JET bereitet energieerzeugende Fusionstests vor

Europäische Gemeinschaftsanlage plant 2021 wieder Experimente mit Deuterium-Tritium-Plasmen

Wie das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching und EUROfusion am 14.12.2020 mitteilte, sind am europäischen Gemeinschaftsexperiment JET – dem Joint European Torus, der weltweit größten Fusionsanlage, nicht zu verwechseln mit ITER (siehe: solarify.eu/groesster-fusionsreaktor-der-welt-startet-montage) – in Culham/Großbritannien im kommenden Jahr neue Plasmaexperimente geplant. JET ist die zurzeit einzige Anlage, die mit dem Brennstoff eines künftigen Fusionskraftwerks experimentieren kann.

Am CCFE ist der Startschuss für ein neues wissenschaftliches Programm gefallen, das EUROfusion aufgelegt hat, um die weltweit einzigartigen Eigenschaften der europäischen Fusionsforschungsanlage JET weiter auszuschöpfen. JET wurde vor allem durch das Auskleiden seiner Innenwand mit Beryllium und Wolfram soweit aufgerüstet, dass es die Anlage de facto zu einer Miniaturversion von ITER, dem internationalen Fusionsreaktor der nächsten Generation, macht. Damit nähert sich JET wie keine andere bestehende Anlage den ITER-Betriebsbedingungen an. Das neue wissenschaftliche JET Programm (auch als „Kampagne“ bezeichnet) markiert den Höhepunkt umfangreicher technischer und wissenschaftlicher Weiterentwicklungen seit der Installation der „ITER-ähnlichen“ Innenwand im Jahr 2010. Es folgten eine neue und verbesserte Diagnostik sowie ein umfangreiches Upgrade der Neutralteilcheninjektionsheizung.

Im europäischen Fusionsforschungsprogramm hat der Tokamak JET die Aufgabe, Plasmen in der Nähe der Zündung zu untersuchen. Die weltweit größte Fusionsanlage ist die zurzeit einzige, die mit dem Brennstoff eines künftigen Fusionskraftwerks experimentieren kann, den beiden Wasserstoff-Sorten Deuterium und Tritium, dem schweren und überschweren Wasserstoff. Alle anderen Anlagen arbeiten mit Test-Plasmen aus leichtem Wasserstoff oder Deuterium.

In der ersten Deuterium-Tritium-Kampagne 1991 ist es mit JET zum ersten Mal in der Geschichte der Fusionsforschung gelungen, Energie durch Kernfusion freizusetzen. Für die Dauer von zwei Sekunden lieferte das Plasma eine Fusionsleistung von 1,8 Megawatt. 1993 wurde JET nach dem Vorbild der IPP-Anlagen ASDEX und ASDEX Upgrade mit einem neuen Bauteil – einem sogenannten Divertor – ausgerüstet. In der zweiten Deuterium-Tritium-Kampagne 1997 mit verändertem Mischungsverhältnis der Brennstoffe konnte JET die Fusionsleistung auf 16 Megawatt steigern. Das entspricht mehr als der Hälfte der aufgewendeten Heizleistung. Für einen Nettogewinn an Energie ist das JET-Plasma allerdings zu klein. Dies ist die Aufgabe des internationalen Experimentalreaktors ITER, der zurzeit in Cadarache in Südfrankreich aufgebaut wird.

Von 2009 bis 2011 wurde die frühere Kohlenstoff-Auskleidung des Plasmagefäßes durch eine Mischung aus Beryllium und – wiederum nach dem Vorbild von ASDEX Upgrade – aus Wolfram ersetzt. Die gleichen Materialien sind auch für ITER vorgesehen: Wolfram ist widerstandsfähiger als Kohlenstoff, der überdies zu viel Wasserstoff einlagert. Allerdings stellt die metallische Wand hohe Anforderungen an die Qualität der Plasmaführung. Eine Voraussetzung dafür war der Ausbau der Neutralteilchen-Plasmaheizung, die seit kurzem gut 30 Megawatt in das Plasma einspeisen kann.

Anschließend war man über das ganze Jahr 2020 hinweg in aufwändiger Detailarbeit damit beschäftigt, unter den veränderten Wand-Bedingungen mit Plasmen aus Deuterium die passenden Plasma-Szenarien für die dritte Deuterium-Tritium-Kampagne zu entwickeln. Die für diese Perfektionierung der Betriebsweisen zuständige Gruppe von etwa hundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wurde von Jörg Hobirk und Athina Kappatou aus dem IPP sowie zwei weiteren Forschern aus Fusionslaboratorien in Belgien und Großbritannien geleitet. Die Ergebnisse – stabile Hochleistungsplasmen in Deuterium über rund fünf Sekunden – stimmen zuversichtlich für den kommenden Tritium-Betrieb.

Mit der dritten Deuterium-Tritium-Kampagne will man vor allem Daten zur Vorbereitung der Experimente mit dem Experimentalreaktor ITER gewinnen. „Diese Untersuchungen sind von großer Bedeutung“, sagt Hobirk, „weil die bisherigen JET-Werte, die in die Vorbereitung der ITER-Experimente eingehen, nicht mit einer ITER-ähnlichen Metallwand, sondern mit einer Kohlenstoff-Wand erzielt wurden“.

Begonnen wird zunächst mit Experimenten in reinem Tritium. Hierbei wird zwar kaum Energie freigesetzt, aber es bietet sich „die einmalige Gelegenheit, die Eigenschaften von Tritium- und Deuterium-Plasmen vergleichen zu können und den Einfluss des Isotopeneffekts auf das Plasmaverhalten zu studieren, zum Beispiel auf die Turbulenz im Plasma oder das Dichte- und Temperaturprofil“, so Hobirk. Nach einer sorgfältigen Auswertung soll dann in der zweiten Jahreshälfte an JET die dritte und letzte Deuterium-Tritium-Kampagne starten.

Tritium-Experimente für ITER von entscheidender Bedeutung

Die geplanten Deuterium-Tritium-Experimente (DT-Experimente) in JET sind der Schlüssel zur Entwicklung wissenschaftlicher Konzepte, die ITER zum Erfolg verhelfen werden. Außerdem werden sie JET-Physikern und -Ingenieuren wichtige Erfahrungswerte für den Tokamakbetrieb mit Tritium liefern. Im Anschluss daran werden 2020 eine Wasserstoffkampagne und eine Tritiumkampagne zur Untersuchung des Einflusses der Isotopenmasse auf wichtige plasmaphysikalische Mechanismen wie Plasma-Wand-Wechselwirkungen und Energietransport folgen. Daran schließt sich die DT-Kampagne (DTE2) an. Eine Deuteriumkampagne zum Reinigen des Tritiums aus der ersten Wand von JET wird die Versuchsphase abschließen.

Einmalige Gelegenheit

Bis ITER im Jahr 2035 mit Tritium betrieben werden wird, sind die Experimente mit Tritium und Deuterium-Tritium bei JET die einzige Möglichkeit für Fusionswissenschaftler, die Physik zu verstehen, die diesen Plasmen zugrunde liegt. Diese Experimente sind für ITER und später für DEMO, den Prototyp eines Fusionskraftwerks, wegweisend. Das wissenschaftliche Programm wird von einem großen, multi-disziplinären Team durchgeführt. Es besteht aus circa 450 Wissenschaftlern aus 29 europäischen Forschungseinrichtungen (darunter Mehr als 70 Wissenschaftler von ITER und den ITER-Partnern), einschließlich des CCFE (The Culham Centre for Fusion Energy).

Hintergrund
JET wurde von den Mitgliedern des Europäischen Fusionsprogramms gemeinsam konzipiert und gebaut und wird seit 1983 auch gemeinsam betrieben. Für die technischen Abläufe ist das englische Fusionszentrum „Culham Centre for Fusion Energy“ in Culham bei Oxford zuständig, während zeitweise abgeordnete Wissenschaftler und Techniker aus den Laboratorien des europäischen Fusionsprogramms EUROfusion kampagnenweise an der Anlage arbeiten. Mit zahlreichen Abordnungen ist das IPP ein wichtiger Teilnehmer des JET-Programms.

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