Anhörung im Bundestagsausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
Die Neufassung der Großfeuerungs-, Gasturbinen- und Verbrennungsmotoranlagen-Verordnung und zur Änderung der Verordnung über die Verbrennung und die Mitverbrennung von Abfällen ist von Sachverständigen unterschiedlich bewertet worden. In einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit am 13.01.2021 forderten einzelne Experten eine Verschärfung der Grenzwerte, während andere vor diesem Schritt warnten. Kritisiert wurde in der von der Ausschussvorsitzenden Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) geleiteten Anhörung zudem die kurze Übergangsfrist.
Der Entwurf der Verordnung, den die Bundesregierung am 02.12.2020 verabschiedet hat, setzt Vorgaben eines Beschlusses der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2017 um. Damit sollen für die EU-Mitgliedsstaaten verbindlich einzuhaltende Emissionsbandbreiten für Großfeuerungs-, Gasturbinen- und Verbrennungsmotoranlagen definiert werden. Ziel der Verordnung ist es unter anderem, die Emissionen bestimmter Luftschadstoffe und die Freisetzung von Quecksilber zu verringern. Betroffen davon sind in Deutschland rund 580 Kraftwerke und andere Anlagen zur Strom- und Wärmeerzeugung.
Von ambitionierten Zielen sprach Holger Lösch vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). In einigen Punkten würden die Vorgaben der EU sogar übertroffen. Aus Sicht des BDI sei es wichtig, die Emissionsanforderungen nicht weiter zu verschärfen, da sonst deutsche Unternehmen im Wettbewerb benachteiligt würden. Lösch forderte zudem, die bis August 2021 vorgesehene Übergangsfrist für bestehende Anlagen zu verlängern, da die Nachrüstung in der zur Verfügung stehenden Zeit kaum möglich sei.
Michael Beckmann vom Institut für Verfahrenstechnik und Umwelttechnik an der Technischen Universität Dresden bezeichnete den Entwurf der Verordnung als „gutes Werk“. Die Verordnung werde zweifelsohne zu einer Verbesserung der Umwelt führen. Allerdings erschienen einzelne Vorgaben sehr ambitioniert und seien „an die Grenze des Machbaren“ gegangen. Noch schärfere Vorgaben seien bei bestehenden Kohlekraftwerken unter Berücksichtigung der gegebenen Anlagetechnik nicht möglich. Grundsätzlich müsse die Anpassung der Grenzwerte dem Stand der Technik folgen, betonte Beckmann.
Noch strengere Grenzwerte würden bedeuten, über den heutigen Stand der Technik hinauszugehen, sagte auch Alfons Kather vom Institut für Energietechnik der Technischen Universität Hamburg. Deshalb könnten sie nicht rechtzeitig umgesetzt werden, zumal die Übergangsfrist extrem knapp bemessen sei. Besonders bei Neuanlagen seien die Vorgaben teilweise „sehr ambitioniert“. Insgesamt bezeichnete Kather die Verordnung jedoch als „ausgewogenes Paket aus ambitionierten Grenzwertverschärfungen und den unter technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten in den Kraftwerken erreichbaren Emissionswerten“.
In vielen Fällen werde die Zeit für die Umsetzung der neuen Anforderungen nicht ausreichen, kritisierte auch Wolfgang Konrad vom Kraftwerkunternehmen Steag. In zwei Punkten meldete er Änderungsbedarf an: Bestehende Anlagen mit weniger als 1.500 Betriebsstunden im jeweiligen Jahr sollten von der Pflicht zur Einhaltung der Emissionsgrenzwerte befreit werden, und die Grenzwerte für Methan sollten nicht mehrmals innerhalb weniger Jahre gesenkt werden.
Die erneute Verschärfung des erst 2019 festgelegten Grenzwerts für Methan sei ein Problem, sagte auch Tobias Ehrhard vom Maschinen- und Anlagenbauverband VDMA. Man müsse berücksichtigen, was die vorhandene Technologie zu leisten imstande sei. Grundsätzlich seien die Hersteller von Verbrennungsanlagen jedoch an ambitionierten Grenzwerten interessiert, da diese zur Weiterentwicklung der Technologie beitrügen.
Im Unterschied zu seinen Vorrednern sprach sich Hartmut Herrmann vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung für niedrigere Grenzwerte aus. Das gelte besonders für die Quecksilberemissionen, die „ein massives globales Problem“ darstellten. Grundsätzlich erschienen die neuen Emissionsgrenzwerte allerdings als „sinnvoller Kompromiss zwischen dem Schutz der Erdatmosphäre und damit der menschlichen Gesundheit sowie dem technisch sinnvollen wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen“.
Noch weiter ging Christian Tebert vom Ökopol-Institut für Ökologie und Politik. Die Grenzwerte bei Quecksilber und Stickstoffoxiden seien deutlich zu hoch angesetzt, kritisierte er. Besonders die Quecksilberbelastung müsse so weit wie möglich gemindert werden, da sie bereits jetzt in allen deutschen Gewässern über dem Grenzwert liege. Tebert widersprach zudem der These, strengere Vorgaben würden über den Stand der Technik hinausgehen. Vielmehr setzte Deutschland mit der neuen Verordnung „unambitionierte Werte“ um. (hib/CHB)
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