GB: Netto Null und neue Kohlemine

West Cumbria Mining will 750 Millionen Tonnen „metallurgischer Kohle“ aus dem Meeresboden holen und verbrennen

Großbritannien wird trotz beschlossenen Kohleausstiegs und Netto-Null-Ziels für 205 seit drei Jahrzehnten erstmals wieder eine neue Steinkohlengrube eröffnen – unter dem Meeresboden an der Küste der Grafschaft Cumbria im Nordwesten Englands. Kritiker werfen der Johnson-Regierung – Gastgeber der nächsten Klimakonferenz COP26 – deshalb Heuchelei vor. Schätzungen zufolge werden dadurch jährlich zusätzlich 8,4 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß verursacht.

Einer der weltgrößten Steinkohlebrocken, Museum Zeche Zollverein Essen – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die Gegend war Jahrzehnte lang Kohleregion – bis1986. Die Regierung hat nun den Weg frei gemacht für eine neue Mine. Großbritannien will aber dennoch bis 2025 aus der Kohle aussteigen und bis 2050 netto null CO2-Emissionen erreichen. Schon seit 2014 trieb West Cumbria Mining (WCM) mit großem Aufwand die Pläne der neuen Kohlemine namens Woodhouse Colliery voran.  Denn WCM vermutet unter dem Meeresboden vor der Küste von Whitehaven 750 Millionen Tonnen Steinkohle.

Entsprechend erfreut zeigte sich das Unternehmen davon, „dass die Regierung der Entscheidung des Cumbria County Councils zugestimmt hat, den Planungsantrag für das Projekt zu genehmigen und die Halteanordnung aufgehoben hat.“ Taktisch geschickt spricht WCM von „metallurgischer Kohle“, mit der das Bergwerk die britische und internationale Stahlindustrie beliefern soll, „Hunderte von gut bezahlten lokalen Arbeitsplätzen schaffen und eine erstklassige Lieferkette in der gesamten Grafschaft unterstützen.“

Die Umwelt- und Klimaauswirkungen spielt WMC herunter

„West Cumbria Mining ist bestrebt, ein guter Nachbar zu sein, und als Teil davon ist der Schutz der lokalen Umwelt eine wichtige Priorität. Dazu gehört die Überwachung der visuellen und lärmbedingten Auswirkungen, der lokalen Tierwelt und der Transportbewegungen“, beginnt die Erklärung von WCM auf seiner Internetseite in Sachen Umweltschutz. Die vom International Council on Mining and Metals festgelegten nachhaltigen Prinzipien wolle man „nach Möglichkeit erfüllen und übertreffen“. Denn „diese Prinzipien stellen sicher, dass die Nachhaltigkeit in allen Phasen des Lebenszyklus der Mine in den Kern unseres Geschäfts integriert wird“.

WCM glaubt (und es folgt ein ultralanger Satz), „dass die Herausforderungen und Chancen einer nachhaltigen Entwicklung am effektivsten mit einer sorgfältigen Planung angegangen werden können. Unsere Umweltverträglichkeitsprüfung, die mögliche Auswirkungen auf die Ökologie, den Lärm, die Landschaft und das Landschaftsbild, die Luftqualität, die Wasserqualität, die Bodenbeschaffenheit und die historische Umgebung identifiziert, wurde von einem Team erfahrener, unabhängiger und fachkundiger Berater erstellt“. Dies und die daraus resultierende Umwelterklärung stellten sicher, dass das WCM-Team „ständig gefordert“ sei, „sicherzustellen, dass die Nachhaltigkeit in alle unsere Entscheidungen einbezogen wird“.

WCM weiß bereits vorher, dass „sobald die Mine gebaut und in Betrieb“ sei, werde „es nur sehr geringe Auswirkungen auf die Umwelt geben“ – die Mine werde sich „mit Sicherheit sehr von den Bergbaubetrieben des letzten Jahrhunderts unterscheiden“. Ihre Umweltbelastungen wurden minimiert, „keine Abwässer in die Umwelt geleitet“. Es werde optimaler Schallschutz installiert. Die geförderte Kohle werde per Bahn, Förderband und Schiff abtransportiert. Nach Möglichkeiten, die Auswirkungen auf die örtlichen Straßen gering zu halten,werde noch gesucht – mit ausgewiesenen Anlieferungsrouten und -zeiten, Bussen für Schichtarbeiter, ausreichend Parkplätzen (mit Ladestationen für Elektroautos) und Programmen für den Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad. Zum „Minendesign gehört auch die Schaffung einer neuen großen öffentlichen Grünfläche, die mit lokalem Saatgut, Sträuchern und Bäumen bepflanzt und von WCM gepflegt wird, um sicherzustellen, dass sie nutzbar und attraktiv bleibt. Damit wird auch eine neue Fußwegverbindung von der High Road zum Küstenpfad geschaffen“, so WCM.

Proteste

Bürgerinitiativen protestierten mit einer Petition gegen das Kohleprojekt. Neben dem hohen CO2-Ausstoß verwiesen sie darin auch auf den Nuklearkomplex Sellafield, der nur wenige Kilometer von der neuen Mine entfernt liegt: Das Development Control and Regulation Committee des Cumbria County Council habe einstimmig dafür gestimmt, „den Kohleabbau unter der Irischen See zu erlauben. Das trotz der Anhörung von Experten über die fatalen Auswirkungen auf das Klima und einer lokalen zivilgesellschaftlichen Gruppe, die sich über die Nähe der Mine zu den hochradioaktiven Abfällen von Sellafield sorgt. Es bleiben erhebliche Fragen über das Ausmaß der radiologischen und klimatischen Auswirkungen, die sich aus diesem Vorhaben ergeben (selbst wenn die Kohle für die Stahlproduktion verwendet wird, wird es zu erheblichen CO2-Emissionen kommen). Wir nehmen zur Kenntnis, dass der Zweck der Befugnis unter dem Town and Country Planning Act 1990 darin besteht, dem Minister die Befugnis zu geben, Planungsanträge zurückzuziehen, wenn er der Meinung ist, dass dies ‚im nationalen Interesse notwendig oder wünschenswert ist‘ Dies ist eindeutig ein solcher Fall.“

„Wenn dieses Bergwerk in Betrieb gehen würde und die Kohle, die sich jetzt sicher unter der Erde in der Obhut des Cumbria County Council befindet, als CO2 in der Atmosphäre landen würde, gäbe es ein ernsthaftes Risiko für die Auswirkungen des Klimawandels, einschließlich einiger Tausend Todesfälle, die weit in die Zukunft reichen. Die Mine könnte auch zu einem weltweiten Verlust von Existenzen und Häusern führen, der ein Vielfaches der in Cumbria geschaffenen Arbeitsplätze ausmacht,“ schrieb Laurie Michaelis, Hauptautor oder einberufener Hauptautor bei mehreren IPCC-Berichten, einschließlich des Sonderberichts über Emissionsszenarie).

„Der Antrag sollte abgelehnt werden, weil er nicht im nationalen Interesse liegt. Aus der Durchsicht der von West Cumbria Mining eingereichten Unterlagen geht klar hervor, dass die Absicht besteht, die Kohle nach Europa und Asien zu exportieren…Der Antrag auf Bergbau liegt zu nahe am Atomkraftwerk Sellafield und dem Vorschlag für ein weiteres Atomkraftwerk in Moorside. Der Untertagebau kann erhebliche Auswirkungen auf die umliegenden Gebiete haben, kürzlich löste eine Kokskohlemine in Russland ein Erdbeben aus.“ (Coal Action Network)

„Die Environment Agency, die Royal Society for the Protection of Birds, Scientists for Global Responsibility, Dr. Laurie Michaelis, IPCC-Autor und andere behaupten weiterhin, dass die Entwickler keine ausreichenden Beweise vorgelegt haben, da keine unabhängigen Bewertungen durchgeführt oder vom Rat angefordert wurden. Das Komitee wurde zu einer einstimmigen Genehmigung der Kohlemine verleitet.“

->Quellen: