Beschleunigter Ausbau von PV und Wind gefordert
Die energieintensiven Unternehmen in Nordrhein-Westfalen haben sich in der Initiative IN4CLIMATE der NRW-Landesregierung zusammengeschlossen und fordern mehr Solar- und Windstrom. Sie verlangen von der Regierung einen schnelleren Ausbau von Photovoltaik und Windkraft sowie Importe von Strom und strombasierten Energieträgern. Zudem müssten Versorgungssicherheit und Systemstabilität durch Ausbau von Netzen, Speichern und Sektorenkopplung, Flexibilisierung der Stromnachfrage und Abbau von Flexibilitätshemmnissen gewährleistet werden. Dass es ihnen dabei vor allem um billigen Strom geht, zeigt die Forderung, die Entlastung für energieintensive Unternehmen fortzusetzen.
Die Kernbotschaften der 35 Konzerne
„Viele Schlüsseltechnologien einer klimaneutralen Industrie basieren auf der Substituierung fossiler Energieträger durch die Nutzung von Strom aus Erneuerbaren Energien,“ sagen die 35 inzwischen IN4CLIMATE beigetretenen Unternehmen: Air Liquide, Amprion, BASF, bbs, bdguss, BP, BVGlass, Covestro, Currenta, GMH Gruppe, Grillo, HeidelbergCement, Hydro, Kabel Premium Pulp & Paper, Kalk, Lanxess, Lhoist, OGE, ProduktionNRW, Rain Carbon Inc, RHM, RWE, Shell, Spenner, Thyssengas, thyssenkrupp, tromet, uniper, VCVI, vdz, VGB, VIK, Wirtschaftsverband Papier, Wirtschaftsvereinigung Stahl, WV Metalle. Insgesamt werde der jährliche Bedarf an Strom aus Erneuerbaren Energien und an strombasierten synthetischen Energieträgern in Deutschland langfristig stark ansteigen. Damit die Transformation der Industrie gelinge und die Klimaziele erreicht würden, seien drei Voraussetzungen ausschlaggebend:
- Deckung der hohen industriellen Nachfrage nach Strom aus Erneuerbaren Energien durch Beschleunigung des Ausbaus in Deutschland und Importe von Strom und strombasierten Energieträgern.
- Gewährleistung von Versorgungssicherheit und Systemstabilität durch Ausbau von Netzen, Speichern und Sektorenkopplung, Flexibilisierung der Stromnachfrage und Abbau von Flexibilitätshemmnissen.
- Wettbewerbsfähige Strom- bzw. Energiepreise zum Beispiel durch den Erhalt der Entlastung für energieintensive Unternehmen und bei der Eigenstromnutzung.
Die energieintensive Industrie als Schlüssel zum Erreichen der Klimaziele
In ihrem Positionspapier „Energiezukunft konsequent gestalten“ präzisieren sie ihre Forderungen: „Die energieintensive Grundstoffindustrie hat ihre Treibhausgasemissionen in Deutschland prozentual bereits deutlich stärker reduziert als andere Sektoren. Mit etwa einem Fünftel der derzeitigen Treibhausgasemissionen, kommt ihr beim Erreichen der ambitionierten nationalen und internationalen Klimaschutzziele weiterhin eine zentrale Bedeutung zu. Viele Schlüsseltechnologien einer klimaneutralen Industrie basieren auf der Substituierung fossiler Energieträger durch die (direkte oder indirekte) Nutzung von Strom aus Erneuerbaren Energien (EE) – von der Umstellung der Stahlproduktion auf Wasserstoffdirektreduktion und Elektrolichtbogenöfen bis hin zur Dampferzeugung mittels Elektrodenkessel und Hochtemperatur- Wärmepumpen. Die bei der Stromerzeugung anfallenden Treibhausgase sind dabei maßgeblich für die Klimaverträglichkeit der hergestellten Produkte, daher kann die Transformation der energieintensiven Industrie und das Erreichen der Klimaziele nur gelingen, wenn ausreichende Mengen bezahlbaren, grünen Stroms verlässlich zur Verfügung stehen.“
Die Industrie sei heute schon für etwa die Hälfte des deutschen Stromverbrauchs von rund 500 Terawattstunden verantwortlich. Durch die Elektrifizierung energieintensiver Prozesse werde viel Grünstrom gebraucht. Neben der Umstellung eines Teils industrieller Prozesse auf strombasierte Technologien erfordere auch die zu erwartende fortschreitende Elektrifizierung der Sektoren Wärme (zum Beispiel elektrische Wärmepumpen) und Verkehr (Elektromobilität) mehr nachhaltigen Strom. In Szenarien, wie Klimaneutralität in Deutschland erreicht werden kann, ersetzen Strom und strombasierte Brennstoffe aus Erneuerbaren Energien fossile Brenn- und Kraftstoffe in allen Sektoren. Dadurch könne sich langfristig der jährliche Bedarf mehr als vervierfachen. So ermittle etwa die VCI-Roadmap des Verbandes der Chemischen Industrie massiv erhöhten Strombedarf – viel davon für die Produktion von grünem Wasserstoff; dieser wiederum sei für die Transformation der Grundstoffindustrie ein entscheidender Faktor zum Erreichen der Klimaschutzziele 2050 sein.
Damit die Transformation vor dem skizzierten Hintergrund gelinge, seien drei Voraussetzungen maßgeblich:
Voraussetzung 1 – Deckung der hohen industriellen Nachfrage nach Strom aus Erneuerbaren Energien
„Um hinreichend große Strommengen für eine klimaneutrale Industrie bereitzustellen, müssen der bestehende Ausbaukorridor der Erneuerbaren Energien erweitert und verfügbare Flächenpotenziale der erneuerbaren Stromerzeugung bundesländerübergreifend erschlossen werden. Der Ausbau der Windenergie an Land ist allerdings in den letzten Jahren stark eingebrochen. Wenn sich dieser Trend in den nächsten Jahren fortsetzt, wird Deutschland nicht nur sein Ausbauziel für einen Anteil der Erneuerbaren Energien von 65 Prozent an der Stromerzeugung bis 2030 sondern auch seine Klimaschutzziele deutlich verfehlen. Auch ein weiterer deutlicher Ausbau der Offshore-Windenergie und der Photovoltaik sind notwendig. Wir begrüßen die Aufhebung des Ausbaudeckels von 52 Gigawatt für die Förderung von Photovoltaikanlagen und die Erhöhung des Ausbauziels bei Offshore-Windkraftanlagen auf 20 Gigawatt in 2030 durch die Bundesregierung.
Angesichts des enormen zusätzlichen Bedarfs an erneuerbar erzeugtem Strom bzw. an Produkten aus erneuerbarem Strom, wie z. B. grünem Wasserstoff und zugleich begrenzter Potenziale in Deutschland, werden Energieimporte weiterhin dazu beitragen, den deutschen Bedarf zu decken. An zahlreichen Standorten im außereuropäischen, aber auch im europäischen Ausland lässt sich erneuerbarer Strom aufgrund hoher Potenziale im Bereich der Wind- und Solarenergie kostengünstiger und in großen Mengen erzeugen. Strombasierte Energieträger können in Form von klimaneutralem Wasserstoff und synthetischen Kraft- und Brennstoffen importiert werden und verringern die benötigten national produzierten Mengen erneuerbaren Stroms.
Unabhängig davon ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die Erneuerbaren Energien auch in Deutschland beschleunigt ausgebaut werden. Dadurch bleibt Wertschöpfung im Land erhalten, und die mit Importen verbundenen (geopolitischen) Risiken und Unsicherheiten werden verringert. Mit ausreichend in Deutschland vorhandenen Erneuerbaren Energien lassen sich Erfahrungen im Bereich der Systemeinbindung sammeln und zudem neue industrielle Prozess- und Energieumwandlungstechnologien schnell in die Erprobung und Weiterentwicklung bringen – ein deutliches Plus gerade auch mit Blick auf Exportpotenziale in wachsenden globalen Klimaschutzmärkten.
Unsere Forderungen zur Deckung der industriellen Nachfrage nach Erneuerbaren Energien:
- Für das Erreichen der bestehenden Ausbauziele bei tendenziell steigendem Strombedarf und die Erschließung der weiteren nationalen Potenziale zum Ausbau Erneuerbarer Energien müssen Bund und Länder starre Ausbaugrenzen lockern und das Repowering vereinfachen. Um die Akzeptanz von neuen Anlagen bei den BürgerInnen vor Ort zu erhöhen, sind Transparenz, attraktive Beteiligungsformate und effektive Anreize wichtig.
- Um die effizientesten Standorte zur Erzeugung Erneuerbarer Energien außerhalb Deutschlands nutzbar zu machen, muss sich die Bundesregierung um den Ausbau der europäischen Netze und eine regulatorische Integration bemühen. So lässt sich auch die häufig gegenläufig schwankende Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien (insbesondere Windenergie in Nord- und Südeuropa) teilweise ausgleichen.
- Außerdem bedarf es massiver Investitionen in Energietransportinfrastrukturen insbesondere für strombasierte Energieträger. Bi- oder multilaterale Energiepartnerschaften können ebenso helfen stabile Strukturen aufzubauen, wie die Unterstützung bei der Errichtung erster Pilot- und Demonstrationsanlagen.
Voraussetzung 2 – Gewährleistung von Versorgungssicherheit und Systemstabilität
Einer der größten Standortvorteile Deutschlands war und ist die geringe Anzahl an Versorgungsunterbrechungen im Stromsystem. Dieses Niveau muss unter Berücksichtigung eines steigenden Anteils Erneuerbarer Energien und des zeitgleichen Ausstiegs aus Kernenergie und Kohle beibehalten werden, damit die Stromversorgung als zentraler Standortfaktor für die im globalen Wettbewerb stehende Grundstoffindustrie gesichert bleibt. Bereits jetzt zeigen die zunehmend notwendigen Eingriffe der Übertragungsnetzbetreiber, z. B. im Rahmen sogenannter Redispatchmaßnahmen, dass infolge des Aus-baus der Erneuerbaren Energien verstärkte Anstrengungen zum nachhaltigen Erhalt der Systemstabilität unternommen werden müssen.
Mit steigendem Anteil an Erneuerbaren Energien nimmt der Bedarf nach einer Flexibilisierung der konventionellen, aber auch der erneuerbaren Erzeugung und Nachfrage weiter zu. Einige Branchen der Grundstoffindustrie können durch Anpassungen in der Fahrweise elektrifizierter Prozesse ihrerseits die Stabilität eines immer stärker auf dezentraler und fluktuierender Energieerzeugung beruhenden Stromsystems erhöhen.
Unternehmen anderer Branchen, denen diese Möglichkeit aus technischen Gründen nicht zur Verfügung steht, dürfen daraus keine Nachteile entstehen.
Unsere Forderungen zur Deckung der Versorgungssicherheit und Systemstabilität:
- Für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit sind ein mit höchster Priorität verfolgter, an die erhöhten Bedarfe angepasster Netzausbau, der Ausbau von Speichermöglichkeiten, die Sektorenkopplung und die Flexibilisierung der Stromnachfrage notwendig. Voraussetzung hierfür ist eine Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren und eine entsprechende Gestaltung des regulatorischen Rahmens, um hinreichende Investitions- und Innovationsanreize für die Marktakteure zu schaffen.
- Damit energieintensive Unternehmen und andere Stromverbraucher zur Systemstabilität beitragen können, müssen zudem Flexibilitätshemmnisse abgebaut und das bestehende Steuer- und Abgabensystem stufenweise angepasst werden. So darf die Gestaltung der Netzentgelte nicht kontraproduktiv wirken und das Heben von Flexibilitätspotenzialen verhindern. Zum Beispiel sollten Lastspitzen, die infolge gezielter netzdienlicher zusätzlicher Stromentnahmen in Zeiten hohen EE-Aufkommens auftreten, nicht netzentgeltrelevant sein.
Voraussetzung 3 – Wettbewerbsfähige Strom- bzw. Energiepreise
Bei allen Maßnahmen des ambitionierten Ausbaus der Erneuerbaren Energien müssen neben der Einhaltung der Klimaziele und der Gewährleistung von Versorgungssicherheit und Netzstabilität auch wettbewerbsfähige Strompreise zu jedem Zeitpunkt garantiert werden, um eine schleichende Abwanderung energieintensiver Wertschöpfungsketten zu vermeiden. Auf diese Weise kann auch erreicht werden, dass die umfangreichreichen Investitionen in innovative Klimaschutztechnologien an hiesigen Standorten getätigt werden.
Die Stromnutzer zahlen über Umlagen und Entgelte die Systemkosten der Stromerzeugung, also neben den Kosten zur Förderung der EE-Anlagen auch die Kosten des Netzausbaus, die Kosten des Einspeisemanagements zur Behebung von Engpässen und weitere Kosten zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit wie Netzreservekosten und verschiedene Kapazitätsprämien. EEG-Umlage, Netzentgelte und Stromsteuer sind die größten staatlich induzierten Strompreisanteile, wobei für stromintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb sowie zur Eigenstromnutzung bisher teilweise Ausnahmen und Entlastungen bei EEG-Umlage und Stromsteuer gelten.
Unsere Forderungen zu wettbewerbsfähigen Preisen strombasierter Energie:
- Entlastungstatbestände bei den Stromkosten sind Standortfaktoren. Nur wenn energieintensive Unternehmen verlässlich mit wettbewerbsfähigen Strompreisen kalkulieren können, werden sie zukünftig an nordrhein-westfälischen Standorten Investitionen tätigen.
- Die Kosten der Transformation des Stromsystems durch steigende Anteile Erneuerbarer Energien sowie die Kosten importierter strombasierter Kraft- und Brennstoffe (Power-to-X) können nicht allein von den Stromverbrauchern getragen werden, sondern müssen zumindest anteilig aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Das Steuer- und Abgabensystem ist neu zu analysieren und, wo nötig, anzupassen. Dabei müssen beihilferechtlich kompatible Lösungen gefunden werden. Eine Verwendung von Bundesmitteln zur Förderung neuer EE-Anlagen als Ersatz der EEG-Umlage könnte dazu ein geeigneter Ansatz sein. Die Stromkosten würden schrittweise sinken und die Planungssicherheit für die Industrie erhöht.
- Damit sich Erneuerbare Energien in allen Sektoren durchsetzen, muss der Einsatz von Strom und strombasierter Energie (wie grüner Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe) konkurrenzfähig gegenüber konventionellen Energieträgern sein. Dies gilt insbesondere für die energieintensive Industrie, die sich im globalen Wettbewerb befindet.
- Die Entlastung bei der Eigenstromnutzung hat sich bewährt. Sie muss erhalten bleiben. Dezentrale Erzeugungsanlagen leisten ihren Beitrag im Rahmen der Energiewende, auch zur Stabilisierung des Stromsystems.“
->Quellen:
- in4climate.nrw/pressemitteilung-in4climate.nrw-positionspapier-erneuerbare_energien
- in4climate.nrw/klimaneutrale-industrie-erfordert-konsequenten-ausbau-erneuerbarer-energien-bei-wettbewerbsfaehigen-strompreisen
- in4climate.nrw/in4climate.nrw-positionspapier-erneuerbare_energien.pdf
- erneuerbareenergien.de/industriekonzerne-in-nrw-wollen-mehr-oekostrom