Mit Rohrkolben (nicht nur) dämmen
Immer mehr Hauseigentümer dämmen ihre Wände, um Energiekosten zu senken. Häufig entscheiden sie sich für die billige Variante Polystyrol. Doch es gibt umweltfreundliche Alternativen: So eignet sich Rohrkolben hervorragend als natürliches Isoliermaterial. Rohrkolben wird schon seit langem für verschiedene Zwecke verwendet, wie zur Reinigung von Abwässern in Kläranlagen, zum Entgiften von Böden, als Rohstoff für handwerkliche Flechtarbeiten, als Nahrungsmittel oder in der traditionellen Medizin als Heilpflanze bei verschiedenen Erkrankungen.
Forscher vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP in Valley (Fotos) wollen das Material aus der Natur jetzt als Baustoff nutzen – etwa zum Dämmen von Außenwänden oder als Putzträger. Dr. Martin Krus, Prüfstellenleiter am IBP, bescheinigt dem nachwachsenden Rohstoff zahlreiche positive, für den Bau relevante Eigenschaften: „Rohrkolben ist als Sumpfpflanze von Natur aus schimmelresistent und bestens gegen Feuchtigkeit gerüstet. Die Blätter der Pflanze haben ein faserverstärktes Stützgewebe, das mit einem weichen Schwammgewebe ausgefüllt ist. Durch diesen speziellen Aufbau sind sie außerordentlich stabil und besitzen eine gute Dämmwirkung. Die bleibt auch in den fertigen Produkten erhalten“
Ein solches Produkt hat der Forscher bereits parat. In enger Zusammenarbeit mit dem Kooperationspartner typha technik Naturbaustoffe entwickelte er eine magnesitgebundene Dämmplatte aus Typha (lateinisch für Rohrkolben), die bereits zum Patent angemeldet ist. Die Platte verfügt über eine geringe Wärmeleitfähigkeit von 0,052 W/mK (Watt pro Meter und Kelvin). Sie bietet einen guten Brand-, Schall- und Wärmeschutz und ist relativ diffusionsoffen, aber ausreichend dicht, um bei den meisten Anwendungen auf eine Dampfbremse verzichten zu können. Vor allem ist das Material in Richtung der Plattenebene mit hohen Drücken belastbar. Die guten Werte der Typha-Platte konnten der Forscher und sein Team nach eineinhalbjährigen Messungen in einem Nürnberger Fachwerkhaus bestätigen. Dessen Außenwände und auch das Fachwerk waren mit Typha saniert worden. „Die Handwerker vor Ort waren von dem nachhaltigen Material begeistert“, sagt Krus.
Niedermoore durch Typha-Anbau regenerieren
Doch trotz der zahlreichen Vorzüge von Typha wird der Baustoff aus der Natur bislang noch nicht im größeren Stil verbaut und industriell verwertet. „Rohrkolben wächst in großen Beständen vor allem in Osteuropa, vornehmlich in Rumänien und Ungarn. Hierzulande wird die Feuchtgebietspflanze nicht kultiviert, sie müsste also extra importiert werden“, schildert der Ingenieur einen wesentlichen Hinderungsgrund. Dabei gäbe es in Deutschland geeignete Anbauflächen. Beispielsweise ließen sich trockengelegte Niedermoore, die jahrzehntelang landwirtschaftlich genutzt wurden, durch den Anbau von Typha regenerieren.