Größte Effizienz-Siedlung der Welt

Aktiver Heidelberger Stadtteil Bahnstadt in Passiv-Bauweise
Mit freundlicher Genehmigung von Bernward Janzing

In Heidelberg entsteht die größte Effizienz-Siedlung der Welt – die Bahnstadt. Der Passivhaus-Standard für die Wohnhäuser wurde von vorn eherein verbindlich festgeschrieben; für andere Gebäude musste die Stadtverwaltung die Details erst noch definieren. Der Baumarkt hat die Auflagen geschafft, das Kino mit seinen 15 Sälen ebenso wie die Kindergärten, eine Schule, das Bürgerzentrum, die Feuerwache und ein Wellnesscenter. Allesamt sind die Gebäude des neuen Heidelberger Stadtteils Bahnstadt in Passiv-Bauweise konzipiert. In der Summe ergibt sich daraus die größte Passivhaus-Siedlung der Welt, wie die nordbadische Universitätsstadt stolz verkündet.

HD-Bahnstadt aus der Luft – Screenshot © Venus_heidelberg-bahnstadt.de

Auf der 116 Hektar großen Fläche nahe des Hauptbahnhofs ist der Passivhaus-Standard verbindlich vorgeschrieben. Die Baumarkt-Leitung, so erzählt man in der Stadt, habe anfangs geglaubt, die Verwaltung würde für sie doch wohl eine Ausnahme machen. Aber daraus wurde nichts – solche Ausnahmen gab es nicht. Nun steht das Gebäude mit seiner 9800 Quadratmeter großen Verkaufs- und Lagerhalle am Rande des neuen Stadtteils und hält ebenso selbstverständlich den Effizienzstandard ein, wie alle anderen Objekte. Sogar die vorgeschriebene Dachbegrünung wurde auf dem Gebäude umgesetzt – was die Baumarktkette nun auch an anderen Standorten realisiert hat.

0.13 Tonnen CO2 pro Person und Jahr

„Ein Stadtteil mit internationalem Modellcharakter“ freut man sich im Rathaus, wo man nachgerechnet hat: Die gebäudebezogenen CO2-Emissionen lägen in der Bahnstadt nur noch bei 0.13 Tonnen pro Person und Jahr – eine Einsparung von rund 94 Prozent gegenüber anderen Gebäuden in Heidelberg. Im Schnitt kommt man in der badischen Kommune, in der rund 160.000 Menschen leben, auf zwei Tonnen pro Person und Jahr.

Ein Sprecher von Bürgermeister Eckart Würzner (parteilos) verweist denn auch auf die lange Historie Heidelbergs als Umweltstadt. Man habe sich schon Anfang der 1990er Jahre den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben. Bereits 1997 starteten Stadt und Stadtwerke zusammen ein ambitioniertes Förderprogramm für Solarstrom, das eine kostendeckende Vergütung bis 1.58 Mark je Kilowattstunde gewährte. Bald darauf wurde in Heidelberg mit 300 Kilowatt die größte Gemeinschaftsanlage Deutschlands gebaut. „Stadt der Zukunft“ nannte sich Heidelberg schon damals.

Neue Maßstäbe

Heute, da die Photovoltaik längst etablierte Technik ist, geht es darum, das Bauen neu zu denken. Da das Bahnstadt-Viertel eines der größten Stadtentwicklungsprojekte in ganz Deutschland ist, hatte man dort die Chance, neue Maßstäbe zu setzen. Bis zur Fertigstellung werden rund zwei Milliarden Euro investiert.

Den Passivhaus-Standard verbindlich festzuschreiben, sei formal nicht schwierig gewesen, heißt es seitens der Stadtverwaltung. Die Stadt habe das Areal gekauft, auf dem sich früher der Güter- und Rangierbahnhof befand. Anschließend verkaufte sie die Grundstücke weiter an die Bauträger und schrieb die entsprechenden baulichen Verpflichtungen in die Kaufverträge hinein.

Für die Nichtwohngebäude musste man die bautechnischen Details allerdings erst noch definieren. Welche energetischen Kennwerte legt man etwa für einen Baumarkt zugrunde? Dass eine Halle, die so hoch ist wie drei gewöhnliche Stockwerke, nicht anhand der sogenannten Energiebezugsfläche bewertet werden kann, versteht sich von selbst. „Das war natürlich Neuland. Oft ging es um Einzelfallentscheidungen“, sagt Robert Persch vom Heidelberger Amt für Umweltschutz. Deshalb sei Pragmatismus beim gesamten Vorgehen unbedingt nötig gewesen.

Grundsatz von maximal 15 kWh pro Quadratmeter

Als grundsätzliches Kriterium eines Passivhauses gilt ein Jahresheizwärmebedarf von maximal 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Mit dem Energiebilanzierungs- und Planungstool PHPP (Passivhaus Projektierungs-Paket), das vom Passivhaus-Institut in Darmstadt erarbeitet wurde, wird dieser ermittelt. Der Kennwert gilt auch für Nichtwohngebäude, ebenso wie die Vorgabe zur Luftdichtheit des Gebäudes. Der Luftaustausch pro Stunde durch unkontrollierte Fugen muss beim Test mit einem Unter-/Überdruck von 50 Pascal kleiner sein als das 0.6-fache des Hausvolumens. Weil die Einhaltung dieses Wertes zwingend mit einem Differenzdruck-Messverfahren (meistens als Blower-Door-Test bezeichnet) nachgewiesen werden muss, hat der Bauherr zugleich die Sicherheit, dass alle am Bau beteiligten Handwerker präzise Arbeit leisten.

Eine Gebäudehülle, die so luftdicht ist, braucht zwingend eine kontrollierte Be- und Entlüftung. Immer wieder kursiert daher das absurde Gerücht, man könne oder dürfe in Passivhäusern die Fenster nicht öffnen. „Natürlich öffnen wir Fenster, wann wir wollen!“ zitiert das Passivhaus Institut einen Bewohner der Bahnstadt. Speziell den zur nächtlichen Abkühlung im Hochsommer nötigen Luftwechsel erreiche man am besten mit geöffneten Fenstern, betont das Institut in seiner Wissensdatenbank.

Folgt: Gekühlt wird mit Fernwärme