C2C: 528 von 540 verschiedenen Molekülen der Hüttengase identifiziert

3. Carbon2Chem-Konferenz „Nachhaltige chemische Umwandlung in der Industrie“ – 1. Tag

Gleich zwei Minister erschienen – wenn auch corona-geschuldet virtuell – am 27.03.2020 zur 3. Carbon2Chem-Konferenz: Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (ihr Haus fördert C2C) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Karliczek eröffnete das Online-Treffen unter dem Titel „Nachhaltige chemische Konversion in der Industrie“. Zwei Tage lang diskutieren Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, wie die Stahlproduktion sowie weitere emissionsintensive Industrien klimaneutral werden können.

Carbon2Chem - Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Carbon2Chem – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Karliczek betonte anlässlich der Eröffnung: „Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen für die Menschheit. Wir müssen den CO2-Ausstoß so schnell und effektiv wie möglich senken. Bis 2050 wollen wir Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt machen. Das Projekt Carbon2Chem ist ein Vorzeige-Beispiel dafür, dass wir diese Herausforderung mit klugen Ideen und innovativer Forschung erfolgreich meistern können. Denn mit den Innovationen von Carbon2Chem schützen wir nicht nur das Klima – wir stärken mit ihnen gleichzeitig unsere langfristige Wettbewerbsfähigkeit und sichern hochwertige Arbeitsplätze in der Industrie.“

Das Projekt Carbon2Chem arbeitet seit Juni 2016 an Technologien für eine klimaneutrale Stahlproduktion. Es erforscht, wie Hüttengase der Stahlproduktion in ihre Bestandteile zerlegt werden können um daraus wertvolle Vorprodukte für Kraftstoffe, Kunststoffe oder Düngemittel zu produzieren. Seit seinem Start im März 2016 hat Carbon2Chem bereits große Fortschritte erzielen können. Im September 2018 wurde das gemeinsame Technikum am thyssenkrupp-Standort in Duisburg eingeweiht. Hier werden weltweit erstmalig die Einzelverfahren praktisch zusammengeführt und unter Industriebedingungen im Praxisbetrieb mit realen Hüttengasen erprobt. Im März 2019 folgte die Einweihung des projekteigenen Labors am Fraunhofer UMSICHT in Oberhausen. Auf 500 Quadratmetern Laborfläche und an 30 Büroarbeitsplätzen arbeitet das Partnerkonsortium gemeinsam an Verfahren zur Gasreinigung sowie zur Produktion von Methanol, Ammoniak und höheren Alkoholen. Die Partner aus Wissenschaft und Industrie schlagen mit Carbon2Chem eine Brücke von der Grundlagenforschung in den Markt. 20 Millionen Tonnen CO2 aus der deutschen Stahlproduktion kann der Carbon2Chem-Ansatzlich nutzbar machen, wenn er  im großen Stil umgesetzt wird. Zudem wird im weiteren Verlauf des Projekts der Transfer auf andere emissionsintensive Branchen wie die Zementherstellung und Müllverbrennung sowie der Export ins Ausland vorbereitet – mit weiteren Klimaschutz-Potenzialen. Die Konferenz bilanziert die Ergebnisse der ersten Förderphase (2016-2020) und gibt den Startschuss für die zweite Phase, die nun beginnt und bis 2024 läuft. Das BMBF förderte die erste Phase mit mehr als 60 Millionen Euro. Für die zweite Phase werden weitere 75 Millionen bereitgestellt. Die beteiligten Partner planen bis 2025 Investitionen von mehr als 100 Millionen Euro. Für die kommerzielle Realisierung haben sie mehr als eine Milliarde Euro vorgesehen.

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek sagte zu Beginn der Konferenz, wir erlebten derzeit „die fünfte industrielle Revolution“. Eine CO2-freie und gleichzeitig wirtschaftliche Produktion sei eine wesentliche Komponente der Nachhaltigkeit. „Immerhin arbeiten in der deutschen Stahlproduktion 85.000 Menschen, deswegen müssen wir die Branche in Deutschland halten, dazu brauchen wir Forschung und Innovation, zumal die konventionelle Produktionsweise bald unwirtschaftlich werden wird“. Carbon2Chem werde zu einem neuen Exportschlager, denn bereits jetzt seien weltweit 50 mögliche Standorte für den C2C-Einsatz identifiziert. C2C werde gigantische Ausmaße annehmen – schon das Ziel, am Ende 20 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einzusparen – die ihrerseits wirtschaftlich verwertbar seien, eröffne einen unglaublichen Zukunftsmarkt. Dieser brauche aber einen Ordnungsrahmen. Schließlich sei die Produktion grünen Wasserstoffs noch lange nicht wirtschaftlich. Umso mehr sei C2C ein Highlight, ein Vorzeigebeispiel für die Verbindung von technologischem Fortschritt und Klimaschutz. „Wir haben 7 Mrd. Euro für das Nationale Programm Wasserstoff bereitgestellt und weitere 2 Mrd. für internationale Partnerschaften. Wir wollen die globale Führungsrolle beim grünen Wasserstoff.“ Karliczek reimte zum Schluss ihrer Ansprache: „Es ist vorbei, CO2!“ Dann übergab die Ministerin virtuell den neuen Förderbescheid ihres Ministeriums mit 75 Millionen Euro an die drei C2C-Sprecher Görge Deerberg (Fraunhofer UMSICHT), Robert Schlögl (CEC Mülheim) und Markus Oles (thyssenkrupp). Die drei hatten pünktlich zum Oktober 2020 ein Heft Chemie Ingenieur Technik über C2C herausgebracht:

Prof. Robert Schlögl (Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion, Mülheim an der Ruhr) „Carbon2Chem® 2016-2020″

Der C2C-Ideengeber wies zunächst darauf hin, dass wir nicht mehr viel Zeit haben: Die Treibhausgas-Emissionen steigen pro Jahr um 2,5 ppm, „exponentiell, jedes Jahr schneller – das Grönlandeis verliert jedes Jahr Tausende von Gigatonnen“. Daher müssten wir uns mit unserer Arbeit beeilen und „Wissenschaft nicht nur im Labor machen, sondern auf die Straße bringen“. Es gehe darum, Kohlenstoff in die Kreislaufwirtschaft zu überführen, dazu seien aber 167 TWh Energie nötig, das sei „die Produktionskapazität aller Erneuerbare-Energien-Anlagen in Deutschland“. Dafür würden dann aber 58 Gigatonnen CO2 eingespart, 0,35 Mt pro TWh. C2C habe bereits Methanol und Harnstoff produziert – und viele weitere Stoffe aus den Kuppelgasen der Stahlproduktion – Chemikalien, Kraftstoffe, Dünger. Alles „energetisch, technisch und ökonomisch effizient“.

C2C trete jetzt in die zweite Phase ein; dazu habe man ein Kommunikationsprojekt aufgesetzt – das Projekt müsse der Bevölkerung nahe gebracht werden. Inzwischen sei ein C2C-Labor und ein Technikum aufgebaut worden – die Aufgaben seien definiert (von L-I bis L-VI) – das Projekt habe sich inzwischen deutlich verbessert. Die dynamische Fahrweise habe sich bewährt: Wenn man Grünstrom verwenden wolle, müsse man dynamisch arbeiten. Allerdings habe es in Deutschland momentan keinen Sinn, Grünstrom zur Wasserstoffproduktion zu verwenden, das sei ein kritischer Nachteil, resultierend aus der Industriegeschichte und der geographischen Lage. So hänge der Footprint des Wasserstoffs vom Footprint des Strommixes ab. Wasserspaltung zur Erzeugung grünen Wasserstoffs ist in den nächsten zehn Jahren in Deutschland nicht durchführbar. Der Kohleausstieg ist von größter Dringlichkeit, weit größer als im Gesetzgebungsverfahren beschlossen. Die Bedingungen grenzen den Bereich für die Methangewinnung ziemlich ein. Also muss über diese Bedingungen nachgedacht werden.

Der Wasserstoffplan der Bundesregierung sieht 5 GW Kapazität vor, aber nur, wenn genügend Erzeugungskapazität und die Infrastruktur vorhanden sind. Das wird  Deutschland zu keiner Zeit (ohne Import oder Export) allein schaffen. Und Schlögl räumt noch mit einer weiteren Legende auf: Der Wasserstofftransport ist keineswegs teuer – wenn er denn mit Erneuerbaren Energien durchgeführt wird. Und mehr Erneuerbare Energien bedeutet nicht unbedingt mehr Wasserstoff.

Alternative industrielle COx-Quellen aus der Stahlerzeugung kämen aus alternativen Verfahren wie etwa die Direktreduktion mit CO/H2 oder mit H2 (in der Zukunft). In jedem Prozess liegen die im Hochofenprozess entstehenden Abgase in beträchtlichen Mengen mit zwar stark variierender Zusammensetzung vor, aber die Verwendung des modularen C2C-Technologiezugs behandelt sie auf die systemisch effektivste Weise. C2C richtet prototypische Kreislaufwirtschaften mit Kohlenstoff ein. Wichtig: Die Technologie-Folgen berücksichtigen: „Wir dürfen nicht die Fehler des 19. Jahrhunderts wiederholen.“

Chemie in C2C

Alkohole sind vielseitige Plattformmoleküle für zukünftige und sich verändernde Märkte. Sie sind durch CO2 und Wasserstoff gut zugänglich. MeOH ist heute eine 80Mt/a-Grundstoff-Chemikalie. Höhere Alkohole aus Synthesegas/MeOH durch heterogene Katalyse sind neuartige Produkte im technischen Maßstab. C2C trägt wesentlich zu diesem Bestreben bei.

Die Methanolsynthese erfordert aus thermodynamischen Gründen eine Recycle-Strategie (Breakthrough-Alternativen werden im C2C-Lab gesucht). Kritisch sind die Verwendung von Wasserstoff und die Ansammlung von Inertgasen und Katalysatorgiften.

Das Band der möglichen Methanolsynthese ist schmal. Und abhängig vom richtigen Katalysator. Denn Katalysatoren verbrauchen sich (werden „vergiftet“), abhängig von Temperatur und Druck: Schon die kleine Differenz zwischen 0,5 und 0,6 % Sauerstoff schädigt den Katalysator. Sauerstoff hält – exakt dosiert – den Katalysator allerdings auch stabil. Gegenwärtig stellen wir 80 Millionen Tonnen im Jahr her. Aber wir brauchen einige hundertmal mehr.

Zu den Grenzen und Möglichkeiten der Gasreinigung: Jetzt wissen wir die Zusammensetzung der Kuppelgase. „Es sind 540 verschiedene Moleküle darin, davon konnten wir 528 identifizieren. Ich bin sicher, dass wir die Methanolsynthese in größerem Stil zu günstigen Kosten in näherer Zukunft (= 2 Jahre) schaffen werden.“ Dazu sei eine weltweite Allianz nötig.

Schlögls Schlussfolgerungen

  • Die defossilisierte Stahlerzeugung schafft einen großen Bedarf an Erneuerbaren Energien, der den Import und Austausch von Wasserstoff innerhalb Europas erfordert.
  • Die wissenschaftliche und systemtechnische Basis für C2C in der Stahlindustrie und in verwandten Anwendungsbereichen ist verifiziert und führt nun zum Prozessdesign.
  • Die derzeitige Verfügbarkeit Erneuerbarer Energiequellen in Deutschland erschwert eine groß angelegte Einführung jeder „grünen“ Stahltechnologie ohne Importe.
  • Die Basis der C2C-Technologie ist solide und fest; Probleme im dynamischen Betrieb und bei ungewöhnlichen Futterzusammensetzungen wurden angesprochen und gelöst.
  • Die C2C-Technologie ist generisch für die Stahlherstellung und andere Industriezweige mit unvermeidbaren Kohlenstoffemissionen.
  • Mit der Implementierung größerer Demonstratoren für verschiedene Nutzungsszenarien sollte jetzt begonnen werden; verschiedene Energiesysteme in der gesamten EU können für gemeinsame Aktionen in kritischen Dimensionen genutzt werden (104 t/a). C2C ist dazu bereit!
  • Erst dann kann die Schließung der Kohlenstoffkreislaufwirtschaft mit der nachgeschalteten Verarbeitung von Plattformchemikalien zu Materialien und Brennstoffen demonstriert werden.

Skalierung von CO2 und CCU: Außerhalb der Wissenschaft

  1. Verstehen, dass CCU ein Element zukünftiger Energiesysteme ist; Technologie-Offenheit umsetzen (REDllf).
  2. Implementieren der Kreislaufwirtschaft für Kohlenstoff jetzt; Schließen des Mobilitätskreislaufs ohne Doppelzählung.
  3. CO2-Preisbildungsmechanismus für Kohlenstoff in allen Energiesektoren EU-weit erforderlich.
  4. Ein zuverlässiger und langfristig stabiler Preis ist für industrielle Energie erforderlich.
  5. Es müssen große Mengen (5000 TWh) zertifizierten Wasserstoffs mit freiem Austausch innerhalb der EU verfügbar sein.
  6. Schaffung einer transeuropäischen Infrastruktur mit hoher Verfügbarkeit und maximaler Betriebssicherheit als entscheidenden ersten Schritt jetzt.

Wichtig für Schlögl ist, „dass wir keine Unfälle mit dem Wasserstoff erleben, das Vertrauen der Bevölkerung muss erhalten werden. Dessenungeachtet müssen die Dankmuster geändert werden.“ Er schloss mit dem berühmten Satz Albert Einsteins: „Wir können unsere Probleme nicht mit demselben Denken lösen, mit dem wir sie geschaffen haben.“

Patrick Child, stv. Direktor der DG Research and Innovation der EU-Kommission

Die EU sei weltweit nach China der zweitgrößte Stahlproduzent. Brüssel stecke 250 Millionen Euro in CCU. C2C werde stark unterstützt. Child nannte drei Vorhaben der EU:

  1. Partnerschaft „Grüner Stahl“
  2. Prozesse für den Planeten (Elektrizität, Abfallreduktion, etc.)
  3. Partnerschaft für sauberen Wasserstoff (Produktion, Transport und Speicherung)

Peter Altmaier, Bundeswirtschaftsminister

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier unterstrich in seiner Keynote die wirtschaftlichen Chancen des Klimaschutzes: „Der Wandel unserer Produktion, der Wandel unserer Mobilität, ja der Wandel unseres gesamten Wirtschaftslebens und unserer Gesellschaft hin zu einem Leben ohne Netto-Kohlenstoffemissionen ist nur durch innovative Technologien möglich. Das Projekt Carbon2Chem zeigt beispielhaft, wie Partner aus Wissenschaft und Industrie gemeinsam die Dekarbonisierung unserer Wirtschaft voranbringen können. Ich wünsche mir mehr solcher Projekte. Denn mit ihnen sichern wir den Wohlstand in Deutschland und bewältigen die Umstrukturierung unserer Wirtschaft in eine Green Economy.“

Es sei in überschaubarer Zukunft möglich – „vielleicht 2035, 2040“ – grünen Stahl zu produzieren und Kohle durch Gas, und dann Wasserstoff zu ersetzen, so Altmaier. Jetzt gehe es nicht mehr um Konzepte, jetzt gehe es um Implementierung. Finanzielle Unterstützung sei nötig: „Wir wollen sie leisten. Ich sagte sie unseren Stahlproduzenten zu. Vorher müssen wir wissen, welche Stahlunternehmen wann wie viel in den Wechsel investieren wollen. Viele Herausforderungen, und wir müssen den Prozess organisieren. Wir müssen demonstrieren, dass es möglich ist, große Mengen grünen Stahl zu produzieren. Dafür brauchen wir Importe, ein Transportsystem. Starkes Vertrauen in private Initiativen. Lade Sie ein, Druck auf uns auszuüben, wir wollen Ihre Bemühungen unterstützen, haben keine Zeit zu verlieren. Ich freue mich auf CO2-Neutralität kombiniert mit Wettbewerbsfähigkeit.“

Arnd Köfler (thyssenkrupp Steel Europe AG, Duisburg)
„CO2 free steel production: contribution of Carbon2Chem® and other routes?“

Das Stahlunternehmen bekenne sich zum Pariser Klimaziel, bis 2030 die Treibhausgase um 30 Prozent zu reduzieren und bis 2050 CO2-neutral zu sein. Das sei auch für thyssenkrupp eine Chance. China habe 1 Mrd. Kapazität, die erst seit dem Jahr 2000 saniert worden seien. Einzige Chance, das aufzuholen sei der Beweis einer Umstellung der Stahlproduktion mit dem Ziel, bis 2050 20 Millionen Tonnen weniger CO2 zu emittieren. Bis zur Klimaneutralität sei daher CCU wichtig. Mit C2C könne man nicht nur den Beweis erbringen dass mit existierenden Anlagen CO2-Reduktion möglich sei – sondern auch, dass die Direktreduktion (CDA) ein perfekter Baustein zur Dakarbonisierung des gesamten Stahlgeschäfts sei, wenn auch mit Ausnahmen. Mit dem Technikum habe thyssen erste Ergebnisse erzielt: Aus Wasserstoff und Synthesegas habe man bereits Methanol und Ammoniak hergestellt – ein Upscalen sei möglich. Jedenfalls habe Carbon2Chem erfolgreich die erste Phase vollendet. Das wurde erreicht:

  • Keine Hindernisse für die technische Umsetzung von Methanol und Ammoniak identifiziert, die mit Standardverfahren und Katalysatoren aus echten metallurgischen Gasen synthetisiert werden
  • Die wirtschaftliche Effizienz des Projekts wurde von allen Industriepartnern bestätigt (Meilenstein im Projekt).
  • Eine positive Auswirkung auf die Umwelt wurde ebenfalls von allen Partnern bestätigt.
  • Durchführbarkeit im industriellen Maßstab um 2025 möglich Wasserelektrolyse von tk UCE kann bei hoher Volatilität betrieben werden und eignet sich daher besonders gut für die Wasserstoffproduktion und die Integration in den Primärregelenergiemarkt

Zu den Rahmenbedingungen, die diskutiert werden müssten, gehöre die Menge grünen Wasserstoffs, die allein in Duisburg benötigt werde. Zunächst „nur“ 100.000 t, später aber weit mehr, das müsse erst noch aufgebaut werden. Und zwar bezahlbar. Daher müsse eine entsprechende Wasserstoffwirtschaft auch außerhalb Europas angegangen werden. Allerdings werde da niemand mitmachen ohne festen Abnehmer. Grüne Wasserstofferzeugung auch auf Anbieterseite müsse auch außereuropäisch samt Infrastrukturen angeschoben werden.

thyssenkrupp hat alle Schlüsseltechnologien unter einem Schirm und ist Nr. 1 in der Elektrolyse-Versorgung für groß-industrielle Lösungen.

Köfler forderte eine EEG-Ausnahmeregelung für Elektrolyseure und die Aufnahme von Wasserstoff als Energieträger in das EnWG.

Martin Stratmann, (MPG-Präsident) Tasks for the fundamental research

C2C macht den MPG-Präsidenten stolz, das Projekt zeige, dass viele Partner erfolgreich zusammenarbeiten können. Sein besonderer Dank ging wiederholt an Robert Schlögl als Herz des Projektes und als Antreiber. Der Klimawandel verfolge uns überall auf der Erde. Daher sei der Ersatz fossilen Kohlenstoffs eine gigantische technische Herausforderung, die größte für die Menschheit.

Der MPG-Präsident nannte drei Punkte, die ihm besonders am Herzen liegen:

  1. Katalyseforschung sei ein zentrales Element, denn ein Großteil chemischer Verfahren laufe mit Katalyse; noch sei man weit davon entfernt, das vollständig zu verstehen. Moderne Datenanalyse-Verfahren könnten helfen. Die Katalyseforschung stehe immer wieder für Überraschungen.
  2. Wasserstoff-beständige Materialien für Erzeugung und Transport, in großen Fernnetzen, aber auch lokal. Dafür sei Materialforschung notwendig, denn Wasserstoff sei äußerst reaktionsfreudig.
  3. Akzeptanz durch Bevölkerung: durch Sicherheit; technologisch zwar hervorragendes Konzept, aber letztlich zu scheitern droht, wenn Bevölkerung sich dagegen wendet.

Die vier Forschungsgemeinschaften haben der Bundesregierung ein gemeinsames Positionspapier zu diesen Themen vorgelegt – so Stratmann. Die MPG will Wegbereiter für neue Wissenschaft sein, nicht umsonst habe sie seit dem 2. Weltkrieg 20 Nobelpreisträger hervorgebracht.

Stratmann betonte wichtige Rahmenbedingungen – die Transformation einer ganzen Industrie werde nur gelingen, wenn die wirtschaftlichen Bedingen stimmten. Der CO2-Preis sei entscheidend, 25 Euro führe zu einem Anstieg von 6-7 ct, das sei relativ moderat. Denn wir würden wahrscheinlich einen sehr viel höheren CO2-Preis benötigen. Auf diesem Weg müssten die europäischen Partner aber mitgenommen werden. Die Energiekonversion müsse grenzüberschreitend verkoppelt werden. Dazu seien erneut verlässliche Rahmenbedingungen notwendig – er hoffe, dass die Politik das verstehe.

Prof. Ralf B. Wehrspohn (Fh-Gemeinschaft): Hydrogen innovations – drivers of sustainable value creation

Schon vor drei Jahren hat die Fraunhofer-Gemeinschaft ein Wasserstoff-Netzwerk gegründet – breit gestreut mit 29 Instituten – mit dem Ziel, Wasserstofftechnologien kurzfristig bis zur Marktreife zu entwickeln und somit einen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Die Kompetenzen reichen dabei von der Material- und Systementwicklung sowie der Produktion über die Anwendung in der Energiewirtschaft und der Industrie bis hin zu Querschnittsthemen wie Sicherheit und Lebenszyklus-Analysen. Im Oktober 2019 wurde der Regierung eine von vier Instituten aus dem Fraunhofer-Wasserstoff-Netzwerk erarbeitete Wasserstoff-Roadmap für Deutschland überreicht, als Diskussionsbeitrag zur Vorbereitung der „Nationalen Wasserstoff-Strategie“ der Bundesregierung. Wehrspohn freute sich über die 5 GW der Regierung im Rahmen des Nationalen Wasserstoffprogramms. Wichtig für ihn ist es, die Veränderungen technologieoffen anzugehen.

Wehrspohn diagnostizierte drei Achsen der Defossilisierung von Stahl:

  1. CCS (Carbon Sequestration and Storage – CO2-Abscheidung und Speicherung)
  2. CCU (Carbon Capture and Utilization, CO2-Abscheidung und Nutzung – Stahlwerk mit Chemie-Fabrik gekoppelt – Hüttengase haben damit einen Wert)
  3. CDA (Carbon Direct Avoidance, direkte CO2-Vermeidung) – höchste Effizienz bei Stand-Alone-Stahlwerken (Beispiel Salcos = Salzgitter Low CO2-Steelmaking)

Die erwarteten Wasserstoffbedarfe 2050:

  • 1,8 Mio t in der Stahlindutrie –
  • in der chemischen Industrie 7 Mt

Übergang zur Grün-Wasserstoff-Wirtschaft: Von grauem über blauen und türkisen hin zu grünem Wasserstoff (wenn Methan-Pyrolyse mit grünem Methan sogar CO2-negative Herstellung). Offen an die Technologien herangehen!

Zusammenfassung

  • Wasserstoff ist das Schlüsselelement zum Erhalt der Technologie- und damit Innovationshoheit bei Rohstoffen in Deutschland
  • Fraunhofer arbeitet technologieoffen, um den zukünftigen H2-Bedarf auf Basis nachwachsender Rohstoffe zu decken.
  • Fraunhofer ist Ihr Innovationspartner für eine Wasserstoffwirtschaft in Deutschland und Europa auf der Basis unserer Roadmap und ~ eines breiten Kompetenzportfolios
  • Wasserstoffbedarf ist in deutschen Schlüssel-Rohstoffindustrien erheblich

Tara Nitz (Covestro) – Creating carbon cycles: key to climate neutrality and resource protection

covestro hat sich die Kreislaufwirtschaft auf die Fahnen geschrieben – Stichworte:

  • Abfallmanagement,
  • Kohlekreisläufe (CO2– und bio-basierte Rohstoffe und Technologien) und
  • Neue Technologien samt Partnerschaften.

Schließlich der Ersatz von Rohöl durch Nutzung von CO2. Im Rahmen der Coversto-Beteiligung an Carbon2Chem sprach Nitz von „Carbon2Polymers“ – Polyurethane und Polycarbonate.

Holger Lösch (BDI) „Decarbonising energy-intensive industries – chance oder mission impossible?“

Der BDI-Vertreter begleitet Carbon2Chem von Anfang an – er beginnt mit einem Bild: „Als ob wir ein schönes Schloss gebaut hätten, nun aber das Fundament auswechseln müssen, ohne dass es uns zusammenfällt. Es wird uns sehr viel Geld kosten, die Lücke zwischen politisch Gewünschtem und industrieller Realität zu schließen. Energieintensive Industrien sind schwer zu dekarbonisieren, obwohl sie Grundlage für alles sind.“ Die Emissionen seien seit 1990 sind bereits um 30 Prozent gesenkt worden. Ohne die Unterstützung von Politik und Gesellschaft werde es nicht weiter gehen: „CCU und CCS müssen dringend aus der Schmuddelecke heraus. Genehmigungsverfahren müssen schneller werden.“ Europas Anteil von 9 Prozent an den weltweiten CO2-Emissionen falle nicht sonderlich ins Gewicht, aber das Beispiel wirke – dass wir das Klimathema gut bewältigen, eröffne enorme Möglichkeiten für den Export. Wenn es uns andererseits nicht gelinge, emissionsfreie Industrien zu schaffen, würden wir sie verlieren. „Es braucht dafür sehr viel politischen Willen.“

Die energieintensiven Industrien kämpfen mit Produktionsüberschüssen und Billigkonkurrenz, Potenziale geraten unter Druck. Beispiel Zementindustrie, die sei schwer zu dekarbonisieren – es gibt aber Wege mittels CCS und CCU. „Oder der Stahl: Carbon2Chem oder Direktreduktion, das sind Dinge, die wir zwar im Labormaßstab kennen – es sind aber ganz andere Dimensionen nötig.“ Aber man dürfe nicht nur bei den Prozessen ansetzen, auch bei den Produkten und den Ausgangsstoffen; neue, leistungsfähige chemische Verbindungen müssten kommen. Nicht zu vergessen die Möglichkeiten und Chancen der digitalen Techniken.

Das alles sei ein gigantisches Veränderungsmoment – noch nie habe die Menschheit versucht, ihre aktuelle Situation so grundlegend zu verändern. Die Industrie sei in großem Maßstab dabei, die Chancen zu realisieren und nicht von den Risiken erschlagen zu werden, zeigte sich Lösch hoffnungsvoll: „Keine Mission impossible“.

Jörg Rothermel (VCI) „The chemical industry – seeking and offering solutions for a CO2-neutral future“

Seit 1990 hat sich die Produktion der chemischen Industrie um 76 Prozent erhöht, verbraucht aber 35 Prozent weniger Energie und stößt entsprechend weniger THG-Emissionen durch Wechsel von (Braun-)Kohle zu Gas aus. Durch Kraft-Wärme-Kopplung, Optimierung der Produktionsprozesse und verbessertes Wärmemanagement (Verbundstandorte). In Deutschland effizient zu produzieren sei besser als ineffizient in jeder anderen Region der Welt.

Emissionsreduzierung auf verschiedene Art und Weise – Grundtechnologien: Kohlekreislaufwirtschaft: „wir sind die einzige Industrie, die Kohle als Rohstoff verwendet“. Wichtig sei Elektrifizierung und Deckung des wachsenden Energiebedarfs durch Erneuerbare. Kreislaufwirtschaft sei um weitesten Sinne zu verstehen – von Wiederverwendung über chemisches Recycling (auch Zersetzung) bis zur Wärmegewinnung durch Verbrennung; 10 Prozent des Energieverbrauchs seien schon heute Biomasse. Viel Energie werde gebraucht, um die Kreislaufwirtschaft weiterzubringen. Zahlreiche Technologien würden genutzt – zum Recycling, alternative Kohlenstoffquellen und Wasserstoff.

Große Investitionen seien nötig, um auf minus 100 Prozent THG-Ausstoß zu kommen – auch hier mittels Wasserstoff. Strom muss dafür unter 4 ct/kWh sinken.

  • Die chemische Produktion wird energieintensiver werden. Die Nachfrage nach Erneuerbaren Energien wird dramatisch steigen (auf mehr als 600 TWh).
  • Ein großer Teil wird für die Wasserstoffproduktion benötigt (hauptsächlich durch Elektrolyse)
  • Die Konkurrenzfähigkeit der neuen Prozesse wird durch einen günstigen Wasserstoffpreis bestimmt, der nur durch eine sehr niedrige Elektrizität (von etwa 4 CenVKWh) gedeckt werden kann.
  • Der Transfer wird kostenpflichtig sein:
  • Investitionen (ca. 45 Mrd. Euro nur für Grundchemikalien) in neue Anlagen für die neuen Technologien müssen „gefördert“ werden.
  • Wichtigste Technologie wird die „Zirkulation von Kohlenstoff“ sein
  • Benötigt eine wirksame Kreislaufwirtschaft für Kohlenstoff, die nur zusammen mit der gesamten Wertschöpfungskette und durch gesellschaftliche Akzeptanz realisiert werden kann.
  • Zeitleiste: Die Transformation wird nicht zwangsläufig dem ehrgeizigen Reduktionspfad“ des Europäischen Green Deal oder nationaler Regelungen bis 2050 folgen.

Elise Le Goff (Commissariat á l´énergie atomique et aux énergies alternatives, Paris) PtX technologies contribution to GHG reduction – CatVIC project

Das CatVIC-Projekt (Catalytic Valorization of Industrial Carbon) mit den deutschen Partnern Clariant, Sunfire und CEC (die fanzösischen sind Liten, Osiris und Entrepose) ist eine deutsch-französische Initiative, die von den französischen und deutschen Forschungsministerien MESRI und BMBF unterstützt wird. Das CatVIC-Projekt wird von ANR und BMBF finanziert und startete im Oktober 2019. Das Projekt zielt auf die Entwicklung eines hochinnovativen Power-to-X-Systems ab, das auf der umweltfreundlichen Wasserstoffproduktion mit Hilfe der Hochtemperatur-Elektrolysetechnologie und auf fortschrittlichen katalytischen Optionen für die Valorisierung der unvermeidlichen CO2-Emissionen aus energieintensiven Industrien basiert.

Die strategischen Ambitionen der CatVIC-Partner sind im Hinblick auf Forschung und Innovation für den nachhaltigen Energieübergang aufeinander abgestimmt. Die ehrgeizige Forschungszusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland soll dazu beitragen, die europäische Führungsrolle im Bereich der sauberen Energietechnologien zu stärken, und wird insbesondere die aufstrebende europäische Wasserstoffindustrie unterstützen. Durch dieses Vorzeigeprojekt werden sich Frankreich und Deutschland als Vorbilder für den laufenden Energiewandel hin zu einer kohlenstoffarmen Kreislaufwirtschaft positionieren.

Die Ziele des Projekts CatVIC

  • Wissenschaftliche Untersuchungen und technologische Entwicklungen
  • Energie-Integrationen, Möglichkeiten der Raumintegration
  • Treibhausgasauswirkungen und Kosten von MeOH/Olefinen, die auf herkömmlichem Weg hergestellt werden
  • Vermeidungskosten und Potenzial von Treibhausgasen (GHG)
  • Flexibilitäten der SOEC-Fähigkeiten
  • Definition einer Demonstrationseinheit zur besten Valorisierung von abgeschiedenem CO2 und kohlenstoffarmem Strom

Daniel Muthmann (Open Grid Europe GmbH, Essen)
Establishment of a new European energy system by 2050

Wir reden über eine enorme Veränderung. OGE wurde 2004 als E.ON-Gastransport gegründet, 2010 umbenannt in OGE. Wie können wir die Parisziele wirklich erreichen? Wasserstoff ist das Mittel. Das künftige Energiesystem benötigt Moleküle – und Wasserstoff ist eine der sehr wenigen verfügbaren Alternativen.

Was ist diesmal also anders als zu früheren Zeiten, als Wasserstoff auf die Tagesordnung kam?

  1. Bewusstsein: Auf unserem Planeten ist reichlich erneuerte Energie in Form von Molekülen (transportiert und gelagert) verfügbar.
  2. Keine akzeptable Alternative: Angesichts der Bemühungen in Sachen Klimaschutz ist Wasserstoff (und synthetisierte Produkte davon) heute der einzige taugliche Träger zur Überwindung der Herausforderungen
  3. Skaleneffekte: Entwicklungs- und Vergrößerungs-Potenzial sowohl im Produktlonstechnologien als auch in der regenerativen Stromerzeugung könnte in 10-15 Jahren für wettbewerbsfähige Preise sorgen
  4. Option Vorreiter Lauf: Europo mit hoher Energienachfrage und gut vernetzter Gasinfrastruktur ist am besten in der Lage, einen H2-Markt zu entwickeln (auch für Importe)
  5. Industrie-Führerschaft: H2 bietet der Industrie führende Möglichkeiten.

Muthmann hob das Asset-Projekt „Hydrogen Suitability“ hervor.

Weitere Punkte Muthmanns:

  • Langzeitvision eine Gas-Infrastruktur in Deutschland auf TSO und DSO-Level
  • 2040 – Das große Bild
  • Schlussfolgerungen für die Versorgungsperspektive: Erneuerbarer und Wasserstoff-Scale-Up
  • Wieder hier und jetzt anfangen UND „Think big!“

Zusammenfassung und Ausblick – Markus Oles, thyssenkrupp

Oles dankte zum Abschluss des ersten Konferenztages Ministerin Karliczek und blickte vier Jahre zurück – man habe in der ersten Phase die Grundlagen schaffen wollen und das sei gelungen. Erste Lösungen seien erarbeitet worden. Angefangen als Grundlagen und forschungsorientiert – gutes Zeichen sei es gewesen, dass nicht nur die BMBF, sondern auch der Bundeswirtschaftsminister aufgetreten sei. Wie groß die Aufgabe sei, habe Holger Lösch mit seinem Bild gesagt, „dass wir das Fundament unseres Schlosses auswechseln müssten“.

->Quellen: