Studie hält Stromgestehungskosten der Fossilen durchgehend für unterschätzt
Stromgestehungskosten (LCOE) zeigen die Preise von Kohle- oder Solarstrom über einen längeren Zeitraum an und werden als Grundlage für Energiekostenvergleiche genommen. Energie-Experte Hans-Josef Fell hat nun eine amerikanische Untersuchung („Das große Scheitern: Wie ungenaue Mainstream-LCOE-Schätzungen eine Billionen-Dollar-Blase in konventionellen Energieanlagen erzeugen“ gelesen, mit dem Ergebnis, dass die LCOE von Strom aus konventionellen Kraftwerken in den vergangenen zehn Jahren durchweg auf falscher Basis berechnet worden seien.
Fell: „Entlang dieser Stromgestehungskosten wurde und wird bis heute für oder gegen Erneuerbare Energien argumentiert. Meist heißt es, die Erneuerbaren Energien seien noch zu teuer, vor allem in Kombination mit Speichern und ein neues Gaskraftwerk beispielsweise günstiger. Doch wie nun ein neuer Report des US-amerikanischen Thinktanks RethinkX zeigt, werden die LCOEs konventioneller Energieträger – allen voran Kohle, Erdgas und Atomenergie – bis heute zu niedrig angesetzt bzw. liegen weitaus höher als oftmals angenommen.“
Aus der Untersuchung: „Um konventionelle Kohle-, Gas-, Atom- und Wasserkraftwerke herum existiert heute eine große und sich schnell ausweitende globale Finanzblase. Diese Blase ist zum Teil durch Mainstream-Energieanalysen entstanden, die in den letzten zehn Jahren die Stromgestehungskosten von konventionellen Kraftwerken deutlich unterschätzt haben, weil sie davon ausgehen, dass diese Kraftwerke in der Lage sein werden, von jetzt bis 2040 und darüber hinaus jedes Jahr die gleiche Strommenge erfolgreich zu verkaufen. Diese Annahme ist schon seit mindestens zehn Jahren falsch. Die Auslastung konventioneller Kraftwerke wird weiter sinken, da der Wettbewerbsdruck durch Solar-Photovoltaik- und Onshore-Windkraftanlagen mit Grenzkosten nahe Null und Batteriespeicher weltweit exponentiell zunimmt.“
Seit 2010 hätten von politischen Entscheidungsträgern, Regulierungsbehörden, Bürgermeistern, Energieversorgern, Anlagenbesitzern und Investoren verwendete Mainstream-Analysen die zu erwartenden Kosten für Kohle-, Gas-, Atom- und Wasserkraftstrom deutlich unterschätzt. Also: Konventionelle Bewertungen von Energieanlagen würden stark überbewertet. Die Studie erklärt wörtlich: „Die fundamentale Bewertung eines Vermögenswertes basiert auf den erwarteten zukünftigen Cashflows, die wiederum von den prognostizierten Einnahmen und Kosten abhängig sind. Die prognostizierten Einnahmen und Kosten eines Kraftwerks sind abhängig von seinem angenommenen Kapazitätsfaktor (oder Auslastungsgrad), d. h. dem Anteil seiner Erzeugungskapazität, den es tatsächlich produzieren und verkaufen kann.“
Laut Fell sind die Grundlagen der LCOE-Rechnungen „schlicht falsch“. Aber die Fehlannahmen seien seit jeher Ausgangspunkte für Analysen und Ausblicke der Internationalen Energieagentur (IEA), der US Energy Information Administration (EIA), der internationalen Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) und viele, viele andere. Nun lieferten LCOE aber entscheidende Anhaltspunkte für Investitionen in die Energieinfrastruktur, an denen sich PolitikerInnen, UnternehmerInnen und InvestorInnen orientieren, „vor allem, wenn die Zahlen von Regierungs-Organisationen wie der IEA oder EIA kommen“.
Wichtige Erkenntnisse der Untersuchung
- Konventionelle Energieanlagen sind stark fehlbewertet und ihre Überbewertung führt zu einer wachsenden Bewertungsblase im konventionellen Energiesektor.
- Kohle-, Gas-, Atom- und Wasserkraft sind mit der Kombination von SWB (Solar-Wind-Batterien) nicht mehr wettbewerbsfähig, selbst wenn man ungenaue Mainstream-LCOE-Berechnungen verwendet.
- Solar- und Windenergie haben die Kostenparität erreicht und wurden einige Jahre früher billiger als Kohle-, Gas-, Atom- und Wasserkraft, als von den Mainstream-Analysten berichtet.
- Die immer größer werdende Lücke zwischen den schnell steigenden LCOE der konventionellen Energie und den schnell sinkenden SWB-Kosten bedeutet, dass die SWB-Disruption schneller als erwartet voranschreiten wird.
- Kohle- und Gaskraftwerke mit integrierter Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) sind doppelt fehlbewertet (überbewertet).
- Die Regierungen müssen die Menschen, nicht die etablierten Unternehmen oder Industrien, vor dem finanziellen Risiko der Blase der konventionellen Energieanlagen schützen.
- Kohlenstoffneutralität kann schneller und kostengünstiger erreicht werden als allgemein erwartet.
„Die Regulierungsbehörden haben ihre Verantwortung für die Preisgestaltung von Vermögenswerten an Organisationen wie die IEA, die U.S. EIA, ein paar Mainstream-Beratungsfirmen und Wall Street-Analysten ausgelagert. Diese Organisationen spielen die Rolle, welche die Rating-Agenturen bei der Fehlbewertung von Subprime-Hypotheken gespielt haben, die zu einer Immobilienblase, einer Finanzkrise und schließlich zur Großen Rezession zwischen 2007 und 2009 geführt hat.“
->Quellen: