Altmaier soll einheitlichen CO2-Preis einführen

Gutachten „Energiepreise und effiziente Klimapolitik“ des wissenschaftlichen Beirats des BMWi

„Einen Bruch“ nannte der Tagesspiegel-Background das Gutachten des bisher nahezu unbekannten Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) zum Thema „Energiepreise und effiziente Klimapolitik“, das „einen radikalen Neustart der deutschen Klimapolitik“ fordere. Background-Redakteur Christian Schaudwet wörtlich: „Weg mit dem Ansatz, dass der Staat es meist besser weiß als Wirtschaft, Verbraucher und Märkte. Stattdessen: Die Preise müssen die (Klima-)Wahrheit sprechen, den Rest erledigt dann der Markt.“

Keine Umwege mehr: BMWi – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Am 15.07.2019 veröffentlichte der Beirat sein neues 31seitiges Gutachten. Darin enthalten der Vorschlag zu einer Reform, welche die CO2-Verringerungskosten möglichst gering halten und die internationale Kooperation in der Klimapolitik fördern soll. Zur Erreichung beider Ziele sei ein einheitlicher CO2-Preis von zentraler Bedeutung.

Weil Deutschland sich zwar ehrgeizige Klimaziele gesetzt hat, bei der Verringerung der CO2-Emissionen aber nur langsam vorankommt, schlägt der Beirat schlägt eine umfassende Reform der Steuern und Abgaben auf den Energieverbrauch vor, die zwei Ziele verfolgt:

  1. Zum einen sollen die Klimaziele, die sich die Bundesregierung gesetzt hat, zu möglichst niedrigen Kosten für Haushalte, Unternehmen und Steuerzahler erreicht werden.
  2. Zum zweiten soll sie die internationale Kooperation in der Klimapolitik fördern. Zur Erreichung beider Ziele ist ein einheitlicher Preis für CO2-Emissionen von zentraler Bedeutung.

Reformvorschlag

Die bisherigen impliziten CO2-Steuern und Umlagen auf verschiedene Formen des Energieverbrauchs sollten abgeschafft und durch einen einheitlichen CO2-Preis ersetzt werden. Dazu sei es mittelfristig erforderlich, alle Sektoren in allen europäischen Ländern in den europäischen Emissionshandel einzubeziehen. Kurzfristig sollten in Deutschland separate Emissionsmärkte mit konvergierenden Preiskorridoren für die Sektoren „Gebäude“ und „Verkehr“ eingerichtet werden, die sich auch ohne europäische Einigung umsetzen lassen. Durch Vorgabe der im Zeitablauf fallenden Emissionsmengen könnten die Klimaziele erreicht werden. Die Funktion des Preiskorridors sei es, zu starke Belastungen von Haushalten und Unternehmen zu verhindern, die Erwartungen auf einen steigenden Preispfad zu fokussieren und Planungssicherheit für Investitionen in Emissionsvermeidung zu gewährleisten.

Auswirkungen der Reform

Durch den Wegfall der EEG-Umlage und der Stromsteuer wird elektrischer Strom für die privaten Haushalte und große Teile des verarbeitenden Gewerbes deutlich billiger. Gleichzeitig wird der Zertifikatepreis für Heizöl und Erdgas zügig ansteigen. Die Abgaben für Benzin und Diesel gleichen sich an und steigen moderat. Dadurch lohnen sich Investitionen in Elektromobilität, Gebäudesanierung und Wärmepumpen, was wiederum zusätzliche Investitionen in regenerative Energien induziert. Ein einheitlicher CO2-Preis führt dazu, das Investitionen in den Klimaschutz genau da und dann erfolgen, wo sie zu den geringsten Kosten möglich sind. Auf das teure Mikromanagement des Staates (z.B. Flottenregulierung der Automobilindustrie, verordneter Kohleausstieg etc.) kann verzichtet werden.

Finanzierung und Verwendung der Einnahmen

Mit den Einnahmen aus der Versteigerung der Emissionsrechte sollten zunächst entfallene Steuern und Abgaben kompensiert werden. Darüber hinaus gehende Einnahmen, die sich im Zeitablauf bei steigenden CO2-Preisen ergeben, sollten nicht in den allgemeinen Staatshaushalt fließen. Der Beirat empfiehlt stattdessen, die Einnahmen zweckgebunden für komplementäre Klimaschutzinvestitionen oder für die Auszahlung einer direkten, pauschalen Klimadividende zu nutzen.

Carbon Leakage durch internationale Kooperation vermeiden

Langfristig kann Klimaschutz nur gelingen, wenn es internationale Kooperation und einen international einheitlichen Mindestpreis für CO2 gibt. Die Koordination der Klimapolitik in der EU ist unverzichtbar. Wenn Länder außerhalb der EU keine CO2-Bepreisung vornehmen, muss über einen Grenzausgleich nachgedacht werden, damit die Wettbewerbsbedingungen nicht verzerrt werden.

Denn eine verstärkte Belastung des CO2-Ausstoßes im Inland könne zur Folge haben, dass Produktion ins Ausland (in dem CO2-Emissionen nicht oder in geringerem Umfang mit Abgaben belastet werden) abwandert. Andererseits könne eine Verringerung der Nachfrage nach fossilen Brennstoffen im Inland dazu führen, dass sich hierzulande nicht mehr nachgefragte Mengen in andere Länder verlagern, wenn die Nachfrageminderung nicht zu einer Verminderung der Ressourcenextraktion führt. Über fallende Weltmarktpreise für Öl, Gas und Kohle kommt es zu einer höheren Nachfrage in anderen Ländern, die keine CO2-Abgaben erheben. Dadurch wird der verringerte CO2-Ausstoß im Inland konterkariert, je nachdem wie die Ressourcennachfrage im Ausland und die Ressourcenanbieter reagieren.

Beide Formen des Carbon Leakage lassen sich vermeiden, wenn international einheitliche CO2-Abgaben eingeführt und die weltweiten Extraktionsmengen wirksam verringert werden. Je mehr Staaten sich daran beteiligen, desto geringer ist die Gefahr von Carbon Leakage. Darum ist es für den Klimaschutz von entscheidender Bedeutung, die CO2-Bepreisung international zu koordinieren

Der Wissenschaftliche Beirat bestimmt den Gegenstand seiner Beratungen selbst und berät seit 1948 den Bundesminister für Wirtschaft und Energie unabhängig in allen Fragen der Wirtschaftspolitik. Die 38 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tagen fünf Mal im Jahr, beraten sich zu selbstgewählten Themen und veröffentlichen ihre Ergebnisse anschließend in Form von Gutachten.

Solarify erinnert sich daran, dass Minister Altmaier zu Beginn seiner Amtszeit im kleinen Kreis gesagt haben soll, er wolle während seiner Periode das Wort „CO2-Preis“ nicht hören. Mal sehen, ob und wie schnell er umdenkt.

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