Auf dem Weg zur Wasserstoffunion – wirklich?

„Horizont Europa“ um ein Viertel gekürzt

Dem EU-Forschungsrahmenprogramm „Horizont Europa“ bewilligten die Regierungschefs auf dem EU-Gipfel deutlich weniger Gelder als vorgesehen – es wurde um ein Viertel (andere Aussagen: ein Drittel) gekürzt. Forschungsministerin Anja Karliczek plant dennoch eine europäische Initiative, sagte sie im Deutschlandfunk. Das Ziel: Europa soll zum Kontinent des grünen Wasserstoffs werden.

Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold kritisierte denn auch im Deutschlandfunk, dass die Mittel für die wichtigen Zukunftsprojekte der EU zusammengestrichen worden seien. Nationale Interessen hätten wieder einmal die Oberhand gewonnen, sagte Giegold im DLF. Die Zukunftsprojekte seien generell zusammengekürzt worden. Aus dem neuen Fonds werde nicht die Anpassung an den Klimawandel, Forschung und Entwicklung, eine gemeinsame Außenpolitik oder Erasmus finanziert, sondern stattdessen werde ein neuer Fonds gebildet, den die Mitgliedsstaaten jeweils im Rahmen bestimmter Vorgaben so nutzen können, wie ihnen das passe. Da werde das Europaparlament sicher sagen, wir wollen auf diese Zukunftsprogramme nicht in dem Maße verzichten, wie das die Staatschefs wollen.

Wissenschaftsorganisationen und Hochschulverbände der EU reagierten ebenfalls enttäuscht auf die Kürzungen. Das EU-Forschungsrahmenprogramm „Horizont Europa“ musste bluten, nur 75,9 Milliarden bewilligten die EU-Regierungschefs von ursprünglich (im August 2019) vorgesehenen 100 Milliarden. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) war dennoch sichtlich darum bemüht, bei ihrem ersten großen Auftritt auf EU-Ebene gute Miene zum bösen Spiel zu machen, so Christiane Habermalz im Deutschlandfunk:

„Am Ende ist es immer so, dass man niemals mit den Wünschen, mit denen man in eine Verhandlung hineingeht, auch hinauskommt. Und jetzt müssen wir gucken, dass wir mit dem was wir haben das Beste daraus machen und dass wir gerade bei Forschung und Innovation uns noch viel effizienter verzahnen“, erklärte die CDU-Ministerin.

Zuvor hatten die europäischen Forschungsminister unter ihrem Vorsitz beim ersten informellen Treffen unter deutscher Ratspräsidentschaft online beraten. Karliczek will Europa zum Kontinent des grünen Wasserstoffs machen – mit Deutschland als Zugpferd: „Europa soll weiterkommen, auf dem Weg von der einstigen Montanunion zur Wasserstoffunion, und deswegen haben wir heute eine europäische Forschungsinitiative zum grünen Wasserstoff diskutiert.“

In einem Mapping-Prozess solle dazu abgebildet werden, was in den EU-Ländern bereits geschehe. Als zweiter Schritt solle mit der Industrie und unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger eine gemeinsame Agenda angestoßen werden: „Gerade der grüne Wasserstoff ist der Energieträger der Zukunft und mit breitem Einsatz von grünem Wasserstoff werden wir auch in der Lage sein, die Schwerindustrie klimafreundlich zu gestalten und damit auch in Europa zu halten.“

Die European University Association (EUA) zeigte sich enttäuscht: Die Höhe des Budgets für „Horizon Europe“ sei „weit entfernt von dem ehrgeizigen Anstieg, der notwendig ist, um den Bedarf an Investitionen zur Zeit vor der Corona-Pandemie zu decken, geschweige denn in der aktuellen Situation“, heißt es in einer Mitteilung. Das Ergebnis spiegele vor allem kurzfristige Interessen statt langfristiger und strategischer Überlegungen für die Weiterentwicklung der EU. Die Enttäuschung sei „umso bitterer, als mehrere Mitgliedstaaten – einschließlich derjenigen, die für ein kleineres Budget kämpften – die Bedeutung von Investitionen in Forschung und Innovation und eine ‚Modernisierung‘ des Haushalts bekräftigten“, teilte die EUA mit.

Die Höhe des beim EU-Gipfel beschlossenen Budgets entspricht laut Mitteilung zwei Dritteln der Forderung von EUA und Europäischem Parlament. Der Universitätszusammenschluss setzt daher auf die Parlamentarier, ohne die der Haushalt nicht verabschiedet werden kann. In den vergangenen Jahren hatte es sich in der Regel für ein höheres Budget für die Wissenschaft eingesetzt als der Europäische Rat.

Die Vorsitzende des Bildungsausschusses im Europäisches Parlament, Sabine Verheyen (CDU), kritisierte vor allem die geplanten Kürzungen beim europäischen Austauschprogramm Erasmus+. Die geplante Fördersumme sei „inakzeptabel“. „Erasmus ist eine einzige Erfolgsgeschichte, ein echtes europäisches Aushängeschild, und das einzige EU-Instrument im Bildungsbereich“, betonte Verheyen in einer Stellungnahme. „Das vorgeschlagene Budget von 21 Milliarden Euro steht in eklatantem Widerspruch zu früheren Versprechen und Ankündigungen.“ Die EU-Kommission hatte zunächst 26 Milliarden Euro vorgeschlagen.

Rückendeckung erhielt Karliczek von EU-Forschungskommissarin Mariya Gabriel.  Die Kommission hat vor kurzem ihre eigene Wasserstoffstrategie verkündet. Doch dazu müssen die nationalen Regierungen mitziehen. „Dass die Forschungsgelder gerade erst gekürzt wurden – ein gutes Signal für die Zukunft ist das zumindest nicht“, so Christiane Habermalz.

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