„Biokraftstoffe gießen Öl ins Waldbrandfeuer“

Deutsche Umwelthilfe und Rainforest Foundation Norway warnen

Eine neue Untersuchung zeigt zwar „vermehrte Nachfrage nach Palm- und Sojaöl, aber deren Anbau gefährdet Ökosysteme und trägt zur Klimakrise bei“, so Deutsche Umwelthilfe (DUH) und Rainforest Foundation Norway (RFN) in einer gemeinsamen Medienmitteilung. Daher müsse die Verwendung von Anbau-Biokraftstoffen „so schnell wie möglich eingestellt werden“. Die beiden NGOs fordern daher die Bundesregierung auf, bei der Umsetzung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie die Nutzung von Anbau-Kraftstoffen zu beenden.

Waldbrand - Foto © Agentur Zukunft für Solarify

Waldbrand – Foto © Agentur Zukunft für Solarify

Die Rainforest Foundation Norway präsentiert den Bericht so: „Ein neuer Bericht befasst sich mit den Auswirkungen der globalen Biokraftstoffpolitik auf die Abholzung der Tropenwälder. Vor allem Palmöl (li.) und Soja sind

Biokraftstoff-Rohstoffe, die mit einem hohen Entwaldungsrisiko verbunden sind. Der Bericht analysiert die Biokraftstoffpolitik in allen wichtigen Märkten und bewertet die Auswirkungen auf die Nachfrage nach Biokraftstoffen auf Palmöl- und Sojabasis im kommenden Jahrzehnt. Die Schlussfolgerungen des Berichts sind alarmierend.“

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Die derzeitigen Ambitionen für die Nutzung von Biokraftstoffen werden wahrscheinlich zu einem massiven Anstieg der Nachfrage nach Palmöl und Soja bis 2030 führen.
  • Die Gesamtnachfrage nach Palmöl könnte auf 61 Mio. Tonnen steigen, was 90% der derzeitigen Palmölproduktion entspricht, und die Nachfrage nach Sojaöl könnte auf 41 Mio. Tonnen steigen, was fast 75% der derzeitigen Produktion entspricht. (Szenario mit hoher Nachfrage).
  • Diese Zunahme würde zu einer geschätzten Abholzung von 7 Millionen Hektar führen, darunter bis zu 3,6 Millionen Hektar Torfabbau.
  • Die weltweiten CO2-Emissionen aus dieser zusätzlichen Entwaldung werden auf 11,5 Milliarden Tonnen geschätzt – mehr als Chinas derzeitige jährliche Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe.
  • Die Luftfahrtindustrie ist potenziell der größte Verbraucher von Biokraftstoffen mit hohem Entwaldungsrisiko, gefolgt von Indonesien und Brasilien.

Die Welt befindet sich in einer doppelten ökologischen Krise – Klimawandel und Verlust der biologischen Vielfalt. Die tropische Abholzung und die Zerstörung von Torf tragen wesentlich zu diesen Krisen bei, was zu Kohlendioxidemissionen aus verlorener Vegetation und gestörten Böden führt und das massive Aussterben von Arten vorantreibt. Die globale Biokraftstoffindustrie steht an der Schnittstelle zwischen diesen Krisen des Klimawandels und der biologischen Vielfalt und ist daher in einer hervorragenden Position, um einen sinnvollen Wandel herbeizuführen.

Nils Hermann Ranum, Leiter des „Drivers of Deforestation Program“ der Rainforest Foundation Norway: „Die derzeitige Biokraftstoffpolitik auf der ganzen Welt kann zu massiver Entwaldung und erhöhten Treibhausgasemissionen führen. Politik und Industrie müssen die Verwendung von Rohstoffen mit hohem Entwaldungsrisiko für Biokraftstoffe wie Palmöl und Soja stoppen, um sicherzustellen, dass die Biokraftstoffpolitik keine negativen Auswirkungen auf das Klima hat und die Zerstörung des Regenwaldes verstärkt.“

Laura Buffet, Direktorin Energie von Transport & Environment: „Biokraftstoffe sollten die Treibhausgasemissionen reduzieren, aber das ist nicht das, was in Wirklichkeit geschieht. Wenn die Entscheidungsträger nicht auf pflanzliche Biokraftstoffe und besonders risikoreiche Rohstoffe wie Palmöl und Soja verzichten, besteht die Gefahr, dass die Biokraftstoffpolitik die aktuellen Waldbrände auf der ganzen Welt noch verschlimmert“.

Biokraftstoffexperte  Chris Malins, Autor des Berichts: „Es wird erwartet, dass Biokraftstoffe auf der Basis von Palmöl und Soja höhere THG-Emissionen verursachen als fossiler Diesel. Die erhöhte Produktion von Palm- und Sojaöl hat in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer massiven Abholzung der Tropenwälder geführt. Die EU und die USA haben Maßnahmen zur Vermeidung von Biokraftstoffen auf Palmölbasis aufgrund des hohen Entwaldungsrisikos eingeführt, aber weltweit steigt die Nachfrage nach Biokraftstoffen mit hohem Entwaldungsrisiko immer noch. Das muss sich ändern, und zwar schnell.“

DUH: Biokraftstoffe bis zu dreimal klimaschädlicher als fossile

Der Anbau von Biomasse zur Verwendung als Biokraftstoff geht oft mit Entwaldung und Degradierung von Böden einher. Daher sind Biokraftstoffe bis zu dreimal klimaschädlicher als fossile. Dennoch ist ein wahrer Biokraftstoffboom zu verzeichnen. Sieben Millionen Hektar Wald, das entspricht der Fläche Bayerns, könnten durch den Verbrauch von Biokraftstoffen bis 2030 zusätzlich gerodet werden. Dies würde zu zusätzlichen CO2-Emissionen von 11,5 Milliarden Tonnen führen, das ist in etwa so viel wie die jährlichen Emissionen Chinas aus fossilen Energieträgern. Zu diesem Ergebnis kommt die am 10.03.2020 von RFN und DUH vorgestellte Studie „Öl ins Feuer: Die Auswirkungen des Biokraftstoffbooms auf unseren Planeten“.

DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner: „Die Studie zeigt klar und deutlich auf, dass Biokraftstoffe aus Anbau-Biomasse eben keine Alternative zu fossilen Brennstoffen darstellen. Ganz im Gegenteil: Die Folge der Nutzung von Biokraftstoffen ist ein deutlicher Netto-Emissionsanstieg von Treibhausgasen anstatt einer Reduktion. Damit befeuert man die Klimakrise nur noch zusätzlich. Wenn wir Klimaschutz ernst nehmen und den Verlust der Biodiversität stoppen wollen, muss der Einsatz konventioneller Biokraftstoffe so schnell wie möglich beendet werden. Die Umsetzung der europäischen Richtlinie zum Einsatz erneuerbarer Energien in deutsches Recht bietet dazu eine aktuelle Gelegenheit“.

90 Prozent des globalen Anstiegs der Pflanzenölnachfrage seit 2015 entfällt auf Biokraftstoffe, so ein weiteres Ergebnis der Studie. Anahita Yousefi von der Rainforest Foundation Norway macht deshalb deutlich: „Die Welt befindet sich in einer doppelten ökologischen Krise, nämlich der Klimakrise und dem Verlust der biologischen Vielfalt. Biokraftstoffe wurden von den politischen Entscheidungsträgern lange als Lösung gefördert. Doch wie unser Bericht zeigt, verursacht die Verwendung von Pflanzen wie Soja- und Palmöl für Biokraftstoffe massive Abholzungen der Tropenwälder und die Zerstörung von Torf und verstärkt damit Klimagasemissionen sowie den Verlust von Artenvielfalt.“

Auch Biokraftstoffe aus heimischen Pflanzenölen wie Rapsöl führen erwiesenermaßen im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen zu mehr klimaschädlichen Emissionen und können daher keinen Beitrag zum Klimaschutz im Verkehrssektor leisten. Angesichts der insgesamt ernüchternden Bilanz der bisherigen Biokraftstoffpolitik fordert die DUH einen grundlegenden Kurswechsel.

„Die EU will noch weitere 10 Jahre Palmöl im Biodiesel erlauben und den Einsatz anderer Agrarrohstoffe wie Soja- und Rapsöl gar nicht abbauen. Das können wir uns angesichts der dramatischen Folgen dieser Fehlentwicklung einfach nicht leisten. Völlig abstrus ist die Idee, für Biokraftstoffe auch noch hohe verpflichtende Mindestquoten im Flugverkehr einzuführen – so wie es jetzt offenbar von einzelnen Mitgliedstaaten gefordert wird. Die Bundesumweltministerin muss hier im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft entschlossen gegensteuern“, betont Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung bei der DUH. Auch die Verwendung sogenannter Reststoffe als Kraftstoff sieht die DUH kritisch und verlangt eine umfassende Biomasse-Strategie zur Erhebung realistischer Mengenpotentiale biogener Reststoffe sowie deren effizienter Verwendung.

Solarify erinnert sich an einen großen Konflikt über das gleiche Thema: Damals kamen Wissenschaftler der Leopoldina zu dem Schluss: „Um den Verbrauch von fossilen Brennstoffen und die Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren, sollte Deutschland nicht den weiteren Ausbau von Bioenergie anstreben.“ Von Palmöl und Soja war damals keine Rede.

 

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