NGO kritisieren EU-Taxonomie: „Große Chance verschenkt“

„Bioenergie ist nicht nachhaltig“

„Die EU-Staaten wollen viel mehr Holz verbrennen, um die Klimaziele zu erreichen. Die Kommission findet das nachhaltig, doch Umweltschützer sind entsetzt. Sie fordern einen Vorrang für die stoffliche Nutzung und eine nachhaltige Waldwirtschaft“, fasst der Tagesspiegel-Background kurz und bündig die Auseinandersetzung zwischen NGO und EU zusammen. In ihrer neuen Taxonomie will die EU industriellen Holzeinschlag und Einsatz von Holz und Nutzpflanzen als Brennstoff zur Energiegewinnung als nachhaltige Investitionen einstufen. Dagegen wendet sich der WWF gemeinsam mit anderen NGO.

Biomasse Fichtenwald in der Mark Brandenburg – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Diese haben denn auch beschlossen, ihre Teilnahme an der Plattform für nachhaltige Finanzen der Europäischen Kommission auszusetzen. Damit protestieren sie gegen die ihrer Meinung nach schwachen und „unwissenschaftlichen“ Kriterien für Bioenergie und Forstwirtschaft in der neuen EU-Taxonomie für grüne Finanzen. Die Naturschutzgruppe WWF gab dies am 21.04.2021 bekannt – wenige Stunden nachdem die Kommission ihr neues Regelwerk vorgestellt hatte, mit den Kriterien, die Unternehmen zum Erhalt eines Labels für „grüne Investitionen“ in der EU erfüllen müssen.

„Mit diesem Schritt protestiert der WWF sowohl gegen das Greenwashing der Forstwirtschafts- und Bioenergiekriterien in der Klimataxonomie als auch gegen den Prozess, der zu diesen Kriterien geführt hat,“ so die Organisation in einer Erklärung. WWF-Leiter Sustainable Finance, Matthias Kopp,  nannte dieEinstufung eine „katastrophale Nachricht für Klima und Artenvielfalt“. Denn die EU-Taxonomie für Nachhaltigkeit habe eigentlich eine verbindliche und wissenschaftsbasierte Definition für ökologisch nachhaltige Aktivitäten und Investitionen vorgeben sollen. Die Nutzung von Biomasse für Bioenergie sei allerdings alles andere als das: Wissenschaftliche Studien zeigten, dass Bioenergie nicht klimaneutral, sondern potenziell schädlich für Klima und Artenvielfalt ist.

„Nach den Vorschlägen der Kommission können sich Banken und Investoren nicht auf eine kohärente und wissenschaftsbasierte Grundlage stützen. Wenn der Entwurf in dieser Form vom europäischen Parlament und dem Rat nicht grundlegend verbessert wird, ist seine Kraft verschwendet, bevor sie sich entfalten konnte. Die Idee der Ausrichtung von Kapitalflüssen an klaren und glaubwürdigen Kriterien wäre gescheitert. Damit verschwendet die EU-Kommission das Momentum gerade an dem Tag, an dem sich global Finanzdienstleister mit der Glasgow Finance Alliance for Net Zero (siehe: solarify.eu/70-billionen-pro-netto-null-emissionen) ambitioniert aufstellen“, sagt Kopp. Entscheidungen zu fossiler Energieerzeugung auf Erdgasbasis, Landwirtschaftsaktivitäten und Kernenergie verschob die EU-Kommission.

Gleichzeitig veröffentlichte sie ihren lang erwarteten Vorschlag für eine Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (NFRD-Reform). Der WWF begrüßte die Absicht der Kommission, die Transparenz für nachhaltige Unternehmen zu verbessern, sowie Elemente wie verpflichtende sektorspezifische EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Weiterhin besorgt sehen die Umweltschützer den begrenzten Umfang des Vorschlags: Offenlegung zentraler Informationen ist von KMUs in Sektoren mit hohen Auswirkungen bzw. hohem eigenen Risiko notwendig. Dies sieht der Entwurf allerdings nicht vor.

Hintergrund: Bioenergie ist nicht klimaneutral  

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen laut WWF, dass die Nutzung von Biomasse für Bioenergie nicht klimaneutral ist. Die Verbrennung von Biomasse emittiert in der EU mehr als 350 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Ein im Januar 2021 veröffentlichter JRC-Bericht der Kommission selbst, der wurde, stellt fest, dass 23 der 24 Bioenergieszenarien, die in dem Bericht bewertet wurden, ein Risiko für das Klima, die biologische Vielfalt oder beides darstellen. Damit wird bestätigt, was Wissenschaftler und NGOs seit Jahren sagen. Die EU muss die Regeln für Bioenergie jetzt radikal verschärfen, bevor noch mehr Schaden angerichtet wird. Dazu sind die Anpassungen u.a. an der erneuerbaren Energien Richtlinie im Verlauf diesen Jahres zentral.

Viel Kritik

Das Regelwerk der Europäischen Kommission zur grünen Taxonomie führt ein Kennzeichnungssystem für Investitionen ein, das Hunderte Milliarden an Geldern in Industrien und Unternehmen fließen lassen soll, die ein „nachhaltiges“ Label für alle oder einen Teil ihrer Aktivitäten erhalten. Es deckt aktuell 13 Branchen ab, die zusammen für fast 80 Prozent der EU-Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, darunter erneuerbare Energien, Transport, Forstwirtschaft, Fertigungsindustrie, Gebäude, Versicherungen und sogar die Kunst.

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