Politik-Simulation „World Climate“
Viele Menschen finden Klimaschutz gut, doch den Schritt zum echten Engagement tun wenige. Spiele gelten als Mittel für aktives Lernen, zum Beispiel die Politik-Simulation „World Climate“ von Climate Interactive. Forscher haben nun die Wirksamkeit dieses Spiels getestet – mit positiven Ergebnissen, schreibt Stephanie Eichler im Portal Klimafakten.
Viele Klimaschutz-Praktiker haben es selbst erfahren: Aufklärung und Fakten allein genügen selten, um Menschen zu einem klimafreundlichen Verhalten zu bewegen. Auch Andrew P. Jones ging es so, einem der Gründer des US-amerikanischen Thinktank Climate Interactive. „Wir sagen gern: ‚Guckt mal, Leute, es gibt hier diese Studie, die zeigt, wie wichtig Klimaschutz ist!‘ Doch das bringt leider nicht viel.“
Jones aber beließ es nicht bei der Einsicht, sondern ging gemeinsam mit anderen Forscherinnen und Forschern neue Wege: Ein Team unter Leitung von Juliette Rooney-Varga von der Climate Change Initiative der University of Massachusetts in Lowell entwickelte das Rollenspiel „World Climate“, in dem Laien die Folgen von Klimawandel und Klimapolitik selbst erleben können. In einer Studie im Fachjournal PLOS One berichtet die Gruppe nun, das Spiel könne bei 80 Prozent der Teilnehmenden die Motivation fördern, das Klima zu schützen.
Bei „World Climate“ erfahren die Spieler die Folgen ihres eigenen Tuns
Mehr als tausend Mal in 85 Ländern ist „World Climate“ in den vergangenen Jahren gespielt worden. Dabei schlüpfen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in die Rolle nationaler Delegierter bei UN-Klimaverhandlungen. Während Vertreter von Entwicklungsländern während des Spiels auf dem Boden sitzen müssen, nehmen die Repräsentanten wohlhabender Länder Platz an Tischen mit Getränken und Snacks. Ein zweiseitiges Briefing stimmt die Mitspielerinnen und -spieler ein – und liefert reichlich Argumente, die sie in den anschließenden Diskussionen untereinander verwenden können. So lesen etwa die Vertreter der Entwicklungsländer: „Die reichen Länder müssen umfassende Maßnahmen ergreifen, die ihrem früheren Verschulden des Problems entsprechen. Wir werden nicht weiterhin den Preis für ihre bisherigen Emissionen zahlen.“ Im Briefing der EU-Delegierten hingegen heißt es: „Die Entwicklungsländer betonen, dass eine Verringerung ihrer Emissionen eine umfangreiche finanzielle Unterstützung aus den Industrieländern erfordert. Da aber viele dieser Länder durch Korruption geprägt sind, erreicht die finanziele Unterstützung oft nicht ihr Ziel.“
Im Laufe des Spiels müssen sich dann die Länder-Gruppen auf ein globales Abkommen einigen, mit dem Ziel den Temperaturanstieg bis Ende des Jahrhunderts auf unter 2°C zu begrenzen – also genauso wie bei den echten UN-Klimagipfeln. Um die Folgen ihrer klimapolitischen Vorschläge abzuschätzen, benutzen die Mitspieler bei „World Climate“ den gleichen Simulator wie die UN-Delegierten in der wirklichen Welt. Am Computer wird dabei die gesamte Weltwirtschaft und Klimapolitik simuliert: So geben die Spielerinnen und Spieler beispielsweise ein, um wie viel Prozent sie die Treibhausgas-Emissionen ihres Landes senken werden – und erfahren nach wenigen Mausklicks die Folgen dieser Maßnahmen für den Klimawandel. Können die Mitspieler keinen ausreichenden Klimaschutz bewirken, deckt der Spielleiter über die eine oder andere Gruppen eine blaue Plastikplane – damit wird symbolisiert, dass bei ungebremstem Meeresspiegelanstieg ganze Länder verschwinden werden.
Die Spielerinnen und Spieler waren hinterher zu mehr Klimaschutz bereit
Mehr als 50.000 Menschen weltweit haben nach Angaben der Initiatoren bisher an dem Rollenspiel teilgenommen, das jeweils zwei bis drei Stunden dauert. 2.000 von ihnen aus acht Ländern und vier Kontinenten, vom Mittelstufenschüler bis zum Wirtschaftsmanager, wurden von den Forschern für ihre PLOS-Studie befragt – zu dem Team gehörte auch der Wirtschaftswissenschaftler Florian Kapmeier von der ESB Business School im baden-württembergischen Reutlingen.
Für die Studie wurden die Mitspieler aufgefordert, auf einer Skala von eins bis fünf ihre Einstellungen und Gefühle in Bezug auf den Klimawandel zu bewerten – und zwar vor wie auch nach der Teilnahme an dem Spiel. So mussten die Testpersonen beispielsweise angeben, ob sie angesichts der globalen Erwärmung eher „gelassen“ seien oder „wütend“, eher „hoffnungsvoll“ oder „hoffnungslos“. Außerdem wurde ihr Wissen über den Klimawandel abgefragt sowie ihre Bereitschaft, sich politisch zu engagieren, den eigenen CO2-Ausstoß zu reduzieren oder mit Freunden und Familie über die globalen Herausforderungen zu sprechen. Das Resultat der Forscher: „World Climate“ habe das Zeug dazu, Menschen zu klimafreundlicherem Verhalten zu motivieren.
Angst und Besorgnis wirkten im Rahmen des Spiels nicht negativ
Im Einzelnen trägt das Spiel laut Studie dazu bei, bei den Teilnehmern ein Gefühl großer Dringlichkeit auszulösen. Außerdem fördert das Spiel den Glauben daran, dass eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf unter zwei Grad möglich ist und dass darüber hinaus das Verhalten jedes einzelnen Menschen zählt. Das Forscherteam befasste sich auch mit der Frage, ob Angst zu mehr Klimaschutz motiviert oder eher lähmend wirkt. Ihr Ergebnis war tendenziell positiv, zumindest was Spielteilnehmer betrifft: Eine Zunahme ängstlicher Gefühle angesichts des Klimawandels ging bei den Testpersonen mit einem Erkenntnisgewinn zu den Ursachen und Folgen des globalen Temperaturanstiegs einher sowie mit einem größeren Wunsch, weiter dazuzulernen. „Wir vermuten, dass dieser positive Zusammenhang entsteht, weil ‚World Climate‘ keine ängstlichen Botschaften präsentiert, die dann Widerstand und Verweigerung hervorrufen können“, heißt es in der Studie. Stattdessen sei die Besorgnis bei den Spielerinnen und Spielern dadurch entstanden, dass sie die Folgen eigener Entscheidungen vor Augen geführt bekamen, die sie in dem Rollenspiel selbst trafen.
Den Lerneffekt der Simulation führt das Expertenteam darauf zurück, dass sich die Mitspielenden recht stark emotional beteiligen. Anstatt passiv Wissen aufzunehmen, ringen die Spielerinnen und Spieler um Lösungen. „Die Leute versetzen sich in ihre Rollen hinein und streiten sich, schreien einander manchmal an“, berichtet Mit-Initiator Jones, der auch an der Untersuchung beteiligt war. „Den größten Teil der Spielzeit waren die Testpersonen in Diskussionen verwickelt“, schreiben die Autoren. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schließen daraus, dass sich Menschen für den Klimaschutz motivieren lassen, wenn sie anhand wissenschaftlich fundierter Daten selbst darüber kommunizieren.
Nicht zu vergessen: „World Climate“ macht offenbar auch einfach Spaß
Zur Erklärung der positiven Wirkung verweisen die Forscher auch auf ein anderes bekanntes Phänomen: Menschen nehmen Botschaften bereitwilliger auf, wenn sie von Botschaftern kommen, die sie kennen und denen sie vertrauen. Und bei „World Climate“ kannten eben die meisten Spieler die anderen Mitspieler (oder lernten sie während des Spiels genauer kennen). Kaum zu unterschätzen ist sicherlich auch der Spaßfaktor: Immerhin 92 Prozent der Teilnehmenden gaben an, dass das Rollenspiel eine ansprechende Erfahrung gewesen sei, so die Studie.
Ein Wermutstropfen allerdings bleibt: Die Forscher haben nur gemessen, wie sich „World Climate“ auf die (bekundete) Klimaschutz-Motivation der Teilnehmer auswirkt. Ob sie sich nach dem Spiel tatsächlich stärker engagieren, müssten erst künftige Arbeiten klären. (Stephanie Eichler)
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