Forschungsinitiative der Helmholtz-Gemeinschaft präsentiert Strategien, Technologien und Open-Source-Werkzeuge
Als Beitrag zum globalen Klimaschutz muss Deutschland den Einsatz fossiler Energieträger rasch und umfassend minimieren und das Energiesystem entsprechend umbauen. Wie und mit welchen Mitteln das am besten gelingen kann, hat die Forschungsinitiative „Energie System 2050“ der Helmholtz-Gemeinschaft erforscht, an der sich auch das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) beteiligt. Auf der Abschlusskonferenz in Berlin präsentierten die Wissenschaftler der beteiligten Forschungszentren ihre Ergebnisse.
Mit der Entscheidung, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, steht das Industrieland Deutschland vor einer gewaltigen Aufgabe: die umfassende und langjährige Transformation des Energiesystems zu organisieren und gleichzeitig eine stabile Energieversorgung für unser alltägliches Leben, für die Wirtschaft und für den Betrieb von zentralen Infrastrukturen wie Kommunikation und Verkehr zu gewährleisten. „In der Forschungsinitiative ‚Energie System 2050‘ (ES2050) haben Wissenschaftler der Helmholtz-Gemeinschaft konkrete Strategien sowie technologische Ansätze erarbeitet, die sowohl für mehr Klimaschutz als auch für mehr Sicherheit sorgen können – und bereits heute von Politik und Wirtschaft aufgegriffen werden“, heißt es in der KIT-Presseinformation 084/2020 vom 30.09.2020
„Entscheidende Voraussetzungen für den klimafreundlichen Umbau des Energiesystems sind geeignete Technologien und klare systemische Lösungen. Mit ‚Energie System 2050‘ ist es nicht nur gelungen, diese zu entwickeln, sondern sie auch im Realbetrieb zu testen sowie flexible Strategien für ihren Einsatz zu erarbeiten“, sagt Prof. Holger Hanselka, der Koordinator der Forschungsinitiative, Vizepräsident für den Forschungsbereich Energie der Helmholtz-Gemeinschaft und Präsident des KIT. „Mit unserer Forschungsinitiative haben wir die Kompetenz von acht Forschungszentren hinter einer einzigen Aufgabenstellung vereint: die Energiewende zu einem Erfolg zu machen.“
Prof. Otmar D. Wiestler, der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, sagt: „Lokale, nationale sowie internationale Energiesysteme müssen schnellstmöglich auf erneuerbare Energiequellen umgestellt werden. Das ist nicht nur ein entscheidender Schritt, um dem Klimawandel und der zunehmenden Umweltzerstörung Herr zu werden. Mithilfe regenerativer Energiesysteme können wir auch kostengünstig und importunabhängig Energie erzeugen. Die Initiative ‚Energie System 2050‘ belegt eindrücklich, welche grundlegenden Beiträge Helmholtz hier leisten kann, ganz im Sinne von Spitzenforschung für große Herausforderungen.“
Strategien, Technologien und Open-Source-Werkzeuge für den Umbau
Gestartet war die Forschungsinitiative im Jahr 2015 mit dem Ziel, einen relevanten und zukunftweisenden Beitrag zur Transformation des Energiesystems zu leisten. 170 Wissenschaftler forschten in unterschiedlichen Teams, die jeweils ein „Puzzlestück“ der Energiewende bearbeiteten. Auf Grundlage einer systemischen Betrachtung des gesamten deutschen Energieversorgungsystems haben sie wirtschaftliche und klimafreundliche Transformationspfade bis zum Jahr 2050 entwickelt.
Dazu kam die Forschung über Architektur und Sicherheit des zukünftigen Stromnetzes, zur Integration von Wasserstoff und biogenen Energieträgern in das Energiesystem. Außerdem waren einzelne Energienetzkomponenten, wie Redox-Flow-Netzspeicher, Biogasanlagen oder Gasturbinen zur Rückverstromung von Synthese- und Biogas, Gegenstand der Untersuchungen.
Dabei haben die Forschenden Technologien zum einen detailliert getestet, zum anderen aber im Zusammenspiel systemisch betrachtet: „So konnten die besten ‚Teamplayer‘ für die Sektorenkopplung gefunden werden, also etwa Technologien zur Verknüpfung der Wärme- und Stromversorgung. Ein weiterer Bestandteil der Betrachtung technologischer Mittel waren zudem lebenszyklusorientierte Nachhaltigkeitsanalysen, die neben Kosten und CO2-Ausstoß auch weitere ökologische sowie gesellschaftliche Faktoren berücksichtigten – etwa bei der Produktion von Kraftstoffen aus biogenen Reststoffen“, heißt es in der Pressemeldung weiter.
Um dynamische Experimente auf Systemebene durchführen zu können, haben die Forschenden in ES2050 einen großskaligen Forschungsinfrastrukturverbund geschaffen, zu dem unter anderem das Energy Lab 2.0 auf dem Gelände des KIT und der Living Lab Energy Campus des Forschungszentrums Jülich (FZJ) gehören. Als detaillierte Modelle des Energiesystems verfügen sie über eigene Netz¬infrastrukturen und sind inzwischen mit Power-to-X-Anlagen, Wohnhäusern und sogar Verkehrskomponenten ausgestattet.
Eng verwoben sind diese physischen Modelle mit virtuellen Strukturen für einen intelligenten Ausbau des Energiesystems. So können mit „digitalen Zwillingen“ bereits heute Systemkomponenten in Experimente eingebunden werden, obwohl diese noch gar nicht existieren – beispielsweise eine zukünftige Wasserstoffinfrastruktur. Ihre Modellierungswerkzeuge, Datensätze und Benchmarks begreift die Forschungsinitiative als Teil eines offenen Ökosystems und stellt sie Open Source zur Verfügung. Dieser „Werkzeugkasten für die Energiewende“ werde bereits von großen Übertragungsnetzbetreibern genutzt, so die Wissenschaftler.
Nachhaltiger Beitrag zur Energiewende
„Der Weg zur Klimaneutralität in der Energiewirtschaft ist noch weit, doch der Wandel hat begonnen: Im Jahr 2019 lag beispielsweise der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch nach Informationen des Umweltbundesamts bei 42,1 Prozent, während es im Jahr zuvor noch 37,8 Prozent waren. Die Ergebnisse der Forschungsinitiative „Energie System 2050“ können diese Dynamik verstärken und sie auf Sektoren wie Gebäude, Verkehr und Industrie ausweiten“, so das KIT.
Die Forschungsinitiative „Energie System 2050“ wurde vom Forschungsbereich Energie der Helmholtz-Gemeinschaft initiiert. Neben dem KIT sind das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Forschungszentrum Jülich (FZJ), das Helmholtz-Zentrum Potsdam (GFZ), das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB), das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR), das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP – assoziiert) sowie das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) beteiligt.
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