Gastbeitrag von Martin Dörenkämper (IWES) auf blogs.helmholtz.de/kuestenforschung
Im Forschungsprojekt X-Wakes werden die bisher existierenden Modellierungsansätze für Nachlaufeffekte erstmals im realen Maßstab für den Betrieb von Offshore-Windparkclustern validiert. Mit Blick auf die zu diesem Thema am 28.02.2020 unter dem Titel „Windenergie auf See braucht Platz, um sie optimal zu nutzen“ veröffentlichte Studie von Agora Energie- und Verkehrswende befürchtet das Forscherteam (vom Fraunhofer IWES, der Technischen Universität Braunschweig, dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Universität Oldenburg mit dem Zentrum für Windenergieforschung (ForWind), die Universität Tübingen, das Helmholtz-Zentrum Geesthacht und die UL International GmbH) nun voreilig abgeleitete, nicht ausreichend validierte Handlungsempfehlungen für die Offshore-Windparkplanung.
Die Nordsee-Anrainer sollten ihre Offshore-Windkraftanlagen gemeinsam planen, so die Agora-Mitteilung, damit diese einander nicht den Wind wegnehmen, sondern an möglichst vielen Stunden im Jahr drehen. Sie können eine tragende Säule der europäischen Energieversorgung werden. Damit Windenergieanlagen auf dem Meer möglichst viel Strom liefern, sollten die Standorte der Parks gut aufeinander abgestimmt werden und möglichst weit auseinander liegen. Dazu ist eine länderübergreifende Planung über die Offshore-Windenergienutzung vor allem auf der Nordsee nötig. Denn bei einer zu engen und unabgestimmten Nutzung der Windkraft auf See können Offshore-Windparks einander großräumig die Windenergie wegnehmen. Der Ertrag der Windkraftanlagen würde dadurch im Extremfall um ein Viertel und mehr sinken.
In der Publikation von Agora Energiewende wird basierend auf den Ergebnissen des Projekts „OffPot“ das Windpotenzial in der Deutschen Bucht neu bewertet. Solche wissenschaftlichen Ergebnisse und Erkenntnisse sind wichtig, um die Folgen des weitreichenden Ausbaus der Windenergie on- wie offshore generell besser zu verstehen und die weitere Planung zu optimieren.
Das Forscherteam vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie und Dänemarks Technischer Universität sagt im genannten Bericht drastische Reduktionen der Volllaststunden der Windparks in der Deutschen Bucht von derzeit 4000 auf 3000-3300 Volllaststunden bei einem weiteren Ausbau von 50-70 Gigawatt, also eine Senkung von bis zu 25 % der zu erwartenden Energieeinspeisung voraus. Basierend auf diesen Ergebnissen leiten sie Handlungsempfehlungen für die europaweite Planung von zukünftigen Offshore-Windparks ab.
Noch keine Validierung – Nachweis fehlt
Festzuhalten ist, dass sowohl der in der Agora Energiewende Studie verwendete mesoskalige Modellierungsansatz (WRF) als auch das kinetische Energiebilanzmodell (KEBA) noch nicht für große Windparkcluster, die oft aus mehreren hundert Anlagen bestehen, an realen Daten überprüft – in Fachsprache „validiert“ – sind. Der Nachweis, ob die verwendeten Modellierungsansätze in der Lage sind, die Realität der zukünftigen Windbedingungen für solch große Offshore-Windparkcluster abzubilden, ist also noch nicht erbracht.
Zwar zeigen vereinzelte Validierungen für vergleichsweise kleinere Windparks zumindest im Fall des mesoskaligen Modells gute Ergebnisse, die die Autoren in ihrer Studie auch zitieren. Jedoch kommt es gerade bei sehr großen Windparkclustern vermehrt zu großskaligen Effekten, deren korrekte Darstellung in den Modellen bisher nicht mit Messdaten validiert wurde.
Eine messtechnische Überprüfung ist umso wichtiger, da beide Modelle auch grobe Vereinfachungen, z.B. zur Darstellung der Windenergieanlagen im Modell, in den Rechnungen vornehmen. Hier ist unklar, ob diese Vereinfachungen in der Lage sind, die Phänomene, die über mehrere Größenordnungen hinweg wirken, richtig zu beschreiben und ob sie für alle Wetterbedingungen gelten. Zudem wird sich auch die Windgeneratoren-Technologie und -Steuerung weiterentwickeln und kann so auch Nachlaufeffekte reduzieren.
Große Erwartungen an X-Wakes
Das vom Fraunhofer IWES koordinierte und vom BMWi geförderte Projekt X-Wakes, an dem auch das Helmholtz-Zentrum Geesthacht beteiligt ist, kann hier mit großer Wahrscheinlichkeit wertvolle Erkenntnisse liefern. Das Projekt konzentriert sich vor allem auf die noch ausstehenden Validierungen der Modellierungsansätze (mesoskalige Modelle und Industriemodelle) für lange Zeiträume und sehr große Windparkcluster, sodass die Modelle in Zukunft auch zuverlässig für die weitere Planung des Offshore-Ausbaus genutzt werden können.
Wie stark der Nachlaufeffekt tatsächlich ist, wird erst mit diesen Projektergebnissen verlässlich zu ermitteln sein. Auch werden im Rahmen des Projekts kontinuierlich neuere Anlagentechnologien mit einbezogen, um mit den Simulationen stets möglichst nah am künftig zu erwartenden technologischen Fortschritt zu sein.
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