EU-Parlament will Emissionen bis 2030 um 60% reduzieren – Treibhausgasbudget
Das europäische Parlament hat am 06.10.2020 mit knapper Mehrheit (352 zu 326 Stimmen, 18 Enthaltungen) beschlossen, dass bis 2050 jeder EU-Mitgliedstaat CO2-neutral sein soll. Im Rahmen des neuen Klimagesetzes forderte das Parlament gegen den Widerstand von CDU und FDP, aber mit den Stimmen der meisten Sozialdemokraten und Liberalen, der Grünen und auch der polnischen Christdemokraten ehrgeizige Zwischenziele für 2030 und 2040 – so eine Medienmitteilung aus dem EU-Parlament vom 08.10.2020. Mit einem Treibhausgasbudget sollen die Pariser Ziele erreicht werden. Die EU und die Mitgliedstaaten müssen alle direkten und indirekten Subventionen für fossile Brennstoffe bis zum 31.12.2025 abbauen. Ein unabhängiges Wissenschaftsgremiums soll die Fortschritte überwachen.
Am 06.10.2020 nahm das Parlament sein Mandat für die Verhandlungen über die neuen Klimaschutzvorschriften der EU mit 392 Ja-Stimmen, 161 Nein-Stimmen und 142 Enthaltungen an. Das neue Klimaschutzrecht soll aus dem politischen Versprechen der EU, bis 2050 klimaneutral zu werden, eine verbindliche Verpflichtung machen. Das Ziel: Bürgern und Unternehmen die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit bieten, um für den anstehenden Wandel gerüstet zu sein. Bis 2050 muss nach Ansicht des Parlaments nicht nur die EU, sondern auch jeder einzelne Mitgliedstaat klimaneutral werden. Danach müsse die EU sogenannte negative Emissionen erreichen, also mehr CO2 binden als freisetzen. Damit dies gelingt, müsse genug Geld bereitgestellt werden.
Die Abgeordneten forderten die Kommission auf, im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens bis zum 31.05.2023 Wege aufzuzeigen, wie bis 2050 Klimaneutralität erreicht werden kann. Um den Temperaturanstieg in Einklang mit dem Übereinkommen von Paris zu begrenzen, müssten dabei sämtliche verbleibenden Treibhausgasemissionen der EU bis 2050 eingerechnet werden. Nach jeder weltweiten Bestandsaufnahme müsse der vorgeschlagene Zielpfad auf den Prüfstand kommen. Außerdem soll nach dem Willen des Parlaments ein europäischer Klimarat als neues unabhängiges Wissenschaftsgremium die Stimmigkeit der Maßnahmen bewerten und die Fortschritte überwachen.
Höhergestecktes Ziel für 2030 nötig
Bislang gilt in der EU das Ziel, dass bis 2030 insgesamt 40 % weniger Emissionen anfallen dürfen als 1990. Kürzlich schlug die Kommission im geänderten Vorschlag für ein europäisches Klimagesetz vor, dieses Ziel auf „mindestens 55%“ zu erhöhen. Am 06.10.2020 legten die Abgeordneten die Latte noch höher: Sie fordern eine Reduzierung um 60 % schon bis 2030. Sie wollen außerdem, dass die Kommission nach einer Folgenabschätzung ein Zwischenziel für 2040 vorschlägt. So soll dafür gesorgt werden, dass die EU auf dem richtigen Weg ist, ihr Ziel für 2050 zu erreichen. Und noch eines fordert das Parlament: Die EU und die Mitgliedstaaten müssten alle direkten und indirekten Subventionen für fossile Brennstoffe bis zum 31.12.2025 abbauen. Die Abgeordneten betonten überdies, dass weiter gegen Energiearmut vorgegangen werden müsse.
Zitat
Nach der Abstimmung sagte die Berichterstatterin des Parlaments, Jytte Guteland (S&D, Schweden): „Mit Blick auf die anstehenden Verhandlungen ist die Annahme des Berichts eine klare Botschaft an Kommission und Rat. Wir erwarten von allen Mitgliedstaaten, dass sie bis spätestens 2050 klimaneutral sind, und wir brauchen hochgesteckte Zwischenziele für die Jahre 2030 und 2040, damit dies der EU gelingt. Zufrieden bin ich auch mit dem neuen Treibhausgasbudget, das angibt, wie viele Emissionen es bis 2050 insgesamt noch geben darf, ohne dass die EU Gefahr läuft, ihre Verpflichtungen im Rahmen des Übereinkommens von Paris nicht einzuhalten.“
Nächste Schritte
Das Parlament ist nun bereit, Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten aufzunehmen, sobald sich der Rat auf einen gemeinsamen Standpunkt geeinigt hat.
Hintergrundinformationen
Nachdem sich der Europäische Rat 2019 zum Ziel der Klimaneutralität bis 2050 bekannt hatte, schlug die Kommission im März 2020 das europäische Klimagesetz vor, um gesetzlich zu regeln, dass die EU bis 2050 klimaneutral werden muss. Bei der Durchsetzung ehrgeizigerer Klimaschutzvorschriften der EU spielt das Europäische Parlament seit langem eine wichtige Rolle. Am 28. November 2019 etwa hatte es den Klimanotstand ausgerufen.
Grüne erfreut
Von einem „Meilenstein für die europäische Klimapolitik“, sprach der grüne Europaabgeordnete Michael Bloss. Der Druck der „Friday-for-Future“-Bewegung wirke. Die Blockade der Konservativen sei abgewehrt worden. Daran müssten sich nun auch die Mitgliedstaaten, allen voran Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) und die deutsche Ratspräsidentschaft orientieren.
Bloss‘ Parteifreund Sven Giegold zeigte sich am 07.10.2020 sehr erfreut über das Abstimmungsergebnis: Damit mache das Europaparlament einen großen Schritt im Kampf gegen den Klimawandel. Die deutliche Anhebung des Klimaziels bringe uns dem Stand der Wissenschaft einen wichtigen Schritt näher. Und: „ein Riesenerfolg der Klimabewegung“, hieß es.
„Für uns Grüne hat mein Kollege Bloss das 60%-Ziel gemeinsam mit Abgeordneten der Sozialdemokraten, Liberalen und Linken erstritten. Die Christdemokraten stimmten mit Rechtspopulisten und Rechtsradikalen gegen dieses Ziel und kündigen bereits an, sich in der Schlussabstimmung über das gesamte Klimagesetz enthalten zu wollen. Die FDP stimmte gegen die Fraktionslinie der Europa-Liberalen gegen die 60%.“
Die Christdemokraten zeigten mit ihrer Haltung deutlich, wie wenig sie verstanden hätten. Die Folgen des Klimawandels seien schon jetzt so dramatisch, dass entschieden umgesteuert werden müsste. Wer das nicht verstehe, gefährde in Europa Arbeitsplätze und ganze Lebensgrundlagen in anderen Teilen der Welt. Starke und verbindliche Klimaziele Europas seien die Basis für zukunftsfähige Investitionen der europäischen Wirtschaft und damit der Garant für langfristige Jobs und wirtschaftliche Stärke, so Giegold weiter.
Treibhausgasbudget
Und weiter: „Wir geben der EU-Kommission den Auftrag, ein Treibhausgasbudget zu entwickeln, das die gesamte verbleibende Menge an Emissionen angibt, die bis spätestens 2050 ausgestoßen werden könnten, ohne das Pariser Klimaabkommens zu gefährden. Zusammen mit den Empfehlungen eines neuen unabhängigen und wissenschaftlichen europäischen Klimarats soll dieses Treibhausgasbudget die Grundlage für die Ziele für 2040 sein“, so Giegold.
Das Europaparlament gehe mit Ambition voran. Doch es liege jetzt auch an den Regierungen der Mitgliedstaaten, ganz besonders der deutschen Bundesregierung als Ratspräsidentschaft, einen genauso ambitionierten Text im Rat zu beschließen. Dabei dürfe nicht weitere Zeit verloren gehen. Noch unter deutscher Ratspräsidentschaft müsse das Klimagesetz beschlossen werden. Dazu brauche der Rat eine schnelle Einigung. Denn am Ende müssten Parlament und Rat einen Kompromiss finden und ein weniger ambitioniertes Klimagesetz könne sich Europa nicht leisten.
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