Ablasshandel oder ernsthafter Ausgleich

Atmosfair steigt bei Klima-Kompensation für Kreuzfahrten aus

„Ablasshandel“, sagen die einen, die anderen verteidigen CO2-Kompensationen als wichtige Ausgleichsmöglicheit. Besonders umstritten sind dabei Kreuzfahrten. Inzwischen gibt es den dafür nötigen Klimarechner aber nur noch bei My Climate, denn Atmosfair stuft Kreuzfahrten nicht mehr als kompensationsfähig ein. My Climate ist damit derzeit einziger Anbieter. Besonders kritisch werden Umweltfolgen der Schiffsemissionen, Überlastung der Häfen und Küstenstädte und schlechte Arbeitsverhältnisse gesehen. Dennoch steigen die Gästezahlen; immer größere schwimmende Vergnügungspaläste und Bettenburgen werden gebaut und kurven schon bis in arktische Gewässer.

Schiffsabgase im Hafen von Malaga – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Wie das Fachportal Cruisetricks berichtet, kooperierte Atmosfair früher mit Reedereien wie Hapag-Lloyd Cruises oder AIDA Cruises. Atmosfair erklärte zur Einstellung seines Klimarechners für Kreuzfahrten: „Die Klimaschutzinitiativen der Kreuzfahrtbranche erscheinen uns in Anspruch und Geschwindigkeit als deutlich zu wenig für die Pariser Klimaziele. Deswegen haben wir unsere Einschätzung geändert. Beispielsweise wird synthetisch erzeugtes und damit klimaneutrales LNG als Treibstoff noch nicht aufgegriffen. Bei dem unzureichenden Eigenbeitrag der Branche würde die CO2-Kompensation das falsche Signal senden.“ Laut Bluewin sagte Atmosfair-Geschäftsführer Dietrich Brockhagen: „Wir sind nach der Kooperation mit Aida zu der Überzeugung gekommen, dass der Eigenbeitrag der Branche nicht stimmt“. Anstrengungen und Geschwindigkeit der bislang von den Reedereien ergriffenen Maßnahmen reichten für die Paris-Grenze nicht aus. Es gebe technisch reife Klimalösungen wie synthetisch erzeugtes LNG, welche die Branche aber nicht aufgreife. „Da wirkt dann die CO2-Kompensation wie vorgeschoben“.

Wie viel CO2 und andere Klimagase der einzelne Urlauber auf einer Kreuzfahrt verursacht, ist nicht leicht zu berechnen, erklärt das Portal Cruisetricks.de. Die Reedereien Aida und Tui Cruises wiesen zwar Durchschnittswerte pro Tag und Passagier aus. Diese jedoch auf einzelne Schiffe oder Reisen herunterzurechnen, sei kaum möglich. Daher sind auch die Beträge, die Urlauber als Kompensation zahlen, je nach Anbieter und Klimarechner teils sehr unterschiedlich.

Klimakompensation: CO2-Ausstoß von Kreuzfahrtschiffen berechnen

berichtete am 04.10.2019 auf cruisetricks.de darüber: Kompensation sei zwar ein schwieriges Thema, denn es mache „CO2-Ausstoß nicht ungeschehen“. Aber anders als der gern zitierte Ablasshandel reduziere sie im Idealfall an anderer Stelle die Entstehung von CO2 gleicher Menge. Wie gut das funktioniere, hänge von der Qualität des jeweiligen Projektes ab – und da müsse man im Wesentlichen den Organisationen wie Atmosfair oder My Climate vertrauen. Der derzeitige Klimarechner von My Climate berücksichtige Kabinengröße, Bettenzahl, Kreuzfahrtdauer und Anzahl der Seetag, daraus ermittle er die anteilige Menge am CO2-Ausstoß. Dieser Wert werde dann in eine Kompensationszahlung umgerechnet. „Bei einer siebentägigen Kreuzfahrt in einer Standardkabine, belegt mit zwei Personen auf einem Schiff mit mehr als 3.000 Passagieren ergibt diese Rechnung beispielsweise einen CO2-Ausstoß von 1.300 Kilogramm pro Person, was My Climate in einen Betrag von 29 Euro umrechnet. Per Spendenbescheinigung von My Climate ist das dann sogar steuerlich absetzbar.“ (Atmosfair habe bei seinem früheren Klimarechner für eine ähnliche Kreuzfahrt einen CO2-Wert von 3.300 Kilogramm und eine Kompensationszahlung von 69 Euro errechnet). Das Zustandekommen dieser Werte ist laut Neumeier „nicht sonderlich transparent“. Die errechneten CO2-Werte unterschieden sich erheblich von denen der Reedereien wie AIDA oder TUI Cruises. Vor allem aber blieben bei den Berechnungen des aktuellen Klimarechners von My Climate das Alter des Schiffs unberücksichtigt, das typischerweise einen erheblichen Einfluss auf den Treibstoffverbrauch und damit auf den CO2-Ausstoß habe. Ebenso wenig würden die mit welcher Geschwindigkeit tatsächlich gefahrene Distanz und Hafenliegezeiten gesondert berechnet.

Neumeiers Kollege und Kreuzfahrt-Analyst Thomas Illes sieht übrigens in einem lesenswerten Interview für das Schweizer Portal Travelnews mit dem Titel „Die Cruise Industrie verhielt sich zu zögerlich“ ebenfalls Defizite. Er stellt aber auch heraus, dass die Kreuzfahrtindustrie immer wieder wichtige Beiträge für das Vorankommen des Umweltschutzes in der Schifffahrt insgesamt geleistet habe, das aber zu wenig kommuniziere und zugleich Dinge verspreche, die nicht haltbar seien und vorhandene Probleme verschweige.

CO2-Ausstoß einer Kreuzfahrt selbst berechnen

Je nach Reederei sei es aber auch nicht schwierig, den ungefähren CO2-Ausstoß einer Kreuzfahrt selbst zu ermitteln, die Werte aus den Umweltberichten auf einzelne Schiffe oder Reisen herunterzubrechen, sei dagegen kaum möglich, weil die nötigen Daten dafür fehlten. Die beiden größten deutschen Reedereien gehen unterschiedliche Wege. Während TUI Cruises seien Kunden die Dienste von My Climate empfehle, habe AIDA die 2015 vereinbarte Kooperation mit Atmosfair 2018 beendet. Zu wenige Kunden seien bereit gewesen, freiwillig die CO2-Emission ihrer Kreuzfahrten zu kompensieren. Daher, so ein AIDA-Sprecher, investiere man jetzt lieber direkt in Technologien, die den CO2-Ausstoß der Schiffe langfristig deutlich reduzieren können. Das hatte AIDA bereits 205 (siehe: solarify.eu/aida-verspricht-oeko-bilanz-der-flotte-zu-verbessern) versprochen – zwei Jahre später schien die Reederei dabei nicht übertrieben erfolgreich (solarify.eu/aida-doch-nicht-sauber).

->Quellen: