Klimawandel und Naturzerstörung verstärken einander

Erste planetare Belastungsgrenzen überschritten

Veränderungen in verschiedenen Bereichen unseres Erdsystems summieren sich nicht einfach – sie können einander verstärken. Das Überschreiten der planetaren Belastungsgrenze in einem Bereich kann den vom Menschen verursachten Druck auf andere planetare Grenzen erhöhen. Zum ersten Mal hat ein internationales Forscherteam unter Leitung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung nun einige der planetaren Wechselwirkungen im Erdsystem beziffert. Biophysikalischen Interaktionen haben die direkten menschlichen Auswirkungen auf die neun planetaren Grenzen fast verdoppelt, vom Klimawandel bis zur Süßwassernutzung. Diese Erkenntnisse können jetzt für die Entwicklung von Politikmaßnahmen zur Sicherung der Lebensgrundlagen kommender Generationen genutzt werden. In der schlechten Nachricht steckt auch eine gute: Die Zerstörung von Natur und der Klimawandel stehen zwar in einem einander verstärkenden Wechselverhältnis, doch dieser negative Kreislauf lässt sich aufbrechen, wenn die Politik schnell handelt. Manuel Först dazu am 21.12.2019 in energiezukunft.

Bereits 2009 hatte Johan Rockström, inzwischen Direktor des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, gemeinsam mit anderen Forschern das Konzept der ökologischen Belastungsgrenzen vorgestellt. Das Konzept zeigt neun zentrale natürliche Systeme und Prozesse der Erde, die planetare Belastbarkeitsgrenzen aufweisen. Einer 2015 aktualisierten Arbeit zu Folge ist die Intaktheit der Biosphäre bereits stark gefährdet, vor allem aufgrund des fortschreitenden weltweiten Artensterbens. Auch die Nährstoffkreisläufe aus Stickstoff und Phosphor haben ihre Belastungsgrenzen bereits weit überschritten. Klimawandel und der Wandel der Landnutzung haben ihren sicheren Handlungsspielraum ebenfalls verlassen, auch wenn die Ausmaße noch nicht katastrophal sind.

Die Forschungen dauern weiter an: Einige Teilbereiche der planetaren Belastungrenzen konnten noch nicht definiert werden – wie die funktionale Vielfalt innerhalb der Intaktheit der Biosphäre. Die Genetische Vielfalt hingegen hat ihre Belastbarkeitsgrenze nachweisbar weit überschritten – Grafik © Stockholm Resilience Center, J. Lokrantz/Azote based on Steffen et al. 2015.

Die neueste und überarbeitete Auflage des Konzepts von Rockström und Co. zeigt nun auf, wie eng die planetaren Belastungsgrenzen zusammenwirken. Vor allem die Intaktheit der Biosphäre, also der Erhalt der Natur, und der Klimawandel stehen in enger Wechselwirkung zueinander. „Das zeigt, wie fatal eine Destabilisierung dieser beiden sein kann“, sagt Rockström. „Die daraus resultierenden Kaskaden und Rückkopplungen verstärken die menschgemachten Veränderungen des Erdsystems und verkleinern damit den sicheren Handlungsraum für unsere Kinder und Enkelkinder.“

Brasilien und Australien stehen in Flammen

In Brasilien lässt sich diese fatale Wechselwirkung derzeit beobachten. Dort droht die endgültige Zerstörung des Regenwaldes und damit der Wegfall der wichtigsten Kohlenstoffsenke dieses Planeten. Durch die von der Politik angetriebenen Brandrodungen schrumpft der Regenwald immer weiter zusammen. Brandrodungen, die vor allem für den Ausbau der Landwirtschaft geschehen. Wenn der Regenwald auf 20 bis 25 Prozent seiner ursprünglichen Fläche schrumpft, kann er nicht mehr genug Niederschlag erzeugen, um sich selbst zu erhalten, warnt die Ökonomin Monica de Bolle in einer für das US-Repräsentantenhaus erstellten Analyse. Und das Klima würde sich nicht nur lokal verändern. Es droht ein weltweiter Temperaturanstieg, der auch negative Folgen für die brasilianische Landwirtschaft hätte.

Australien leidet derzeit ebenfalls unter verheerenden Waldbränden. Bislang galten die Buschbrände als klimaneutral, da der nachwachsende Wald, etwa dieselbe Menge CO2 wieder speicherte. Doch die anhaltende Trockenheit auf dem australischen Kontinent, einhergehend mit dem Klimawandel, sorgt für veränderte Konditionen. Bäume wachsen unter diesen Umständen langsamer nach und sind anfälliger für erneute Brände. Trotzdem agiert Australien bei Bemühungen für den Klimaschutz träge und bremste auf der Klimakonferenz in Madrid vergangene Woche wirksame Maßnahmen.

PIK-Potsdam-Medienmitteilung zur Studie „Erdsysteminteraktionen verstärken die menschlichen Einflüsse auf die planetarischen Grenzen“ (Nature Sustainabillity 12-2019)

„Wir haben ein dichtes Netzwerk von Wechselwirkungen zwischen den planetaren Grenzen gefunden“, sagt Rockström, Mitautor der Studie. Zwei Kerngrenzen – Klimawandel und Integrität der Biosphäre – tragen mehr als die Hälfte der kombinierten Stärken aller Wechselwirkungen in diesem Netzwerk bei, finden die Wissenschaftler. „Das zeigt, wie vorsichtig wir bei der Destabilisierung dieser beiden Bereiche sein sollten“, so Rockström. „Die daraus resultierenden Kaskaden und Rückkopplungen verstärken die menschlichen Einflüsse auf das Erdsystem und verkleinern damit den sicheren Handlungsspielraum für unsere Kinder und Enkel.

Das Abbrennen der Tropenwälder zur Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzflächen beispielsweise erhöht den CO2-Gehalt in der Atmosphäre. Die zusätzlichen Treibhausgase tragen zum globalen Temperaturanstieg bei, die Schäden an den Wäldern werden zu Schäden an der Klimastabilität. Der Temperaturanstieg kann wiederum die Belastung der Tropenwälder und der Landwirtschaft weiter erhöhen. Die daraus resultierende Wirkungsverstärkung ist auch ohne Berücksichtigung von Kippeffekten erheblich: Ab einer bestimmten Schwelle könnte der Amazonas-Regenwald rasche, nicht-lineare Veränderungen zeigen. Ein solches Kippverhalten käme jedoch zu der in der jetzt veröffentlichten Analyse hervorgehobenen Verstärkung hinzu.

Die neue Studie baut auf den bahnbrechenden Studien der Jahre 2009 und 2015 zum Rahmenwerk der planetaren Grenzen auf, die die neun kritischen Systeme identifiziert haben, die den Zustand des Planeten regulieren: Klimawandel, biogeochemische Ströme (insbesondere von Stickstoff und Phosphor), Veränderung der Landsysteme, Süßwassernutzung, Aerosolbelastung, Ozonabbau, Versauerung der Ozeane, Verlust der Integrität der Biosphäre einschließlich der Biodiversität und Einführung neuartiger Stoffe wie toxische Chemikalien und Kunststoffe. Die Art und Weise, wie man sich innerhalb der planetaren Grenzen verhält, ist von einem Ort zum anderen auf der Erde unterschiedlich, so dass die Berechnung dieser Grenzen und die Wechselwirkungen zwischen ihnen auf aggregierter Ebene nicht direkt in politische Maßnahmen umgesetzt werden können. Dennoch kann sie eine gewisse Orientierungshilfe bieten.

Nachhaltige Lösungen können einander verstärken

„Unsere Ergebnisse sind eine gute Nachricht für die politischen Entscheidungsträger“, schließt Rockström. „Wenn wir unseren Druck auf eine planetaren Grenze reduzieren, wird dies in vielen Fällen auch den Druck auf andere verringern. Nachhaltige Lösungen verstärken ihre Wirkung – das kann ein echter Gewinn für alle sein.“

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