Analyse der bestehenden Rahmenwerke zur Entwicklung eines einheitlichen gesetzlich verpflichtenden Rahmenwerks
Für Kunden, Anleger, Verbraucher kann es jeweils etwas anderes bedeuten, ob ein Unternehmen nachhaltig wirtschaftet und sich an ethische als auch ökologische Standards hält. Damit Unternehmen dies glaubwürdig und kontrollierbar belegen können, sind standardisierte und überprüfbare Berichte erforderlich. Solche Berichtsstandards sollen Unternehmensbeiträge zur nachhaltigen Entwicklung vergleichbar abbilden und universell für Unternehmen jeder Größe und Art anwendbar sein.
Viele Unternehmen berichten bereits über ihre Aktivitäten hinsichtlich Nachhaltigkeit. Sie wenden dafür sogenannte Rahmenwerke an, die zunehmend nachprüfbare Standards an die Berichte anlegen. Da es jedoch unterschiedliche Rahmenwerke gibt, führt dies derzeit nicht zu einer Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsleistungen.
Um einen Anforderungskatalog zu entwickeln, der eine standardisierte und vergleichbare Berichterstattung zulässt, wurde unter der Leitung des Sozialwissenschaftlers Christian Felber vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) zusammen mit der B.A.U.M. Consult GmbH eine Analyse der bestehenden Rahmenwerke erstellt. Das Ergebnis soll als Grundlage dafür dienen, ein einheitliches gesetzlich verpflichtendes Rahmenwerk zur Nachhaltigkeitsberichterstattung zu entwickeln.
In der nun veröffentlichten 323seitigen Studie wurde ein Anforderungskatalog für einen solchen universellen Standard definiert und zugleich erstmals auf eine Reihe wichtiger bestehender Rahmenwerke angewandt. Außerdem enthält die Publikation Empfehlungen für einen universellen Standard.
Analyse von 14 Nachhaltigkeitsrahmenwerken
Zunächst wurden für die Studie 14 Rahmenwerke aus vier verschiedenen Kategorien analysiert – von Verhaltenskodizes für nachhaltig-ethisches Unternehmerhandeln (zum Beispiel die OECD-Leitsätze) über die Vorgaben für ein Nachhaltigkeitsmanagement (etwa die Norm ISO 26000) und Nachhaltigkeitsberichterstattung (GRI, DNK, Gemeinwohl-Bilanz, B Corp) bis zu Auswahlinstrumenten von nachhaltigen Aktien-Indices und Fonds (beispielsweise der Natur-Aktien-Index, NAI).
Anforderungen, die an die 14 ausgewählten Rahmenwerke gestellt wurden, waren beispielsweise die partizipative Entwicklung des Rahmenwerks, die inhaltliche Reichweite der Berichtsthemen, die Vergleichbarkeit der Ergebnisse, die externe Überprüfung oder auch die intendierte Rechtsverbindlichkeit, die für das Rahmenwerk gelten soll.
Ein detaillierteres Beispiel für eine solche Anforderung: „Um Greenwashing zu verhindern, sind verlässliche Informationen unabdingbar“, sagt Studienleitautor Felber. „Die Nachhaltigkeitsleistungen von Unternehmen müssen so selbstverständlich und rigoros geprüft werden wie deren Finanzbilanzen. Dafür sind die der Nachhaltigkeitsleistung zugrunde liegenden Informationen durch Nachweise zu belegen. Es ist eine Prüfung (Audit) der Berichtsinhalte nach vorgegebenen Standards durch eine qualifizierte externe Instanz vorgesehen, die es Stakeholdern und Gesetzgebung ermöglicht, Berichtsinhalte und -ergebnisse als Entscheidungs- und Regulierungsgrundlage heranzuziehen.“
Ob das jeweilige Rahmenwerk diesen Anforderungen gerecht wird, wurde schließlich durch die Abfrage von fünf Charakteristika pro Anforderung getestet. Eine der Fragestellungen darunter etwa: Werden alle wichtigen Themen ökologischer Nachhaltigkeit berücksichtigt? Der durch diese Fragen präzisierte Anforderungskatalog ermöglicht einerseits die Operationalisierung und schafft andererseits Transparenz sowie Nachvollziehbarkeit für die Analyse.
Rahmenwerk benötigt breite Akzeptanz
Die Empfehlungen der Studie umfassen sowohl einen Anforderungskatalog an den zu entwickelnden Standard als auch strategische und konzeptionelle Entscheidungen plus Hinweise zum Vorgehen während seiner Entwicklung. Heraus kam aber auch, dass das zu entwickelnde Rahmenwerk praktikabel sein und auf breite Akzeptanz stoßen sollte. Diese könne insbesondere durch die Einbindung der betroffenen Interessensgruppen in den Entwicklungsprozess geschaffen werden, so die Autoren. Unabdingbar sei die Einbindung von Stakeholdergruppen sowohl der Privatwirtschaft als auch der Zivilgesellschaft.
„Während es eine Publizitätspflicht für die Finanzen von Unternehmen gibt samt externem Audit, besteht dies bislang lediglich auf freiwilliger Basis für die Nachhaltigkeitsbilanz von Unternehmen und anderen Organisationen“, sagt Christian Felber, Affiliate Scholar am IASS und Leiter der Studie. „Unsere Arbeit ist ein erster Schritt hin zu einem universellen Standard für Nachhaltigkeitsbilanzen von Unternehmen.“
Solarify merkt an: Eine der ältesten wissenschaftlichen Auflistungen nachhaltiger Kriterien ist der Frankfurt-Hohenheimer Leitfaden der 1993 gegründeten ehemaligen Forschungsgruppe Ethisch-Ökologisches Rating (FGEÖR) an der Frankfurter Universität (heute Weltethos-Forschungsgruppe Finanzen und Ethik am Tübinger Weltethos-Institut). Ihr beiden Gründer (die Professoren Gerhard Scherhorn [+ 2018] und Johannes Hoffmann) haben bereits vor 30 Jahren die sogenannte „starke Nachhaltigkeit“ definiert und in zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen erläutert. Das in der Publikation erwähnte „Forum Nachhaltige Geldanlagen“ war eine „Tochter“ der FGEÖR (zu ihren Zielen siehe auf einer Seite der Bundesregierung: www.bundesregierung.de/Nachhaltigkeitsdialog-stellungnahmen/2016-06-23-forschungsgruppe).
->Quellen und Publikation:
- iass-potsdam.de/der-weg-zum-globalen-nachhaltigkeitsbericht
- Dorothea Brockhoff, Gudrun Engelhardt, Hanna Yabroudi, Ludwig Karg, Anja Aschenbrenner, Christian Felber: Publizitätspflicht zur Nachhaltigkeit – Entwicklung eines Anforderungskatalogs für einen universellen Standard (PuNa-Studie), IASS Study 09/2020.