MPIE: Wie die Ausbreitung Wasserstoff-induzierter Risse in Stählen gestoppt wird
Wasserstoff – das kleinste aller Atome und doch immer wichtiger zur Erreichung einer klimaneutralen Wirtschaft. Während Politik, Industrie und Forschung darauf hinarbeiten, möglichst viel Wasserstoff als nachhaltigen Energieträgern zu nutzen, ist die Wasserstoffversprödung von hochfesten Legierungen zu einem der Hauptprobleme geworden, welche die Realisierung der Wasserstoffwirtschaft behindern. Ein Wissenschaftlerteam des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung (MPIE) nd ihre Kollegen von der Tsinghua University China und der Norwegian University of Science and Technology veröffentlichte am 13.07.2021 neueste Erkenntnisse in Nature Materials.
Hochfeste Legierungen werden in der Automobil- und Luftfahrtindustrie dringend für den Bau von Leichtbaukomponenten und in allen anderen Bauteilen benötigt, die zur Speicherung und zum Transport von Wasserstoff eingesetzt werden. „Stähle machen 90 % des weltweiten Marktes für Metalllegierungen aus und hochfeste Stähle können besonders anfällig für Wasserstoffversprödung sein. Deshalb war es unser Ziel, eine kostengünstige, skalierbare Strategie zu finden, um hochfeste Stähle unter Beibehaltung ihrer mechanischen Leistungsfähigkeit widerstandsfähiger gegen Wasserstoff zu machen.“, erklärt Binhan Sun, Postdoktorand, Themenleiter für Wasserstoffversprödung in Hochleistungslegierungen am MPIE und Erstautor der Publikation. Die Wissenschaftler implementierten manganreiche Bereiche in die Mikrostruktur des Stahls, um Risse abzustumpfen und Wasserstoff darin einzufangen und so die Rissausbreitung zu stoppen. „Wir haben unsere Methode mit hochfesten Manganstählen getestet, in denen wir eine extrem hohe Anzahldichte (über ~2 × 1018/m3) von manganreichen Pufferzonen erzeugt haben. Diese Pufferzonen stellen Sackgassen für Risse dar, indem sie scharfe Risse abstumpfen. Dadurch wird der Stahl doppelt so widerstandsfähig gegen Wasserstoff wie herkömmliche chemisch homogene Stähle, unabhängig davon, wann und wie Wasserstoff in das Material eingedrungen ist“, sagt Dirk Ponge, Leiter der MPIE-Gruppe „Mechanism-based Alloy Design“, der das Forschungsprojekt betreut.
Abstract des Nature-Artikels: „Der Widerspruch zwischen der Festigkeit und der Widerstandsfähigkeit gegen Wasserstoffversprödung in metallischen Werkstoffen ist ein wesentliches Hindernis für die Entwicklung von leichten und dennoch zuverlässigen Bauteilen, die in wasserstoffhaltigen Umgebungen eingesetzt werden. Es müssen kostengünstige und skalierbare mikrostrukturelle Lösungen für diese Herausforderung gefunden werden. Hier stellen wir eine kontraintuitive Strategie vor, um die typischerweise unerwünschte chemische Heterogenität innerhalb der Mikrostruktur des Materials auszunutzen, die eine lokale Verbesserung der Rissbeständigkeit und des lokalen Wasserstoffeinschlusses ermöglicht. Wir wenden diesen Ansatz bei einem manganhaltigen hochfesten Stahl an und erzeugen eine hohe Dispersion manganreicher Zonen im Gefüge. Diese lösungsstoffreichen Pufferbereiche ermöglichen eine lokale Feinabstimmung der Phasenstabilität, indem sie wasserstoffinduzierte Mikrorisse aufhalten und so die Perkolation von wasserstoffunterstützten Schäden unterbrechen. Dies führt zu einer überragenden Beständigkeit gegen Wasserstoffversprödung (um den Faktor zwei besser), ohne die Festigkeit und Dehnbarkeit des Materials zu beeinträchtigen. Die Strategie, chemische Heterogenitäten zu nutzen, anstatt sie zu vermeiden, erweitert den Horizont für das Mikrostruktur-Engineering durch fortschrittliche thermomechanische Verarbeitung.“
Die vorgestellte Methode lässt sich prinzipiell auf über 10 etablierte Stahlsorten anwenden. Mögliche Anwendungen sehen die Wissenschaftler auch für andere Legierungssysteme (z.B. mehrphasige Titanlegierungen), die fest, dehnbar und wasserstoffbeständig sein sollen. Bevor jedoch das Spektrum der Legierungen erweitert wird, wollen die Forscher nun verschiedene Methoden finden, um Pufferzonen mit chemischer Heterogenität innerhalb des Gefüges präzise zu erzeugen. Diese verschiedenen Methoden könnten den Effekt der Rissbeständigkeit weiter verstärken und besser zu den etablierten industriellen Verarbeitungsrouten passen.
->Quellen:
- mpie.de/dead-ends-for-hydrogen-induced-cracks?
- mpie.de//mechanism-based_alloy_design
- B. Sun, W. Lu, B. Gault, R. Ding, S. K. Makineni, D. Wan, C.-H. Wu, H. Chen. D. Ponge, D. Raabe: Chemical heterogeneity enhances hydrogen resistance in high-strength steels, in: Nature Materials 2021 – nature.com/articles/s41563-021-01050-y, DOI: https://dx.doi.org/10.1038/s41563-021-01050-y -open access-