Soziales Nachhaltigkeitsbarometer des IASS: Bevölkerung will sozialen Ausgleich
Eine große Mehrheit der Bevölkerung steht weiterhin hinter der Energiewende – quer durch alle Bildungs-, Einkommens- und Altersgruppen. Die Befragten schätzen die Energiewende als Gemeinschaftsaufgabe ein, an der sie selbst mitwirken möchten. Kritik gibt es allerdings an der Umsetzung durch die Bundesregierung. Das sind zentrale Ergebnisse des 2018 zum zweiten Mal erstellten Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers zur Energiewende, das in Berlin vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS), der 100 prozent erneuerbar Stiftung und der innogy Stiftung für Energie und Gesellschaft vorgestellt wurde, die gemeinsam die Partnerschaft dynamis bilden. Über 6.500 Bürgerinnen und Bürger in Deutschland wurden zu ihren Einstellungen, Erfahrungen und Präferenzen der Energiewende befragt.
Die Bevölkerung wünscht sich zudem, dass es beim Klimaschutz schneller vorangeht – aber auch, dass soziale Gerechtigkeit stärker als bisher berücksichtigt wird. Skepsis gibt es noch bei der Bereitschaft, mehr für den Klimaschutz zu zahlen, eine relative Mehrheit möchte dafür eine Entlastung. Auch bei der Zustimmung zur Elektromobilität und der Investition in eine eigene Wind- oder Solaranlage gibt es Zurückhaltung.
Ortwin Renn, geschäftsführender Direktor am IASS sagt zu den Ergebnissen: „Die Menschen in Deutschland wollen die Energiewende und sie haben ein feines Gespür für ein ökologisches, sozial gerechtes Energiesystem und nachhaltigen Klimaschutz. Mit der Umsetzung der Energiewende verbinden jedoch viele inzwischen ein zu wenig abgestimmtes und geordnetes Vorgehen der Parteien – die kritische Sicht auf die Energiepolitik der Parteien hat stark zugenommen. Bemerkenswert ist, dass es vielen schlicht und ergreifend mit der Energiewende nicht schnell genug vorangeht. Gleichzeitig wollen sie aber, dass diejenigen, die unter den möglichen Belastungen der Energiewende leiden, auch solidarisch von den anderen unterstützt werden.“
Daniela Setton, Autorin der Studie und Senior wissenschaftliche Mitarbeiterin am IASS, sagte: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Menschen in Deutschland gleichermaßen Klimaschutz wie sozialen Ausgleich wollen. Beide Aspekte müssen in zentralen Bereichen der Energiewende stärker zusammengebracht werden, das ist eine der Kernaufgaben der Bundesregierung. So ist es fast der Hälfte der Befragten wichtig, dass der Windausbau an Land nicht gegen die vor Ort betroffene Bevölkerung durchgesetzt wird. Und die Einführung von CO2-Preisen dürfte nur mit einem für die Mehrheit überzeugenden und sichtbaren Kompensationsmechanismus ausreichend Akzeptanz finden. Eine zentrale politische Aufgabe ist aber auch, für die Menschen im Alltag praktikable, attraktive und bezahlbare Handlungsalternativen zum Verbrauch fossiler Energien zu schaffen, daran fehlt es noch, beispielsweise bei der Mobilität, aber auch beim Heizen.“
Für René Mono, geschäftsführender Vorstand der 100 prozent erneuerbar-Stiftung, zeigt das Barometer: „Wir können mit der Energiewende nicht weiter machen wie bisher. Die Menschen fordern eine gerechtere Verteilung der Kosten und einen lösungsorientierten Umgang mit Zielkonflikten. Vor allem aber erscheint ein Aspekt wichtig: Diejenigen, die von der Energiewende betroffen sind, müssen sich als Gewinner der Energiewende fühlen können, nicht als Leidtragende.“
Stephan Muschick, Geschäftsführer innogy Stiftung für Energie und Gesellschaft sagt: „Eine dezentrale, auch auf neuen technologischen Lösungen basierende Energiewende kommt ohne Menschen, die offen sind für neue Rollen, nicht aus. Vor diesem Hintergrund sollten einige Ergebnisse des Barometers als Weckruf verstanden werden – mehr zu werben und mehr Vertrauen zu schaffen für heute noch ungewohnte Anwendungen, inklusive einer verantwortungsvollen Nutzung von Daten.“
Julia Verlinden, MdB-Grüne: „Die Unterstützung für die Energiewende ist weiter riesig und mehr als der Hälfte der Menschen geht es unter der schwarz-roten Bundesregierung zu langsam voran mit dem Klimaschutz. Das ist kein Wunder, denn in den letzten zehn Jahren sind die CO2-Emissionen nicht wirklich gesunken. Bei Kohleausstieg, Verkehrswende oder Gebäudesanierung könnten wir längst viel weiter sein, wenn die Regierung unter Merkel ihre Hausaufgaben gemacht hätte.
Auch an der mangelnden sozialen Gerechtigkeit gibt es Kritik in der Bevölkerung. Und zwar zurecht. Beispielsweise verbrauchen einige Industrieunternehmen immer mehr Strom, ohne dafür die volle EEG-Umlage zu bezahlen. Das Nachsehen haben die übrigen Unternehmen und die Privathaushalte. Sie müssen die Rabatte für die Industrie mit ihren Beiträgen subventionieren. Die Bundesregierung muss die Industrieausnahmen endlich reduzieren und über den Steuerhaushalt finanzieren. Das schafft mehr Gerechtigkeit.“