RBB-Kontraste: Manche VW-Diesel wegen „Thermofenster“ nach Update schmutziger
SUV – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für SolarifyVW-Diesel stoßen trotz Software-Updates noch immer zuviel Schadstoffe aus. Wie das ARD-Politikmagazin Kontraste (RBB: „Diesel-Skandal – Immer noch illegale Abschalteinrichtungen in VW-Modellen?“) herausfand, wird die Abgasreinigung deutlich gedrosselt, sobald die Temperatur unter 15 Grad fällt oder über 33 Grad steigen. Neues Wort: „Thermofenster“. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer hat zahlreiche Verurteilungen von Abgas-Betrügern aufgelistet.
Wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung: VW-Käufer hat Anspruch auf Schadensersatz
Das Landgericht Düsseldorf hat die Volkswagen AG entsprechend dazu verurteilt, dem Käufer eines VW Tiguan 2.0 TDI den Kaufpreis (abzüglich einer Nutzungsentschädigung) zu erstatten und das Fahrzeug zurückzunehmen. Das Gericht verwies darauf, dass das Fahrzeug aufgrund eines nur unzureichend ausgeführten Software-Updates und eines daraus resultierenden „Thermofensters“ weiterhin über eine unzulässige Abschaltvorrichtung im Sinne der europäischen Vorschriften verfüge und der Käufer hierüber nicht ausreichend aufgeklärt wurde. Die Abgasreinigung durch das Update war vielmehr dergestalt programmiert worden, dass sich ein „Thermofenster“ ergibt. Außerdem wird die Abgasreinigung ab einer Höhe von 1000 m ausgeschaltet.
„Auch das Thermofenster ist eine Abschalteinrichtung und damit illegal“
VW hatte argumentiert, das Thermofenster sei notwendig, um den Motor vor Schaden zu schützen und beruft sich dabei auf eine Ausnahmeklausel in der betreffenden Verordnung. Der Darmstädter Verwaltungsrechtler Martin Führ hält solche Thermofenster schlicht für illegal: „Auch das Thermofenster ist eine Abschalteinrichtung, und Abschalteinrichtungen sind verboten. Der Begriff verschleiert den Umstand, dass die Abgasreinigung ausgeschaltet wird; es sind weite Bereiche der normalen Temperaturen, die wir hier in Mitteleuropa haben, nicht erfasst, und das ist nicht erlaubt.“
Daimler verurteilt
Das Landgericht Stuttgart hat die Daimler AG zur Zahlung von 85% des Kaufpreises, sowie Erstattung aller Kosten des Rechtsstreits verurteilt (Az: 46 O 101/19). Eine Mercedesfahrerin war die Mercedes E-Klasse, die beim Kauf einen Kilometerstand von 20.000 Kilometer aufwies, 4 Jahre gefahren und hatte dabei 80.000 weitere Kilometer zurückgelegt. Somit liegt der Schadensersatz weit über dem eigentlichen, aktuellen Wert des Autos, obwohl eine Nutzungsentschädigung abgezogen wurde.Aufsehen erregte das Urteil auch deshalb, weil die betroffene E-Klasse bisher nicht Teil eines offiziellen, vom Kraftfahrt-Bundesamt angeordneten Rückrufs ist. Auch Fahrer, deren Mercedes bisher nur Teil der von Daimler so genannten freiwilligen Kundendienstmaßnahme ist, haben also gute Chancen auf Schadensersatz.
Europäischer Gerichtshof eingeschaltet – Für Volkswagen könnte es eng werden
Obwohl es VW mit allen Mitteln zu verhindern versucht hat, hat das Landgericht Gera angekündigt, zentrale Fragen des Abgasskandals dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen. So wurden kurz vor dem Termin in vielen Verfahren die Forderungen der Kläger erfüllt. Die Kaufpreise wurden sogar ohne Abzug von Nutzungsersatz erstattet. Offensichtlich konnte Volkswagen allerdings nicht alle Verfahren auf diese Weise beenden. In einem Fall hat das Landgericht Gera nun diverse Fragen zum Abgasskandal dem EuGH vorgelegt.
VW Abgasskandal – 100 Millionen Dollar an US-Autobesitzer, falsche Angaben zum Spritverbrauch
Nach Presseberichten hat die Volkswagen AG in den USA falsche Angaben zum Benzinverbrauch gemacht. Hiergegen haben sich zahlreiche Käufer gewehrt. Nun möchte man sich mit den betroffenen Kunden einigen und an diese knapp 100 Millionen Dollar überweisen. Kunden die betroffen sind, sollen pro Monat, zwischen 5,4 und 24,3 Dollar Entschädigung erhalten. Die Wiedergutmachung des Abgasskandals hat den Wolfsburger Konzern allein in den USA umgerechnet mehr als 25 Milliarden Euro gekostet. Einschließlich Bußgeldern in Deutschland und weiteren Rückstellungen summieren sich die Kosten inzwischen auf mehr als 30 Milliarden Euro.
Schadensersatzansprüche auch nach Verkauf des Fahrzeugs – Oberlandesgericht Koblenz verurteilt die Volkswagen AG
Laut der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer schuldet die Volkswagen AG einem betroffenen Kunden Schadenersatz: Der Kläger erwarb am im Jahre 2012 neuen VW Golf Plus 1.6 TDI, mit einem Dieselmotor des Typs EA 189. Nachdem der Klägerin feststellte, dass Ihr Fahrzeug auch manipuliert ist, entschloss Sie sich gegen die Volkswagen AG wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung zu klagen. Bereits das Landgericht Koblenz gab dem Kläger im Wesentlichen Recht und verurteile Volkswagen zu Zahlung von Schadensersatz. Das Oberlandesgericht Koblenz hat dies nun bestätigt. Dem Kläger stehe ein Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu.
Anwälte klagen gegen Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz aus Staatshaftung und kündigen massenhaft Klagen an; Bundesminister Scheuer am Pranger
Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer, im Abgasskandal mit mehr als 12.000 Klagen befasst, erhebt für zahlreiche Geschädigte gegen die Bundesrepublik Deutschland Schadensersatzklagen aus Staatshaftung. Es wurden bereits mehr als 40 Verfahren eingeleitet und Hunderte weitere werden folgen. Die Kanzlei wirft den handelnden Organen des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) ein Staatsversagen vor. Die Geschädigten sollen daher Schadensersatz von der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Sie sollen ihr Fahrzeug ohne Zahlung einer Nutzungsentschädigung zurückgeben können. Über all die Jahre will weder der zuständige Minister Scheuer noch sein Vorgänger Dobrindt etwas über Manipulationen gewusst haben.
Auf Anfragen des ARD-Magazins Kontraste hätten Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und sein Ministerium ausweichend reagiert. In einer schriftlichen Antwort habe es geheißen: „Das KBA prüft fortlaufend (…) Fahrzeuge und geht Hinweisen – selbstverständlich auch denen des Düsseldorfer Landgerichts – nach.“ Experten gehen laut RBB davon aus, dass nicht nur VW, sondern so gut wie alle Diesel-Hersteller mit fragwürdigen Thermofenstern arbeiten. Noch sei die Rechtsprechung uneinheitlich, eine höchstrichterliche Entscheidung gebe es bislang nicht. Doch der Druck auf Autoindustrie und Verkehrsministerium nehme zu.
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