Die zehn wichtigsten Punkte
Die Europäische Kommission hat am 11.12.2019 ihren mit Spannung erwarteten Green Deal präsentiert. Gleichzeitig wurde eine Reihe von Politikinitiativen präsentiert, die dafür sorgen sollen, dass Europa das Ziel von Netto-Null-Emissionen bis 2050 erreicht. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte den European Green Deal vor und versprach dabei, beim Weg zur klimaneutralen Wirtschaft bis 2050 werde „niemand zurück gelassen“. Euractiv dokumentiert ihn.
Von: Frédéric Simon | EURACTIV.com | translated by Tim Steins
In einem Video-Statement bezeichnete sie den ambitionierten Klimaplan als „Europas ‚Mann auf dem Mond‘-Moment“. Ziel sei es, „die Wirtschaft mit unserem Planeten in Einklang zu bringen“ und dafür zu sorgen, dass die Wirtschaft „für die Menschen arbeitet“, fügte von der Leyen hinzu. In dieser Hinsicht könne der Green Deal auch zu Europas neuer Wachstumsstrategie werden.
Europa wolle bei klimafreundlichen Industrien und sauberen Technologien eine Vorreiterrolle einnehmen, erklärte die ehemalige Bundesverteidigungsministerin. Sie fasste zusammen: „Ich bin überzeugt, dass das alte Wachstumsmodell, das auf fossilen Brennstoffen und Umweltverschmutzung basiert, veraltet ist und nicht mehr den Bedürfnissen auf unserem Planeten entspricht.“
Die zehn wichtigsten Punkte des Green Deal:
1. Ein „klimaneutrales“ Europa: Das übergeordnete Ziel des Green Deals. Die EU will sich bemühen, bis 2050 Netto-Null-Treibhausgasemissionen zu erreichen, ein Ziel, das in einem „Klimagesetz“ verankert wird, das im März 2020 vorgelegt werden soll.
In der Praxis bedeutet dies auch, dass die Klimaziele der EU aktualisiert werden. Die Treibhausgasemissionen sollen bis 2030 dann um 50 bis 55 Prozent (statt der bisherigen 40 Prozent) reduziert werden. Der 55-Prozent-Wert soll noch einer Kosten-Nutzen-Analyse unterzogen werden.
Die Kommission machte bereits deutlich, man wolle nichts unversucht lassen und plane daher, alle EU-Rechtsvorschriften zu überprüfen, um sie an die neuen Klimaziele anzupassen – beginnend mit den Richtlinien über erneuerbare Energien und Energieeffizienz, aber auch die Vorschriften zum Emissionshandel und die Verordnung über die Lastenverteilung sowie die berühmt-berüchtigte LULUCF-Richtlinie über Änderungen in der Landnutzung. Die entsprechenden Vorschläge sollen bis März 2021 im Rahmen eines Pakets vorgelegt werden.
Außerdem wird 2020 ein Plan zur „intelligenten Sektorintegration“ vorgestellt, der die Bereiche Strom, Gas und Wärme näher zusammenführt. Dies wird mit einer neuen Initiative einhergehen, mit der das „enorme Potenzial“ der Offshore-Windenergie besser genutzt werden soll, sagten Beamte.
2. Kreislaufwirtschaft: Im März 2020 wird auch ein neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft als Teil einer umfassenderen Industriestrategie der EU vorgelegt. Dazu gehöre eine nachhaltige Produktionspolitik mit „Vorschriften, wie wir Dinge herstellen“. So sollen weniger Materialien verbraucht und außerdem sichergestellt werden, dass Produkte wiederverwendet und recycelt werden können.
Kohlenstoffintensive Industrien wie Stahl, Zement und Textilien werden im Rahmen des neuen Kreislaufwirtschaftsplans ebenfalls bedacht. Ein Hauptziel ist demnach die Vorbereitung auf eine „saubere Stahlerzeugung“ mit Wasserstoff bis 2030, sagte ein EU-Beamter und erläuterte: „Warum 2030? Wenn man im Jahr 2050 eine saubere Industrie will, ist 2030 der letzte Investitionszyklus.“
Ebenfalls im kommenden Jahr soll es auch noch neue Gesetze zur Wiederverwendung und zum Recycling von Batterien geben.
3. Gebäude und Renovierung: Dieses Thema soll eines der Vorzeigeprogramme des Green Deal werden. Zentrales Ziel ist es, die Sanierungsrate von Gebäuden „mindestens zu verdoppeln oder gar zu verdreifachen“. Tatsächlich liegt die Rate EU-weit aktuell bei lediglich einem Prozent.
4. Keine Umweltverschmutzung: Egal, ob Luft, Böden oder Wasser: Ziel ist es, bis 2050 eine „schadstofffreie Umwelt“ zu erreichen. Zu den neuen Initiativen gehört beispielsweise eine Chemie-Strategie für eine „giftfreie Umwelt“.
5. Ökosysteme & Biodiversität: Im März 2020 wird im Vorfeld eines UN-Biodiversitätsgipfels, der im Oktober in China stattfindet, eine neue Biodiversitätsstrategie vorgestellt. Die EU will dabei „mit gutem Beispiel vorangehen“ und neue Maßnahmen gegen die Hauptursachen des Verlusts der biologischen Vielfalt ergreifen, sagte ein Kommissionsbeamter. Dazu gehören die bereits genannten Maßnahmen zur Bekämpfung der Boden- und Wasserverschmutzung sowie eine neue Forststrategie. „Wir brauchen mehr Bäume in Europa, sowohl in den Städten als auch auf dem Land,“ so der Beamte. Auch neue Kennzeichnungsvorschriften werden angedacht, um Produkte zu fördern, für deren Herstellung keine Abholzung oder Rodung erfolgt.
6. „Vom Hof auf den Tisch“: Eine neue Landwirtschaftsstrategie, die im Frühjahr 2020 vorgelegt werden soll, zielt auf ein „grünes und gesünderes“ Agrarsystem ab. Dazu gehören Pläne, „den Einsatz von chemischen Pestiziden, Düngemitteln und Antibiotika deutlich zu reduzieren“, erklärte ein EU-Beamter. Neue nationale Strategiepläne, die im kommenden Jahr von den Mitgliedstaaten im Rahmen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik vorgelegt werden sollen, werden demnach auch daraufhin geprüft, ob sie mit den Zielen des neuen Green Deal übereinstimmen.
7. Mobilität und Verkehr: Ein Jahr nachdem die EU neue CO2-Emissionsnormen für Autos verabschiedet hat, steht der Automobilsektor erneut im Fadenkreuz der Kommission. Das aktuelle Ziel ist es, bis 2021 Ausstöße von 95 Gramm CO2 pro Kilometer zu erreichen. Nun müsse man aber am Ziel Null Gramm arbeiten, sagte ein EU-Beamter. Dies werde für „irgendwann in den 2030er Jahren“ angepeilt.
Elektrofahrzeuge werden daher weiter gefördert. Ein Ziel ist es, bis 2025 eine Million öffentliche Ladestationen in ganz Europa bereitzustellen. „Nachhaltige alternative Kraftstoffe“ – damit sind Biokraftstoffe und Wasserstoff gemeint – werden verstärkt in der Luft- und Schifffahrt sowie im Schwerlastverkehr gefördert, wo eine Elektrifizierung derzeit nicht möglich ist.
8. Finanzen: Damit „niemand im Stich gelassen“ wird, will die Kommission – wie bereits angekündigt – einen Mechanismus für eine gerechte Energiewende einrichten. Damit würden Regionen unterstützt, die aktuell am meisten von fossilen Brennstoffen und der Kohleförderung abhängig sind. „Wir haben das Ziel, 100 Milliarden Euro zu mobilisieren, die genau auf die am stärksten gefährdeten Regionen und Sektoren ausgerichtet sind,“ sagte von der Leyen bei der heutigen Vorstellung des Green Deal.
Diese hundert Milliarden Euro sollen über drei Säulen generiert werden:
- Ein Fonds für die gerechte Energiewende, der finanzielle Ressourcen aus dem Budget für die EU-Regionalentwicklung erhält;
- das „InvestEU“-Programm, gespeist mit Geldern der Europäischen Investitionsbank;
- weitere EIB-Mittel aus dem Eigenkapital der Bank.
Jeder aus dem Fonds ausgegebene Euro könnte dabei durch zwei oder drei Euro aus der jeweiligen Region ergänzt werden, hieß es weiter. In diesem Zusammenhang werden die Leitlinien der EU für staatliche Beihilfen überprüft, so dass die nationalen Regierungen in der Lage wären, Investitionen in saubere Energie direkt zu unterstützen – mit Zustimmung der zuständigen Wettbewerbsdirektion der Kommission.
Den Regionen wird auch technische Hilfe angeboten, um ihnen dabei zu helfen, die Mittel unter Einhaltung der strengen Ausgabevorschriften der EU in Anspruch zu nehmen.
9. Wissenschaft und Innovation: Mit einem vorgeschlagenen Budget von 100 Milliarden Euro für die nächsten sieben Jahre (2021-2027) soll das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon Europe ebenfalls massiv zum Green Deal beitragen. 35 Prozent der EU-Forschungsförderung werden künftig für klimafreundliche Technologien bereitgestellt. Darauf hatte sich die EU bereits in diesem Jahr geeinigt.
10. Außenbeziehungen: Schließlich soll auch die EU-Diplomatie den Green Deal unterstützen. Eine Maßnahme, die in der Zukunft Aufmerksamkeit – und Kontroversen – auf sich ziehen dürfte, ist der Vorschlag für eine sogenannte CO2-Grenzsteuer. Da Europa seine Klimaambitionen erhöht, „erwarten wir, dass auch der Rest der Welt seine Aufgabe erfüllt“, erklärte ein EU-Beamter diesbezüglich. Wenn dies aber nicht geschehe, werde Europa „nicht so naiv sein“ und seine Industrien unfairem Wettbewerb aussetzen, fügte er hinzu.
Er offenbarte abschließend auch, dass die EU-Kommission bis 2030 selbst klimaneutral werden will, um mit gutem Beispiel voranzugehen: „Das ist ein mutiges Ziel. Aber wir stellen ja keinen Stahl her; das macht es einfacher.“
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