleunigung der globalen Erwärmung zugenommen, und der Wert liegt in den letzten Jahrzehnten zwischen etwa drei und sechs Hiroshima-Bomben pro Sekunde, je nachdem, welcher Datensatz und welcher Zeitrahmen verwendet wird. Diese neue Studie schätzt die Erwärmungsrate der Ozeane auf etwa drei Hiroshima-Bomben pro Sekunde für den Zeitraum von 1990 bis 2015, was am unteren Ende anderer Schätzungen liegt.“

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