Greenpeace-Studie: Konsequenter Ausbau der Solarenergie kann in Deutschland Zehntausende Arbeitsplätze schaffen
Den Anforderungen der 1,5-Grad-Grenze gemäß die Solarenergie auszubauen, könnte in Deutschland einen deutlichen Wachstumsschub in der Branche bewirken und kumuliert bis zu 85.000 Arbeitsplätze schaffen; dazu müssten politisch geleitete regulatorische Hürden beseitigt werden. Dies zeigt eine am 06.08.2021 veröffentlichte Kurzstudie des Fraunhofer ISE-Instituts im Auftrag von Greenpeace. Die konsequente Nutzung von Sonnenenergie in der Bundesrepublik könnte zudem eine globale Strahlkraft entwickeln.
Photovoltaik und Solarthermie sind längst marktreif und verbessern sich kontinuierlich, allein politischer Unwille steht einem Solarboom im Wege. „Der schnelle Umbau des Energiesystems auf Basis von erneuerbaren Energien ist das Herzstück eines erfolgreichen Kampfs gegen die Klimakrise”, sagt Greenpeace-Experte für Erneuerbare Energien Jonas Ott. „Es ist unverantwortlich, dass noch immer regulatorische Hürden den Ausbau der Solarenergie blockieren. Sowohl Solar- als auch Windenergie müssen massiv ausgebaut werden. Nur wenn die Bundesregierung ihre Verhinderungspolitik bei den Erneuerbaren stoppt, kommt Deutschland beim Klimaschutz voran.”
Solarenergie birgt enorme bislang ungenutzte Potenziale
Die Studie identifiziert mit über 3.000 Gigawatt möglicher Leistung ein enormes Potenzial für Photovoltaik, etwa auf künstlichen Seen, an Fassaden oder in Kombination mit landwirtschaftlichen Flächen – allein die sogenannte Agri-Photovoltaik birgt ein Potenzial von bis zu 1.700 Gigawatt. Mit 1.000 Gigawatt bieten vor allem Städte eine attraktive Nutzung, da der grüne Strom direkt genutzt werden könnte. Die bestehenden Potenziale zeigen, dass das für den Schutz des Klimas nötige Ausbautempo ambitioniert, aber machbar ist. Damit Sonnenstrom einen Beitrag zu einem bis spätestens 2040 klimaneutralen Deutschland leistet, muss sich der jährliche Zubau verdreifachen, von zuletzt 5 auf mindestens 15 Gigawatt. „Solarenergie bietet enormes Potenzial für die Energiewende”, so Ott. „Um das zu heben, muss die Bundesregierung sofort Maßnahmen wie etwa eine Solarpflicht für Neubauten und bei Dachsanierungen einleiten und die Ausschreibungsmengen erhöhen.”
Im Auftrag von Greenpeace veröffentlicht das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE eine Kurzstudie zu Bedarf und Potenzialen der Photovoltaik und Solarthermie in Deutschland. Unter dem Titel »Solaroffensive – Wie wir mit Sonnenenergie einen Wirtschaftsboom entfesseln und das Klima schützen« werten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter anderem Daten zum zukünftigen Energiebedarf, zur Verfügbarkeit von Flächen sowie Preis- und Arbeitsplatzentwicklung aus.
Auf dem Weg zur Klimaneutralität wird der Strombedarf durch die zunehmende Elektrifizierung des Energie-, Gebäude- Verkehrs- und Industriesektors in Deutschland deutlich ansteigen: Bis 2030 um den Faktor 1,2 bis 1,4 im Vergleich zu heute, bis zur Vollendung der Energiewende 2045 um Faktor 2 bis 2,5. Um dem neuen Klimaschutzgesetz vom 24. Juni 2021 gerecht zu werden, müssen die Photovoltaik und Solarthermie, neben der Windenergie, stark ausgebaut werden.
Ausbauziele für solaren Strom und solare Wärme
Im Jahr 2020 wurden rund 45 Prozent des Bruttostromverbrauchs durch erneuerbare Technologien (PV, Wind, Biomasse und Wasserkraft) bereitgestellt, der Rest kam aus fossilen und nuklearen Kraftwerken. »Um 100 Prozent unseres, bis dahin nochmal stark gestiegenen, Strombedarfs mit Erneuerbaren zu decken, müssen wir im Vergleich zu heute das 6 bis 8-fache an Photovoltaik-Leistung installieren«, erklärt Dr. Christoph Kost, Leiter der Gruppe Energiesysteme und Energiewirtschaft am Fraunhofer ISE. Das sind 303 bis 446 Gigawatt im Vergleich zu den 54 Gigawatt installierter PV-Leistung Ende 2020.
Solarthermie kann Brauchwarmwasser und Heizwärme bereitstellen und lässt sich leicht in bestehende Wärmeversorgungsanlagen integrieren. In Deutschland sind aktuell Solarthermie-Anlagen mit einer Gesamtleistung von circa 15 Gigawatt installiert. Neben anderen Maßnahmen ist für eine klimaneutrale Wärmeversorgung in Deutschland, ein Ausbau auf insgesamt circa 45 bis 49 Gigawatt an Solarthermie-Leistung erforderlich.
Photovoltaik: Flächenpotenziale, Arbeitsplatz- und Preisentwicklung
Um Photovoltaik-Anlagen mit 6 bis 8-fachem Leistungsumfang installieren zu können, muss viel Fläche bereitgestellt werden. Die Studie legt deshalb einen Schwerpunkt auf das Potenzial der sogenannten Integrierten Photovoltaik. Dr. Harry Wirth leitet das Forschungsfeld am Fraunhofer ISE: »Photovoltaik verbindet sich hier mit der Landwirtschaft, schwimmt auf gefluteten Tagebauen, passt in Gebäude- und Fahrzeugaufbauten, folgt Verkehrswegen oder bedeckt bereits versiegelte Flächen wie Parkplätze. Die Integration von PV-Anlagen in solche bereits genutzten Flächen erschließt ein riesiges Potenzial zur Stromerzeugung – und schafft eine Fülle weiterer Synergien.«
Eine vertikal integrierte Photovoltaik-Produktion in Europa schüfe nicht nur Import-Unabhängigkeit für den systemkritischen Energiesektor, sondern auch circa 750 Arbeitsplätze für jedes Gigawatt an PV-Modulproduktionskapazität. Weitere 3.500 Arbeitsplätze pro Gigawatt entstehen durch die Installation von PV-Kraftwerken. Auch die berechnete Treibhausgas-Bilanz des erzeugten PV-Stroms fällt für Module aus heimischer, integrierter Produktion mit circa 23 Gramm Treibhausgasemission (CO2-Äquivalente) pro Kilowattstunde deutlich besser aus als für Importmodule aus China. Bemerkenswert ist, dass die Produktionskosten für solaren Strom seit der Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) um circa 80 bis 90 Prozent gesunken sind. Für große Freiflächen-Solarkraftwerke liegen diese Kosten heute zwischen 3 und 5,5 Cent pro Kilowattstunde, für kleine Dachanlagen bis 30 Kilowatt zwischen 6 und 11 Cent pro Kilowattstunde.
Solarthermie: Sofort einsatzbereit
Die Stärke der Solarthermie liegt darin, dass sie keinen Brennstoff verbraucht und sich sowohl mit erneuerbaren wie auch konventionellen Wärmeerzeugern leicht kombinieren lässt. In Kombination mit Gas und Öl spart sie dann sofort Brennstoff ein. Zusammen mit Wärmepumpen, Pellets oder Biogas erhöht sie die Effizienz der Wärmebereitstellung. Sie ist leicht skalierbar und kann damit dezentral in kleineren Anlagen sowie in Fernwärmenetzte mit größeren Anlagen sehr gut eingebunden werden. Dr. Korbinian Kramer, Koordinator für Solarthermie am Fraunhofer ISE: »Solarthermie stellt Wärme weitestgehend CO2-frei zur Verfügung. Die Technologie kann in vielen Anwendungsfeldern heute direkt eingesetzt werden und ist damit eine zielführende, schnell verfügbare Option für die Wärmewende.«
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